Spezialfall Scheingewinne und Schneeballsysteme, § 134 InsO

Den Beteiligten von Schneeballsystemen, insbesondere den Anlegern, droht auch viele Jahre nach dem Zusammenbruch eines solchen Systems und der damit einhergehenden Insolvenz der Betreibergesellschaft die Verpflichtung zur Erstattung von Zahlungen aus solchen Systemen an den Insolvenzverwalter. Dies gilt selbst dann, wenn der Gläubiger, in der Regel ein Anleger, in gutem Glauben war. Aber auch hier gilt: Nicht jeder Fall ist gleich.

Grundsätzlich kann der Insolvenzverwalter die Auszahlung von in sogenannten „Schneeballsystemen“ erzielten Scheingewinnen durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgeltliche Leistung nach der Vorschrift des § 134 Abs. 1 InsO sehr leicht anfechten (vgl. z.B.: BGH, Urt. v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, BGHZ 179, 137 Rn. 6; BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 163/09, WM 2010, 1182 Rn. 6). Voraussetzung ist lediglich, dass die Auszahlung binnen vier Jahren vor dem Insolvenzantrag erfolgt und als unentgeltlich einzustufen ist. Die bewusste Erfüllung einer nicht bestehenden Forderung ist unentgeltlich, auch wenn der Leistungsempfänger irrtümlich vom Bestehen der Forderung ausgegangen ist (BGH, Urt. v. 18.07.2013 – IX ZR 198/10). Es kommt also – leider – gerade nicht auf die Kenntnis des Anlegers an. Mit anderen Worten ist auch der getäuschte Anleger grundsätzlich betroffen. Allerdings gilt, dass Auszahlungen, mit denen – etwa nach einer Kündigung der Mitgliedschaft in der Anlegergemeinschaft – vom Anleger erbrachte Einlagen zurückgewährt worden sind, als entgeltliche Leistung zu qualifizieren und damit nicht anfechtbar sind (BGH, Urt. v. 22.04.2010 – IX ZR 225/09, aaO Rn. 11 ff.). Zu beachten ist auch, dass die bloße Umbuchung von in „Schneeballsystemen“ erzielten Scheingewinnen auf ein anderes Anlagekonto desselben Anlegers keinen anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruch begründet (BGH, Urt. v. 29.03.2012 – IX ZR 207/10, ZInsO 2012, 875 ff.). Festzuhalten ist, dass derartige Konstellationen sehr komplex und höchst unterschiedlich sind. Nicht immer greift die Anfechtung. Die Zahlungsströme und die Intentionen der Beteiligten sind genau zu prüfen.

Für Gläubiger ist das Urteil des BGH vom 20.04.2017 (IX ZR 252/16) wichtig. Mit dieser Entscheidung änderte der BGH seine Rechtsprechung. Maßgeblich für die Abgrenzung von entgeltlicher oder unentgeltlicher Leistung, also die Kernvoraussetzung des § 134 InsO, ist die subjektive Vorstellung zum Zeitpunkt der Zahlung.

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