Die Insolvenzantragspflicht gilt wieder uneingeschränkt, die Geschäftsführerhaftung ist durch das neue Sanierungsrecht neu geregelt worden. Was muss beachtet werden?

Bekanntlich gilt seit dem 01.05.2021 die Insolvenzantragspflicht wieder uneingeschränkt. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber die Pflichten und die Haftung der Geschäftsführer von beschränkt haftenden Unternehmen, also beispielsweise von GmbHs und Aktiengesellschaften, verschärft. Was ist hierbei zu beachten? Der Beitrag soll einmal in der gebotenen Kürze die wichtigsten Änderungen, die betroffene Geschäftsführer kennen sollten, aufzeigen.

 Änderung 1: Pflicht zur Ausgestaltung eines Krisenfrühwarnsystems

Nach dem neuen § 1 Abs. 1 S. 1 und 2 StaRUG ist die Geschäftsleitung nunmehr verpflichtet, ein Krisenfrühwarnsystem im Unternehmen einzurichten. Die konkrete Ausgestaltung selbst ist im Gesetz nicht geregelt und richtet sich stark nach Größe, Branche und Struktur des Unternehmens. Auch wenn die ursprünglich angedachte Sanktionierung bei Nichtbeachtung im neuen Sanierungsrecht gestrichen wurde, ist diese Pflicht im Rahmen der Geschäftsleiterpflichten besonders zu beachten. Hier ist zu befürchten, dass Insolvenzverwalter oder Gläubiger weitere Haftungsbestände gegen betroffene Geschäftsführer suchen. Vor dem Hintergrund sollte die Unternehmensleitung spätestens jetzt eventuell mittels externer Hilfe ein für das Unternehmen geeignetes Krisenfrühwarnsystem aufbauen und ggf. ergänzen.

 Änderung 2: Konkretisierung des Insolvenzgrundes der drohenden Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sowie Änderung bei der Insolvenzantragsfrist

Neben der Zahlungsunfähigkeit (also einer Liquiditätsunterdeckung von 10 Prozent oder mehr) muss der Geschäftsführer auch bei Eintritt der Überschuldung einen Insolvenzantrag stellen. Überschuldung liegt vor, wenn für das Unternehmen keine Fortführungsperspektive mehr besteht und dann das Vermögen des Unternehmens die Schulden nicht mehr deckt. Bei der Frage der Überschuldungsprüfung hat der Gesetzgeber seit dem 01.01.2021 im ergänzten § 19 Abs. 2 InsO festgelegt, dass hier ein Betrachtungszeitraum von zwölf Monaten anzusetzen ist. Dies bedeutet also, dass eine positive Fortführungsprognose, die die Überschuldung ausschließt, nur dann anzunehmen ist, wenn das Unternehmen auch nicht innerhalb von zwölf Monaten zahlungsunfähig wird. Konsequenterweise ist deswegen drohende Zahlungsunfähigkeit anzunehmen, wenn zwischen dem 13. und dem 24. Monat erst Zahlungsunfähigkeit eintritt. Dies wurde in dem ergänzten § 18 Abs. 2 InsO, wonach für die drohende Zahlungsunfähigkeit ein Prognosezeitraum von 24 Monaten gilt, im Gesetz verankert.

Eine Privilegierung gibt es bei der coronabedingten Krise. Hier kann nach dem § 4 COVID-19-InsAG bei der Überschuldungsprüfung statt zwölf Monaten nur ein viermonatiger Betrachtungszeitraum herangezogen werden. Danach reicht es für eine positive Fortführungsprognose aus, wenn das Unternehmen innerhalb der nächsten vier Monate nicht zahlungsunfähig wird.

Ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit hat der Geschäftsführer wie bisher auch nach § 15a Abs. 1 S. 2 InsO drei Wochen Zeit, einen Insolvenzantrag zu stellen. Im Falle der Überschuldung hat sich allerdings die Antragsfrist seit dem 01.01.2021 geändert. Sie beträgt nach dem ergänzten § 15a Abs. 1 S. 2 InsO ab dem Eintritt der Überschuldung nunmehr sechs Wochen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Geschäftsführer so lange mit dem Stellen eines Insolvenzantrages warten darf. Vielmehr muss er in dieser Zeit Maßnahmen zur Vorbereitung eines Insolvenzantrages oder zur Abwehr des Insolvenzgrundes treffen. Die Verlängerung der Antragsfrist im Falle der Überschuldung soll es dem Unternehmen ermöglichen, laufende Sanierungsmaßnahmen erfolgreich abzuschließen oder eine Eigenverwaltung gut vorzubereiten. Meistens bietet es sich an, zweigleisig zu fahren, um sich alle Optionen offenzuhalten.

 Änderung 3: Zahlungsverbote bei Eintreten von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung

Mit dem neuen § 15b InsO hat der Gesetzgeber die Zahlungsverbote nach Insolvenzreife nun thematisch dorthin verlagert, wo sie hingehören, nämlich in die Regelungen zur Insolvenzantragspflicht.

Haftungserleichterungen für Zahlungen ab Eintritt der Insolvenzreife aber innerhalb der Antragsfrist

Der neue § 15b InsO stellt klar, dass Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife aber innerhalb der Insolvenzantragsfrist dann mit der Sorgfalt eines gewissenhaften und ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar sind, wenn sie im ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr erfolgen. Nach der Gesetzesbegründung zum neuen Recht gilt dies auch für Dienstleistungen. Dies stellt eine haftungsrechtliche Erleichterung für den Geschäftsführer dar. Vor der Gesetzesänderung musste nämlich  einer solchen Privilegierung immer auch eine unmittelbare wirtschaftliche Gegenleistung gegenüberstehen. Dies war vorher bei Arbeits- und Dienstleistungen nach der insoweit strengen Rechtsprechung des BGH bisher nicht der Fall. Allerdings gilt dies nach § 15b Abs. 2 S. 2 InsO nur, wenn der Geschäftsführer innerhalb der Antragsfrist Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife durchführt oder einen Insolvenzantrag vorbereitet. Wenn dies der Fall ist, dann liegt bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrages für die Zeit zwischen Eintritt der Insolvenzantragsgründe und dem Insolvenzantrag nach dem neuen § 15b Abs. 8 InsO bei nicht erfüllten oder nicht rechtzeitig erfüllten Steuerverbindlichkeiten auch keine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten vor.

Eine weitere Haftungserleichterung ergibt sich aus dem neuen § 15b Abs. 4 S. 2 InsO. So wird für betroffene Geschäftsführer der Haftungsumfang bei verbotenen Zahlungen begrenzt. Während nach dem alten Recht die verbotenen Zahlungen in voller Höhe zu ersetzen waren, kann der Geschäftsführer jetzt geltend machen, dass der Gläubigerschaft ein geringerer Schaden entstanden sei. Hierfür muss dann aber der Geschäftsführer den Gegenbeweis antreten, was ihm in vielen Fällen sicher schwerfallen dürfte.

Haftungsverschärfung für Zahlungen ab Eintritt der Insolvenzreife nach Ablauf der Antragsfrist

Anders sieht die Lage aus, wenn der Insolvenzgrund eingetreten und die Antragfrist schon verstrichen ist. In diesem Fall führt jede Zahlung zur Erstattungspflicht. Dies gilt auch für Steuerzahlungen und Zahlungen von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung. Hier galt bisher unter dem Stichwort „Pflichtenkollision“ ein großzügiger Maßstab.

Fazit:

Das neue Sanierungsrecht hat die Haftungssituation der Geschäftsleiter bei Krisenunternehmen nicht nur verändert, sondern auch verkompliziert. Betroffenen Geschäftsleitern ist dringend zu raten, sich hier von externen Spezialisten frühzeitig beraten zu lassen und jede Zahlung zu hinterfragen. Andernfalls droht ein böses Erwachen.

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