Spezialfall Anfechtung von Drittschuldnerzahlungen nach Pfändung (Zwangsvollstreckung)

Drittschuldnerzahlungen sind immer wieder Gegenstand einer Insolvenzanfechtung. Die Sachverhalte ähneln sich i. d. R.: Ein Gläubiger erwirkt auf Grundlage eines Titels einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfüB) gegen den Schuldner. Der Beschluss wird dem kontoführenden Geldinstitut des Schuldners zugestellt. Dieser Vorgang wird vereinfachend und umgangssprachlich als Kontopfändung bezeichnet. Die Pfändung bleibt zunächst mangels Kontoguthaben fruchtlos. Sodann führen Gutschriften zu einem Kontoguthaben, das die Bank als Drittschuldnerin zu einer Überweisung an den Pfändungsgläubiger veranlasst. Die Forderung dieses Gläubigers wird so (teilweise) befriedigt und das Aktivvermögen des Schuldners durch eine Reduzierung des Auszahlungsanspruchs gegen die Bank geschmälert. Diese Schmälerung wird in der Praxis regelmäßig als Belastungsbuchung mit der Bezeichnung Drittschuldnerzahlung auf dem Konto des Schuldners dargestellt.

Unterschied öffentliche vs. private Gläubiger

Man unterscheidet im Rahmen der Pfändung zwischen öffentlichen und privaten Gläubigern.

Öffentliche Gläubiger:

  • Vor allem Finanzämter und Krankenkassen, welche selbst Leistungsbescheide erlassen können
  • Verfügung bzgl. Kontopfändung und Einziehung ist nach Zustellung bei der Bank des Schuldners sofort wirksam
  • Resultat ist ein Pfandrecht an allen Auszahlungsansprüchen (gegenwärtige und künftige Guthaben des Schuldners)
  • Gläubiger kann Auszahlungsansprüche auch selbst bei der Bank einziehen
  • Überwiegt in der Praxis, da zur Pfändung kein Gerichtsverfahren notwendig

Private Gläubiger:

  • Rechtskräftiger und vollstreckbarer Titel gegen Schuldner notwendig, um Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gerichtlich beantragen zu können
  • Pfandrecht an gegenwärtigen und künftigen Kontoguthaben des Schuldners, private Gläubiger können diese ebenfalls selbst bei der Bank einziehen

Rechtslage der Anfechtung von Drittschuldnerzahlungen

Beruht die Vermögensverschiebung im Vorfeld des Insolvenzverfahrens auf einer Drittschuldnerzahlung, ist offensichtlich, dass der Schuldner diese nicht selbst aktiv veranlasst hat. Nicht selten erfolgt die Drittschuldnerzahlung der Bank ohne sein Wissen und zumindest in Bezug auf den Ausführungszeitpunkt auch ohne sein Wollen. Die Zahlung der Drittschuldnerin ist daher keine Rechtshandlung des Schuldners i. S. d. § 133 InsO, sodass eine Insolvenzanfechtung nach Kontopfändung nur nach anderen Vorschriften, z. B. den §§ 130, 131 InsO, in Betracht kommt, weil der Tatbestand dieser Vorschriften lediglich eine Rechtshandlung, nicht aber eine solche des Schuldners voraussetzt. Die Anfechtung ist dann aber auf den Dreimonatszeitraum vor Antragstellung begrenzt. In der Praxis liegen die Vollstreckungshandlung und die Drittschuldnerzahlung meist außerhalb des Dreimonatszeitraums der §§ 130, 131 InsO, weshalb dem Anfechtungstatbestand des § 133 Abs. 1 InsO besondere Bedeutung zukommt. Bemerkenswert häufig ist der Fiskus Anfechtungsgegner in der beschriebenen Konstellation, was daran liegen dürfte, dass dieser sich seine Titel selbst schafft und vollstreckt. Zudem dürfte die Kenntnis des Fiskus von drohender Zahlungsunfähigkeit in vielen Fällen leichter nachzuweisen sein.

Anknüpfungspunkt für eine den Zehnjahreszeitraum des § 133 Abs. 1 InsO ausschöpfende Anfechtung im Fall der späteren Insolvenz des Schuldners kann dessen Handeln im Zusammenhang mit der Entstehung des Guthabens auf dem gepfändeten Konto sein. Trägt der Schuldner durch eine eigene Handlung dafür Sorge, dass Gutschriften auf dem Konto zu einem Guthaben führen, das eine Drittschuldnerzahlung ermöglicht, liegt hierin eine eigene Handlung des Schuldners. Die Handlung kann in der Einzahlung von Bargeld, der Vornahme einer Überweisung von einem anderen Konto oder dem Schreiben von Rechnungen unter Angabe der Bankverbindung des gepfändeten Kontos liegen. Auch die ausdrückliche Weisung an einen Debitor des Schuldners auf ein bestimmtes, nämlich das gepfändete Konto zu zahlen, kann eine Rechtshandlung darstellen. Abzugrenzen sind diese Fallgestaltungen von einem bloßen passiven Verhalten des Schuldners. Die Beweiswürdigung obliegt in erster Linie der Tatsacheninstanz, ist einer Überprüfung nur eingeschränkt zugänglich und i. d. R. streitentscheidend.

Wichtige Entscheidungen hierzu:

  • BGH, Urt. v. 01.06.2017 – IX ZR 48/15 (BGH ändert seine bisherige Rechtsprechung zur Anfechtung von Zwangsvollstreckungshandlungen nach § 133 Abs. 1 InsO; wichtige Abgrenzungsfragen zur Rechtshandlung des Schuldners oder eines Dritten; Kontopfändung)
  • OLG Naumburg, Urt. v. 09.12.2015 – 5 U 144/15, ZInsO 2016, 455)

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