Abfindungsvergleich absichern: Schutz vor den Folgen einer Insolvenz

Manchmal werden betriebsbedingte Kündigungen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten und einer deshalb notwendigen Restrukturierung begründet. Welche Auswirkungen ein nicht abgesicherter Abfindungsvergleich haben kann und wie diesen negativen Folgen vorgebeugt werden kann, zeigt die nachfolgende Fallbesprechung.

Der Fall: Kündigungsschutzklage und Insolvenzrisiko

In einem vom Bundesarbeitsgericht (BAG) am 20.06.2024 (Aktenzeichen 2 AZR 156/23) entschiedenen Fall, stritten die Parteien darüber, ob ein Prozessvergleich den Rechtsstreit beendet hat. Ausgangspunkt war eine Kündigungsschutzklage der Klägerin. Die Klägerin war bei der N GmbH & Co. KG (Arbeitgeberin) beschäftigt, deren Insolvenzverwalter der Beklagte ist. Das Arbeitsverhältnis war von der Arbeitgeberin am 27.02.2020 gekündigt worden. In der Güteverhandlung am 25.05.2020 schlossen die Parteien einen Vergleich, der die Kündigung als wirksam vorsah und der Klägerin eine Abfindung in Höhe von 9.500 Euro brutto einräumte. Die Arbeitgeberin behielt sich bis zum 02.06.2020 einen Widerruf vor, machte davon aber keinen Gebrauch.

Am 22.06.2020 beantragte die Arbeitgeberin die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Nachdem die Klägerin kurze Zeit später unter Androhung der Zwangsvollstreckung die Zahlung einforderte, erfuhr sie von dem zwischenzeitlich gestellten Insolvenzantrag. Daraufhin erklärte sie schriftlich gegenüber dem Arbeitsgericht die Anfechtung des Vergleichs. Die Arbeitgeberin habe sie, die Klägerin, bei Abschluss des Vergleichs arglistig über ihre Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft getäuscht. Außerdem trat sie unter Verweis auf § 313 BGB von dem Vergleich zurück.

Am 01.09.2020 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der hiesige Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.
Daraufhin nahm die Klägerin den Rechtsstreit auf und beantragte, festzustellen, dass der Rechtsstreit nicht durch den Vergleich vom 25.05.2020 beendet und das Arbeitsverhältnis demzufolge auch nicht durch die Kündigung aufgelöst worden sei. Der Vergleich sei unwirksam. Die Arbeitgeberin habe ihre Zahlungsunfähigkeit gekannt und die Klägerin mithin über ihre Zahlungsfähigkeit getäuscht. Die Vorinstanzen folgten dieser Argumentation nicht und gingen davon aus, der Vergleich habe den Rechtsstreit beendet.

Bundesarbeitsgericht: Warum der Vergleich gültig bleibt

Im Ergebnis schloss sich das BAG dem an und wies die Revision zurück, jedoch sei das Berufungsurteil nicht schon deshalb aufzuheben, weil der Rechtsstreit aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin nach § 240 S. 1 ZPO unterbrochen worden sei. Die Klägerin habe den Rechtsstreit nach § 86 Abs. Nr. 3 InsO wirksam gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen und fortgesetzt.

Als Vorfrage zum Antrag bezüglich der Bescheidung der Kündigungsschutzklage prüfte das BAG zunächst, ob sich der Rechtsstreit nicht bereits durch den Vergleich erledigt habe. Diese Beendigungswirkung des Vergleichs prüfte das BAG sowohl unter dem Gesichtspunkt der Anfechtung als auch unter dem des Rücktritts.

Täuschung oder Rücktritt? Die rechtlichen Hürden im Detail

Bei beiden Fällen verneinte das BAG eine den Vergleich aushebelnde Wirkung:

Eine wirksame Anfechtung wegen arglistiger Täuschung hat das BAG ausgeschlossen, da es insoweit an einer für die Vergleichsannahmeerklärung der Klägerin kausalen Täuschungshandlung fehle. Zwar sei davon auszugehen, dass die Arbeitgeberin bereits zum Zeitpunkt der Güteverhandlung (25.05.2020) oder spätestens zum Ablauf der Widerrufsfrist (02.06.2020) gewusst habe, dass sie die Abfindung nicht würde zahlen können, jedoch konnte zunächst schon nicht festgestellt werden, dass die allein für die Arbeitgeberin im Termin anwesende prozessbevollmächtigte Rechtsanwältin um deren wirtschaftliche Lage (§ 166 Abs. 1 BGB) wusste.

Auch konnten keine an die Prozessbevollmächtigte gerichtete Weisung der Arbeitgeberin festgestellt werden, die die Voraussetzungen des § 166 Abs. 2 BGB erfüllen würden. Allein die Bevollmächtigung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts mit der Interessenwahrnehmung in einem arbeitsgerichtlichen Prozess, beinhalte jedenfalls noch nicht die Weisung, einen bestimmten Rechtsakt, hier den Abschluss eines Vergleichs, vorzunehmen, auch wenn es im arbeitsgerichtlichen Verfahren – mehr als in anderen gerichtlichen Verfahren – üblich und zu erwarten ist, dass ein Vergleich abgeschlossen wird. Allein die Bevollmächtigung zur Verfahrensführung beinhalte noch keine solche Weisung.

