Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (Aktenzeichen: 4 StR 319/18) hat die Verurteilung eines Unternehmers wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung gekippt. Das Landgericht hatte den Geschäftsführer zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Laut BGH übersah das LG, dass gestundete Forderungen bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit nicht berücksichtigt werden dürfen. Ein klassischer Anfängerfehler, weil es sich um eine in Zivil- und Strafsachen anerkannte Selbstverständlichkeit handelt. Es fehlte damit schon an der für die Insolvenzverschleppung notwendigen objektiven Zahlungsunfähigkeit.

Nur fällige Verbindlichkeiten begründen Zahlungsunfähigkeit

Aber auch bei der Frage des Vorsatzes unterliefen dem Gericht Fehler. Es stellte lediglich fest, dass dem angeklagten Geschäftsführer bekannt gewesen sei, dass der späteren Insolvenzschuldnerin, eine GmbH, in absehbarer Zeit keine weiteren liquiden Mittel zufließen würden. Dies entspricht nach Ansicht des BGH jedoch nicht der Kenntnis vom Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit auf Seiten des Täters. Denn eine Zahlungsunfähigkeit muss nicht zwingend mit dem fehlenden Zufluss liquider Mittel einhergehen, sondern ergibt sich erst aus einer Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva. Daher käme allein eine Insolvenzverschleppung wegen fahrlässiger Begehung in Betracht. Diese wird von Gesetzes wegen erheblich geringer bestraft.

Unternehmer sollten Anklage und Strafbefehl sorgfältig prüfen lassen

Geschäftsführer sollten insbesondere bei Erlass eines Strafbefehls gegen sie selbst nicht vorschnell eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung hinnehmen, denn diese ist häufig nicht gerechtfertigt. Zudem wird sie deutlich härter bestraft als eine fahrlässige Insolvenzverschleppung und kann zu erheblichen persönlichen Konsequenzen, insbesondere zu einer zivilrechtlichen Haftung führen.

Ferner ist kritisch zu prüfen, ob tatsächlich die Voraussetzungen für die zweifelsfreie Feststellung der Zahlungsunfähigkeit vorliegen. Anders als bei Zivilgerichten ist bei Strafprozessen ein deutlich schärferer Maßstab anzulegen. Grundsätzlich können die Gerichte die so genannte betriebswirtschaftliche Methode anwenden, also den fälligen Verbindlichkeiten liquide Mittel gegenüberstellen, um so eine etwaige Unterdeckung zu ermitteln. Dieses Vorgehen ist in der Praxis freilich schwierig, sodass meistens auf die so genannte kriminalistische Methode zurückgegriffen wird. Hierbei werden von der Rechtsprechung entwickelte Indizien für das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit verwendet. Dies sind zum Beispiel die ausdrückliche Erklärung, nicht zahlen zu können, das Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen, gescheiterte Vollstreckungsversuche, Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, der Sozialversicherungsabgaben oder der sonstigen Betriebskosten, Scheck- und Wechselproteste oder Insolvenzanträge von Gläubigern.

Nachteile für künftige unternehmerische Tätigkeiten vermeiden

Das Ziel einer Strafverteidigung für einen Unternehmer ist entweder die Einstellung des Verfahrens ohne belastende Hauptverhandlung oder ein Freispruch. Sollte dies nicht möglich sein, dann sollte eine möglichst geringe Strafe erreicht werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Verteidigung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Insolvenzverschleppung ist deshalb die frühe Einbindung eines versierten Rechtsanwaltes, der zudem eine große Expertise im Insolvenzrecht aufweist. Das Insolvenzrecht ist ein besonderes Rechtsgebiet, dass nicht nur viele Teile des normalen Wirtschaftsrechtes überlagert, sondern hohes und aktuelles Know-how über die Rechtsprechung erfordert. Das oben genannte Urteil des BGH ist ein Beleg dafür.

Autor: Dr. Olaf Hiebert, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht sowie Spezialist für Insolvenzanfechtung und Insolvenzstrafrecht

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