Mit dem Inkrafttreten des ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) am 1. März 2012 hat sich die Welt der Insolvenzabwicklung grundlegend verändert. Das neue Recht ist in vielen Unternehmen zwar noch nicht angekommen, und es gilt noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten, gleichwohl steigt die Zahl der Unternehmen, die sich über ein Schutzschirmverfahren oder eine vorläufige Eigenverwaltung in der Insolvenz sanieren, stetig.

Seit März 2012 ist es möglich, vom ersten Tag der Insolvenzantragstellung ohne Insolvenzverwalter eine Sanierung durch Insolvenz durchzuführen. Vorläufige Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren werden heute bereits mit Antragstellung vom Gericht angeordnet. Bis zur Neuregelung wurde in den ersten zwei bis drei Monaten immer die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit entsprechenden Befugnissen bestellt, erst danach erfolgte die Anordnung einer Eigenverwaltung mit einem Sachwalter. Bis zu ihrer Anordnung war es höchst unsicher, ob es zu einer solchen Eigenverwaltung kommen würde. Völlig neu ist nun die Einführung des Schutzschirmverfahrens (§ 270b InsO).

Vor der Neuregelung konnte die Eigenverwaltung durch Gerichte und Insolvenzverwalter verhindert werden, heute hat es das Unternehmen selbst in der Hand, ob es zur Durchführung eines derartigen Verfahrens kommt. Manche Richter ließen früher vorab nicht erkennen, ob sie gewillt waren, die Eigenverwaltung mit der Eröffnung des Verfahrens anzuordnen. Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung waren nicht zulässig. Jetzt bietet sich die Möglichkeit, solche Fragen mit dem zuständigen Richter schon vor Antragstellung abzustimmen. Gelingt es, die wichtigsten Gläubigergruppen in einem vorläufigen Gläubigerausschuss bereits vor Antragstellung von der Eigenverwaltung zu überzeugen, können die vorläufige Eigenverwaltung und das Schutzschirmverfahren auch gegen den Willen des Richters durchgesetzt werden. Auch lässt sich der Sachwalter zusammen mit den Gläubigern zur Not auch gegen den Willen des Gerichts durchsetzen, beim Schutzschirmverfahren sogar allein durch den Insolvenzschuldner und ohne die Mitwirkung der Gläubiger.

Zitterpartie bis zur Verfahrenseröffnung

Häufig sprach sich der vorläufige Insolvenzverwalter schon aus pekuniären Interessen und wegen des damit für ihn einhergehenden Machtverlusts gegen die Anordnung er Eigenverwaltung aus. Aus Beratersicht war der Zeitraum bis zur Eröffnung des Verfahrens stets eine Zitterpartie, weil dem Insolvenzschuldner nicht mit Sicherheit gesagt werden konnte, ob die beantragte Eigenverwaltung vom Gericht angeordnet wird. Wurde die Anordnung der Eigenverwaltung abgelehnt, dann drohte dem Gesellschafter der Verlust seines Unternehmens, denn das Ziel der Insolvenzverwaltung war in den seltensten Fällen der Unternehmenserhalt für den Gesellschafter, sondern die Zerschlagung oder die Veräußerung an einen Investor, meist einen Wettbewerber. Gern wurde dabei argumentiert, dass der Unternehmer mit der Insolvenz gezeigt habe, dass er nicht in der Lage sei, das Unternehmen erfolgreich zu führen, und man es deshalb in andere Hände geben müsse. Der Gesetzgeber will mit diesen Klischees durch das neue Recht aufräumen. Eine frühzeitige Insolvenzantragstellung ist aber nur dann für den Unternehmer von Interesse, wenn er sein Unternehmen behält. Diese Möglichkeit wird nun mit dem neuen Recht eröffnet.

Das Gericht soll seit dem 1. März 2012 deshalb die vorläufige Eigenverwaltung nach § 270a InsO anordnen, wenn der Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren nicht offensichtlich aussichtslos ist. Wird der Antrag auf Eigenverwaltung von einem einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses unterstützt, hat das Gericht keine nennenswerte Möglichkeit, die vorläufige Eigenverwaltung zu verhindern.

Das Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) und die vorläufige Eigenverwaltung (§ 270a InsO) unterscheiden sich. Bei beiden Verfahrensarten handelt es sich um ein Insolvenzeröffnungsverfahren, und beide Verfahren sind Eigenverwaltungsverfahren (§ 270 InsO). Das Schutzschirmverfahren ist nur zulässig, wenn das Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig ist. Bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit ist nur die vorläufige Eigenverwaltung möglich. Der Unterschied besteht im Wesentlichen darin, dass der Insolvenzschuldner beim Schutzschirmverfahren seinen Sachwalter selbst mitbringen und unbegrenzt Masseverbindlichkeiten begründen kann. Nicht so bei der vorläufigen Eigenverwaltung. Außerdem muss ein zu beauftragender insolvenzerfahrener Fachmann beim Schutzschirmverfahren gesondert bescheinigen, dass die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist und keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Das ist mit zusätzlichen Kosten verbunden. Ansonsten unterscheiden sich beide Verfahrensarten nicht wesentlich, das Ziel einer Sanierung durch Insolvenz kann in beiden Verfahren ohne Einschränkung erreicht werden.

