Der vorläufige Gläubigerausschuss: Stärkung der Gläubigermitbestimmung

Unbestritten werden die Weichen für ein Unternehmen in der Insolvenz bereits in den ersten zehn bis 14 Tagen in die richtige oder in die falsche Richtung gestellt. Vor diesem Hintergrund haben Schuldner wie Gläubiger nach dem neuen Recht die Möglichkeit erhalten, schon vom ersten Tag eines Verfahrens an diese zentralen Weichen­ stellungen mit zu beeinflussen.

Voraussetzung für eine solche „steuernde Mitwirkung“ ist jedoch, dass das Unternehmen zumindest in der letzten Phase der Krise professionell begleitet wird, den Dialog mit den wichtigsten Gläubigern sucht und sie davon überzeugt, einen gemeinsamen Weg hin zu einer Sanierung des Unternehmens unter dem Schutz des Insolvenzrechts zu gehen. Unternehmen hingegen, die ihre Gläubiger mit einem Insolvenzantrag überraschen, sollen von diesen Möglichkeiten eines gesteuerten Verfahrens zu Recht ausgeschlossen werden. Die neuen Möglichkeiten sind eine „Belohnung“ des Gesetzgebers und zugleich ein Anreiz für Unternehmen, sich rechtzeitig unter den Schutz des Insolvenzrechts zu begeben. Zentrales Steuerungsinstrument in dieser frühen Phase ist ein repräsentativ besetzter vorläufiger Gläubigerausschuss. Damit will der Gesetzgeber zugleich sicherstellen, dass das Insolvenzgericht vom ersten Tag an auch Erkenntnisse der Gläubiger über das Schuldnerunternehmen in seine Entscheidung einbinden kann.

Insolvenzgrund: Zahlungsunfähigkeit

Anders beim Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit. Hier besteht für die Organe einer juristischen Person oder einer GmbH & Co. KG stets eine strafbewehrte Pflicht zur Insolvenzantragstellung ohne schuldhaftes Zögern spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Die Drei-Wochenfrist dient dazu, den Organen die Möglichkeit zu geben, noch Sanierungsversuche durchzuführen, um den Insolvenzgrund nachhaltig zu beseitigen. Lässt sich ersehen,

dass damit nicht ernsthaft zu rechnen ist, muss der Antrag unverzüglich gestellt werden, also auch schon deutlich vor Ablauf der Drei-Wochenfrist. Die Feststellung der Insolvenzgründe erfolgt gegenüber dem Unternehmen in der Krise normalerweise anhand eines sogenannten Insolvenzstatus, dessen Prüfungsergebnisse – nicht zuletzt aus Haftungsgründen – belastbar sein müssen.

Der wichtige Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Das soll nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2005 jedenfalls dann der Fall sein, wenn der Schuldner innerhalb eines Zeitspektrums von drei Wochen mindestens zehn Prozent seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten nicht erfüllen kann, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.

Ob und wann das der Fall ist, ist für den Laien sehr schwer zu ermitteln, deshalb muss er sich fachkundiger Hilfe bedienen. Versäumt es der Schuldner, einen Insolvenzantrag trotz Vorliegen des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit zu stellen, machen sich die Organe des Schuldners strafbar. Das kann auch gravierende Auswirkungen auf die zukünftigen beruflichen Möglichkeiten des Handelnden haben und kann zu persönlichen zivilrechtlichen Haftungsrisiken des zur Antragstellung verpflichteten Organs führen.