Erst recht muss sich die Arbeitgeberin nicht vorhalten lassen, sie hätte eine Täuschung durch Unterlassen begangen, weil sie den Vergleich nicht innerhalb der ihr vorbehaltenen Frist widerrufen hat. Zwar ist § 166 Abs. 2 BGB auch auf die Fälle anwendbar, in denen der Vertretene, hier also die Arbeitgeberin, es unterlässt, den Geschäftsabschluss durch den Bevollmächtigten zu unterbinden und hierdurch die Täuschung begangen wird. Tatsächlich stellte aber schon das Abschließen des Vergleichs den Geschäftsabschluss im Sinne der Norm dar, so dass zwischen der Annahme des Vergleichs und der vermeintlichen späteren Täuschung durch Unterlassen kein Kausalzusammenhang herzustellen sei.

Auch der von der Klägerin gemäß § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB erklärte Rücktritt vom Vergleich verhilft nicht zu dem gewünschten Erfolg, denn dieser hätte – als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal – vorausgesetzt, dass die Abfindungsforderung zum Zeitpunkt der Erklärung noch durchsetzbar war. Genau hieran fehlte es aber zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung, da der Insolvenzverwalter ihr den Dolo-Agit-Einwand („Dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“, sinngemäß: Arglistig handelt, wer etwas verlangt, was er augenblicklich wieder zurückgeben müsste) hätte entgegenhalten können. Schließlich wäre eine Zahlung der Abfindung nach Abgabe der Rücktrittserklärung, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin bereits Kenntnis über den Insolvenzantrag hatte, nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO anfechtbar und die Klägerin augenblicklich zur Rückzahlung verpflichtet gewesen. Sie hätte also etwas gefordert, was sie sowieso hätte zurückgewähren müssen. Damit fehlt es an der Durchsetzbarkeit, so dass letztlich auch ein wirksamer Rücktritt ausscheidet.

Die Vorinstanz hat auch zu Recht angenommen, dass die Klägerin nicht gemäß § 326 Abs. 5 oder § 313 Abs. 3 S. 1 BGB wirksam vom Prozessvergleich zurücktreten konnte. Die Arbeitgeberin wurde durch den Vergleich nicht von ihrer Zahlungspflicht befreit, und das Risiko einer Insolvenz der Arbeitgeberin trug automatisch die Klägerin, die mit dem Vergleich den Bestand der Kündigung vorgreiflich anerkannt hatte, da sie bei dessen Abschluss noch nicht wissen konnte, ob die Arbeitgeberin tatsächlich zahlen würde. Daher lag auch kein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor.

Abfindungsanspruch als Insolvenzforderung: Die Konsequenzen

Das Ergebnis ist für die Klägerin enttäuschend, da ihr Abfindungsanspruch eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO darstellt. Wäre ihr die Lösung vom Vergleich gelungen und hätte das Arbeitsgericht gleichsam die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt, hätte die Klägerin für die drei Monate vor der Insolvenzverfahrenseröffnung Insolvenzgeld erhalten.

Zudem wären ihre Arbeitsentgeltansprüche für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung als Masseverbindlichkeiten behandelt worden (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Außerdem hätte der Insolvenzverwalter, als neuer Beklagter (§ 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO), einen neuen Vergleich geschlossen. Auch in diesem Fall wäre der Abfindungsanspruch als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO qualifiziert worden.

Praxistipp: Vergleichsbedingungen klug verhandeln und Abfindungsvergleich absichern

Klägerinnen und Kläger, die, aus welchen Gründen auch immer, Bedenken haben, dass ihre Arbeitgeberin ihre Zahlungsverpflichtung aus einem Vergleich in Zukunft erfüllen kann, sollten daher Vorsorge treffen und ihren Abfindungsvergleich absichern. Insbesondere betriebsbedingte Kündigungen werden nicht selten mit wirtschaftlichen Nöten begründet. Dies sollte für Kläger und Prozessbevollmächtigte Anlass genug sein, hellhörig zu werden und eine Klausel als auflösende Bedingung in den Prozessvergleich aufzunehmen, nach welcher der Vergleich unwirksam wird, wenn die Vergleichssumme nicht innerhalb einer festgelegten Frist in voller Höhe gezahlt wird.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, in den Vergleich einerseits eine feste Zahlungsfrist und andererseits einen einseitigen Widerrufsvorbehalt mit einer entsprechend etwas längeren Frist aufzunehmen. So kann der Vergleich umgehend nach Eintritt des Zahlungsverzugs vollständig widerrufen werden.

Michael Kothes

Über den Autor

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Sozialrecht, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht Michael Kothes.

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