Im Interview: Der Fall Prokon

Sanierung unter Insolvenzschutz als Chance für PROKON

Interviewer: Herr Buchalik, die PROKON Regenerative Energien GmbH, kurz PROKON, hat am 22.01.2014 einen Insolvenzantrag gestellt. Über 70.000 Anleger müssen das Schlimmste befürchten: einen Totalverlust ihrer Anlage. Ihre Wirtschaftskanzlei Buchalik Brömmekamp ist auf das Insolvenzplanverfahren und die Eigenverwaltung spezialisiert und hat seit der Reform des Insolvenzrechts mehr als 40 Unternehmen durch das neue gerichtliche Sanierungsverfahren begleitet. Sieht es wirklich so schlimm für die Anleger aus?

Robert Buchalik: Das lässt sich pauschal nicht sagen. Grundsätzlich bedeutet das Insolvenzverfahren heute nicht mehr das Ende des Unternehmens. Der Insolvenzplan – ob in Regelinsolvenzverfahren oder in Eigenverwaltung – ist ein vernünftiges Instrument, ein Unternehmen zu sanieren, sofern es grundsätzlich marktfähig ist. Möglich ist eine leistungs-, personal- und finanzwirtschaftliche Sanierung.

Interviewer: Was bedeutet das konkret?

Buchalik: Die Insolvenzordnung ermöglicht es dem Unternehmen, ungünstige und unrentable Verträge (z.B. Verträge mit Lieferanten und Dienstleistern aber auch Miet- und Leasingverträge) weitgehend unabhängig von Kündigungsfristen zu beenden. Auch Personalanpassungsmaßnahmen werden im Hinblick auf Kündigungsfristen und Sozialplanregelungen deutlich erleichtert. Die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter werden über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten durch die Bundesagentur für Arbeit gezahlt. Diese leistungs- und personalwirtschaftlichen Maßnahmen werden in der Regel durch finanzwirtschaftliche  Veränderungen flankiert. Häufig tritt ein neuer Investor als Gesellschafter in das Unternehmen ein und bringt „frisches“ Eigenkapital mit. Die Gläubiger verzichten im Rahmen eines solchen Sanierungsverfahrens in der Regel auf einen nicht unerheblichen Anteil ihrer Forderungen. Am Ende dieses Prozesses steht im Idealfall ein ertragreiches, wettbewerbsfähiges und weitgehend schuldenfreies Unternehmen. Die Sanierung unter Insolvenzschutz führt also nicht zur Zerschlagung des Unternehmens und einer entsprechenden Vernichtung von Werten, sondern kann in die Schieflage geratene, an sich zukunftsfähige Unternehmen auf ein gesundes Fundament stellen.

„Die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ist kein gutes Zeichen und verschenkt Geld zu Lasten der Anleger“

Interviewer: PROKON hat sich nicht für die Eigenverwaltung entschieden, sondern ein herkömmliches Insolvenzverfahren beantragt. Muss die Geschäftsführung nicht fürchten, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter die Geschäftsführung übernimmt und die bisherige Geschäftsführung entmachtet?

Buchalik: Die Beantragung der vorläufigen Eigenverwaltung wäre unter Berücksichtigung der von PROKON veröffentlichten Zahlen der bessere Weg gewesen, zumal durch die deutlich erhöhten Verfahrenskosten der Regelinsolvenz und die Pflicht zur Abführung der Umsatzsteuer zu Lasten der Gläubiger sehr viel Geld, geschätzte rd. 40 Mio Euro, verschenkt werden. Der Gesetzgeber hat für sanierungsfähige Unternehmen die Insolvenz in Eigenverwaltung vorgesehen und dieses Instrument durch die Im Jahr 2012 in Kraft getretene Reform der Insolvenzordnung erheblich gestärkt. Bei der Eigenverwaltung behält die bisherige Geschäftsführung das Sagen; sie leitet das Unternehmen weiter. Das Insolvenzgericht und ein Sachwalter kontrollieren die Geschäftsführung lediglich. Eine professionelle Vorbereitung der entsprechenden Anträge sowie eine enge Einbindung der Gläubiger und des Gerichts sind aber Voraussetzung dafür, dass die Eigenverwaltung angeordnet und die Geschäftsführung nicht entmachtet wird. Die Sanierung und der Plan müssen durch ein interdisziplinäres Team aus Betriebswirten, Wirtschaftsingenieuren und Juristen begleitet werden. Wenn diese Voraussetzungen nicht geschaffen werden, bleibt – häufig schon aus Zeitgründen – nur die Möglichkeit, einen Antrag auf Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens zu stellen. Das Gericht bestellt dann einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Im Unterschied zur vorläufigen Eigenverwaltung kann die Geschäftsführung jetzt nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters handeln; sie ist faktisch entmachtet. Dies kann, muss aber nicht zwingend ein Nachteil sein.