Ausschussmitglieder

Jedes Insolvenzverfahren ist von unterschiedlichen Gruppeninteressen geprägt. Soll verhindert werden – und dies ist der Wille des Gesetzgebers –, dass sich im Insolvenzverfahren das Recht des Stärkeren, der gesicherten Gläubiger, gegen die schützenswerten Interessen der allgemeinen Insolvenzgläubiger durchsetzt, dann müssen alle Gruppeninteressen auch in der Repräsentation der Mitglieder eines vorläufigen Gläubigerausschusses zum Ausdruck kommen. Die Legitimation für einen frühen steuernden Einfluss der Gläubiger folgt daher aus der Repräsentativität der Mitglieder. Ein im Eröffnungsverfahren vorgeschlagener vorläufiger Gläubigerausschuss sollte daher aus mindestens fünf Mitgliedern bestehen. Diese müssen überschneidungsfrei und eindeutig den Gruppen der Kreditwirtschaft, der Sicherungsgläubiger, der institutionellen Gläubiger, der ungesicherten Gläubiger sowie den Vertretern von Arbeitnehmerinteressen zuzuordnen sein. Wird mit dem Antrag eines Schuldners von den Gläubigern zugleich ein vorläufiger Gläubigerausschuss vor-

geschlagen, in dem die fünf Gruppen von Gläubigern eindeutig und repräsentativ vertreten sind, so ist dieser als vorläufiger Gläubigerausschuss vom Gericht zu bestellen. Gleichzeitig ist damit gewährleistet, dass die Gläubiger vom ersten Tag des Verfahrens an – ohne dass ein verzögerndes Element eintreten kann – Einfluss auf die weitere Gestaltung, die Bestimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters/Sachwalters, die Wahrnehmung von Sanierungsmöglichkeiten sowie auf eine möglichst schnelle Eröffnung des Verfahrens nehmen können.

Die Rechte eines vorläufigen Gläubigerausschusses, vor allem in einem Eigenverwaltungsverfahren, sind sehr weitgehend. Insbesondere zu nennen sind:

  • Mitwirkung bei allen wichtigen Entscheidungen im Eröffnungsverfahren, wie z. B. Benennung des Sachwalters, Fortführung der Eigenverwaltung oder Beendigung eines Schutzschirmverfahrens.
  • Ein einstimmiger Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses im Hinblick auf die Person des vorläufigen Sachwalters (§ 56a Abs. 2 InsO) bzw. Benennung eines konkreten Anforderungsprofils (§ 56a Abs. 1 InsO) bindet das Insolvenzgericht. Ein bereits vom Insolvenzgericht bestellter vorläufiger Sachwalter kann vom vorläufigen Gläubigerausschuss mittels eines einstimmigen Beschlusses abgewählt werden.
  • Stützung oder Ablehnung einer Eigenverwaltung (§ 270 Abs. 3 InsO); Ein einstimmiger Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Anordnung der Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren bindet das Insolvenzgericht. Das gilt selbst dann, wenn die Eigenverwaltung offensichtlich für die Gläubiger nachteilig wäre.
  • Zustimmung zu allen wichtigen Maßnahmen nach § 160 InsO

Der „Kann­ Soll­ Muss­ Ausschuss“

Will man sich die neuen Möglichkeiten zur Gläubigermitbestimmung durch den vorläufigen Gläubigerausschuss bewusst machen und die zentrale Bedeutung der richtig gerichtlichen Weichenstellung erkennen, dann ist es gut, zunächst zwischen den drei unterschiedlichen gesetzlichen Möglichkeiten zu unterscheiden.

Wichtig zu wissen ist zudem, dass das Recht zum Vorschlag geeigneter Personen den Gläubigern zusteht und nicht dem Gericht. Machen die Gläubiger von diesem Recht aber keinen Gebrauch, kann das Gericht die Mitglieder bestimmen.

Jedem Insolvenzantrag müssen zwingend alle Anlagen nach § 13 InsO beigefügt sein. Fehlen diese Anlagen oder sind sie unvollständig, dann ist der Antrag unzulässig. Die Komplexität der notwendigen Antragsunterlagen macht hier eine professionelle Vorbereitung in den letzten Wochen vor der Antragstellung unerlässlich.