Starker Einfluss der Gläubiger

Die Einflussnahme der Gläubiger ist durch das ESUG deutlich gestärkt worden. Frühzeitig einbezogen, bestimmen nunmehr die Gläubiger, ob es zur Anordnung einer  igenverwaltung kommt, wer als Sachwalter vom Gericht bestellt wird, wer die Bewertungsgutachten und die Kassenprüfung durchführt. Noch nehmen nicht alle Gläubiger diese neuen Rechte wahr, insbesondere wegen nicht auszuschließender Haftungsrisiken. Diese lassen sich aber durch die Einschaltung eines externen Kassenprüfers und eine Haftpflichtversicherung vollständig eliminieren. Der Schuldner hat bei der Auswahl der Gläubiger, die im Gläubigerausschuss vertreten sind, durchaus Gestaltungsmöglichkeiten, um zu verhindern, dass er mit ihm nicht wohlgesinnten Gläubigern zurechtkommen muss.

Erheblich gesteigerte Möglichkeiten zur Unternehmenssanierung 

Liegt ein belastbares operatives Sanierungskonzept vor und kann auf Dauer die Markt- und Wettbewerbsfähigkeit des Insolvenzschuldners durch operative Restrukturierungsmaßnahmen wiederhergestellt werden, bietet die Planinsolvenz in Eigenverwaltung eine Plattform mit erstaunlichen Möglichkeiten.

In der Insolvenz bieten sich zahlreiche Vorteile, die ohne Insolvenz nicht verfügbar sind. Eine Sanierung ist immer mit Einschnitten verbunden. So muss oft zur Kostensenkung Personal abgebaut, unrentable Verträge beendet oder Filialen an unrentablen Standorten geschlossen werden. Das ist mit hohen Kosten verbunden, denn Lieferanten- oder Mietverträge sind zu erfüllen. Die Kündigung von Mitarbeitern ist zudem immer mit hohen Abfindungen oder Sozialplankosten verbunden. Ein vorzeitiger Ausstieg kostet in der Sanierung viel Geld oder ist gar nicht möglich. Anders in der Insolvenz: Jeder Vertrag kann mit einer Frist von maximal drei Monaten gekündigt werden, die Forderungen des Vertragspartners für die Restlaufzeit sind einfache Insolvenzforderungen und werden meist gar nicht oder mit einem geringen Betrag bedient. Die Mitarbeiter erhalten nur geringe Abfindungen, und Sozialpläne sind auf maximal zweieinhalb Monatsgehälter begrenzt. Zinsen und Tilgungen werden während des Verfahrens nicht erbracht, die Bundesagentur für Arbeit übernimmt für drei Monate die Zahlung von Löhnen und Gehältern, und selbst die Umsatzsteuer wird zumindest während der vorläufigen Eigenverwaltung und im Schutzschirmverfahren nicht abgeführt. Die Liquidität wird massiv entlastet und die Kosten einer Sanierung dramatisch erhöht, so dass die Sanierungsaussichten deutlich steigen. Ungesicherte Verbindlichkeiten, wie Steuern, Pensionsrückstellungen, aber auch ungesicherte Bank- und Lieferantenverbindlichkeiten, werden in Zukunft nur mit einer Quote bedient. Dadurch kommt es zu außerordentlichen Erträgen, die das Eigenkapital stärken. Aufgrund des Sanierungserlasses sind diese oft erheblichen Gewinne nicht zu versteuern, zuvor sind sie allerdings mit Verlustvorträgen zu verrechnen. Nicht selten verbessert sich das Eigenkapital durch ein solches Verfahren um bis zu 70 Prozent.

Professionelle Verfahrensvorbereitung als Erfolgsfaktor

Ohne eine professionelle Begleitung ist der Erfolg einer Planinsolvenz in Eigenverwaltung nicht realisierbar. Schon bis zur Antragstellung gilt es, viele wichtige Punkte abzuarbeiten, um den Erfolg sicherzustellen. Dazu gehören die Vorbereitung des Insolvenzantrags selbst, die Insolvenzgeldvorfinanzierung, vorbereitende Gespräche mit den potentiellen Gläubigerausschussmitgliedern, mit dem Sachwalter und mit dem Gericht, die Vorbereitung einer Vereinbarung eines „unechten“ Massekredits, die Erstellung eines Insolvenzszenarios und der Liquiditätsplanung für die Insolvenz, die Einholung von Versicherungsschutz und vieles mehr. Allein der Insolvenzantrag mit dem Ziel der Eigenverwaltung setzt die Erstellung von ca. 20 Einzeldokumenten voraus. Beim Schutzschirmverfahren ist der Antrag durch das Erfordernis einer Bescheinigung noch erheblich komplexer. Nach einer Erhebung des Amtsgerichts Charlottenburg vom August 2012 waren bislang über 90 Prozent der gestellten Anträge nach neuem Recht unzulässig, weil es an einer professionellen Vorbereitung fehlte. Ein Insolvenzschuldner allein ist definitiv nicht in der Lage, einen erfolgreichen Antrag zu stellen. Die erheblichen Chancen, die das neue Recht bietet, sollten nicht durch mangelhafte Vorbereitung zunichtegemacht werden.

Der Artikel zum Download: JB-RE-2014_ESUG_Krisenbewältigung_Buchalik

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