Interviewer: Was könnte der Grund dafür sein, dass PROKON keine vorläufige Eigenverwaltung beantragt hat?

Buchalik: Nun, darüber können wir derzeit nur spekulieren. Denkbar ist, dass Umstände bekannt geworden sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führt. Klassischerweise ist dies der Fall, wenn die Geschäftsführung nicht zuverlässig erscheint, zum Beispiel aufgrund von Vorstrafen, Bankrottdelikten oder anderer erkennbarer Pflichtverletzungen, die potenziell gläubigerschädigend sind. Möglicherweise wird PROKON aber auch für nicht sanierungsfähig gehalten, sodass ohnehin die Zerschlagung angestrebt wird. In diesen Fällen kommt eine vorläufige Eigenverwaltung nicht in Betracht. Jedenfalls ist die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters kein gutes Zeichen.

„Rettung durch Insolvenzplan nach wie vor möglich“

Interviewer: Bedeutet der Insolvenzantrag jetzt das Ende des Unternehmens?

Buchalik: Nein, die Sanierung des Unternehmens kann grundsätzlich auch im Regelinsolvenzverfahren erfolgen. Zentrales Element ist der Insolvenzplan, der die Entschuldung des Unternehmens gestaltet. Das Unternehmen selbst kann einen solchen Plan vorlegen. Aber auch die Gläubiger können den Insolvenzverwalter mit der Erstellung und Vorlage eines solchen Plans beauftragen.

„Der Insolvenzplan kann auch die Genussrechtsinhaber berücksichtigen“

Interviewer: Und die Anleger gehen am Ende leer aus?

Buchalik: Wenn das Unternehmen jetzt verkauft oder zerschlagen wird, könnte es darauf hinaus- laufen. Nicht jedoch bei der Umsetzung eines Insolvenzplans, was – wie gesagt – immer noch möglich ist. Welche Rechte die Anleger haben, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Genussrechte ab und ist auch unter Juristen nicht unumstritten. Gerade hier zeigt sich aber die Stärke des Insolvenzplans. In dem Plan kann bestimmt werden, dass die Anleger auch dann befriedigt werden, wenn ihre Forderungen nachrangig sind. Ohnehin eröffnet der Insolvenzplan sämtlichen Beteiligten sehr vielfältige Möglichkeiten, die Zukunft des Unternehmens zu gestalten. Die Planinsolvenz könnte sich damit als Glücksfall für die Anleger erweisen.

Interviewer: Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Buchalik: Nun, nach allem was ich den Medien und der Darstellung von PROKON entnehmen kann, ist das Unternehmen operativ erfolgreich. Es erwirtschaftet – vereinfacht gesagt – Gewinne. Problematisch ist die Finanzierung des Unternehmens. Insbesondere die offenbar zu hohe Rendite der Anleger. Wie PROKON auf seiner Internetseite selbst schreibt, wäre kein Verlust zu verzeichnen, wenn in den letzten Jahren statt 8 Prozent lediglich 2,9 Prozent Rendite in Form von Zinsen an die Anleger ausgezahlt worden wären. Es gibt also offensichtlich Bedarf für eine finanzwirtschaftliche Sanierung. Hierfür eignet sich wiederrum sehr hervorragend das Insolvenzplanverfahren. Denkbar ist eine Regelung, wonach künftig deutlich weniger Zinsen gezahlt werden. 2,9 Prozent sind in der derzeitigen Niedrigzinsphase immer noch eine beachtliche Rendite.

„Beratung geht vor Aktionismus“

Interviewer: Wie sollten sich Anleger jetzt verhalten?

Buchalik: Nun, sie sollten sich auf jeden Fall durch im Insolvenzrecht kundige Rechtsanwälte beraten lassen, bevor sie Maßnahmen ergreifen. Der Teufel steckt – wie so oft – im Detail. Die Genussrechte sind unterschiedlich ausgestaltet und die Stellung der Inhaber solcher Rechte ist insolvenzrechtlich nicht unumstritten. Nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung haben die Anleger kaum noch eigene Handlungsmöglichkeiten. Sämtliche Auszahlungen an die Anleger sind durch den Gerichtsbeschluss untersagt. Ob Schadensersatz und Haftungsansprüche gegen das herausgebende Unternehmen oder die Geschäftsführung Aussicht auf Erfolgt haben, ist noch einmal eine Frage für sich. Solche Prozesse sind schwierig zu führen und nehmen Zeit in Anspruch. Man wird auch überlegen müssen, ob sich diese Bemühungen wirtschaftlich lohnen.  Möglicherweise bietet am Ende des Tages der Insolvenzplan eine sachgerechte und faire Lösung für alle Beteiligten. Abhängig von der weiteren Entwicklung kann es Sinn machen, dass sich die Anleger zusammenschließen, um den späteren Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Verfahrens mit der Erstellung eines Insolvenzplans zu beauftragen.

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