Der „Kann­ oder Ermessensausschuss“

War bisher umstritten, ob es überhaupt gesetzlich zulässig ist, schon im Eröffnungsverfahren einen vorläufigen Gläubigerausschuss zu bestellen, so ist dies nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO nunmehr eine vorläufige Maßnahme und kann daher in jeder Verfahrenslage von Amts wegen zur Anwendung gebracht werden. Eine Besonderheit ist, dass wegen fehlender Betriebsnähe Nicht-Gläubiger oder sachverständige Dritte in einem vorläufigen Gläubigerausschuss nicht vertreten sein dürfen, wohl aber Gläubiger, die erst mit Eröffnung Gläubiger werden. Dazu gehören nicht nur der Pensionssicherungsverein (PSV) und die Bundesagentur für Arbeit, sondern auch alle Gläubiger unbestrittener oder titulierter Forderungen. Für die Arbeitnehmer dürfte auch die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen durch eine im Unternehmen tätige Gewerkschaft zulässig sein.

Der „Soll­ oder Antragsausschuss“

Auch wenn Unternehmen die Schwellenwerte eines Muss- oder Pflichtausschusses (Umsatz mind. 12 Mio. Euro, Bilanzsumme mind. 6 Mio. Euro, 50 Arbeitnehmer) nicht erreichen, soll das Gericht nach § 22a Abs. 2 InsO einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, wenn dies vom Schuldner, einem beliebigen Gläubiger oder einem bereits bestellten vorläufigen Verwalter beantragt wird. Damit kann faktisch in jeder Unternehmensinsolvenz ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt und die Gläubigermitwirkung aktiviert werden. Diesem Antrag ist stattzugeben, wenn dem Gericht Personen benannt werden, die als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses in Betracht kommen, deren Einverständniserklärungen dem Antrag beigefügt sind und keine Ausschlussgründe (§ 22a Abs. 3 InsO) der Einsetzung entgegenstehen. Geht ein solcher Ausschussantrag direkt mit dem Insolvenzantrag ein, dann darf das Gericht nicht zögern, den Ausschuss zu bestellen. Aber auch hier gilt der Grundsatz der Repräsentativität und der Notwendigkeit eines Interessenausgleichs durch einen Fünfer-Ausschuss

Der „Muss­ oder Pflichtausschuss“

Erfüllt das Unternehmen die Schwellenwerte nach § 22a Abs. 1 InsO (Umsatz 12 Mio. Euro, Bilanzsumme 6 Mio. Euro, 50 Arbeitnehmer) und hat es den Betrieb bei Antragstellung noch nicht eingestellt, so ist das Gericht gesetzlich verpflichtet, einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen und muss dies tun, wenn mit dem vollständigen Antrag zugleich ein ordnungsgemäß besetzter Ausschuss vorgeschlagen wird und die Einverständniserklärungen der Vorgeschlagenen vorliegen. Da allerdings eine solche gerichtliche Einsetzung erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann, sollte in jedem Fall auch ein Antrag mit einem Vorschlag geeigneter Personen gemacht werden.

Hat das Gericht von der Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses zunächst abgesehen und ohne Anhörung sofort einen vorläufigen Verwalter bestellt, so muss es die Anhörung des Ausschusses unverzüglich nachholen, damit dieser gegebenenfalls von seiner Ersetzungsbefugnis Gebrauch machen kann und in seiner ersten Sitzung einstimmig einen anderen Verwalter wählen kann (§ 56a Abs. 3 InsO).

Fazit:

Gläubiger wie Schuldner können über einen vorläufigen Gläubigerausschuss alle zentralen Fragen einer Sanierung unter Insolvenzschutz mitbestimmen, aber ohne professionelle Vorbereitung laufen diese Rechte ins Leere. Hat der Insolvenzschuldner aber den (vorläufigen) Gläubigerausschuss auf seiner Seite, dann kann er darüber auf alle verfahrensleitenden Maßnahmen Einfluss nehmen. Mit dem vorläufigen Gläubigerausschuss und seiner Unterstützung kann ein weiteres Instrument zur rechtssicheren Gestaltung der Planinsolvenz in Eigenverwaltung eingebracht werden.