D&O Versicherungen und die Corona-Pandemie – unverzichtbar, aber neuerdings schwer zu erhalten

Die D&O Versicherung in der Corona-Pandemie ist vergleichbar mit der Elementarschadensversicherung in der Klimakrise. Diejenigen Unternehmen mit einem hohen Risiko, gleichzusetzen mit einer schlechten Bonität, bekommen keine oder nur sehr teure Policen, die unter Umständen Haftungsausschlüsse enthalten. Noch vor zwei Jahren unterboten sich die Versicherungsunternehmen bei ihrer Prämiengestaltung. Das ist vorbei und jede bestehende Versicherung wird spätestens bei Ablauf der Laufzeit auf den Prüfstand gestellt. Geschäftsleiter lehnen sich häufig entspannt zurück, wenn sie wissen, dass eine D&O Versicherung besteht. Den einzigen Fallschirm nicht zu prüfen, der vor dem persönlichen finanziellen Absturz schützt, ist leichtsinnig.

A. Unterschiedliche Prinzipien des Versicherungsschutzes

In Deutschland kennen wir bei unseren typischen Haftpflichtversicherungen nur das Verstoß-Prinzip. Die D&O Versicherung unterliegt dagegen, aus dem angelsächsischen Raum stammend, dem Claims-Made-Prinzip. Hier gibt es wesentliche Unterschiede, die sich auf den Versicherungsschutz auswirken können.

  1. Claims-Made-Prinzip

Kern dieses Prinzips ist, dass als Versicherungsfall die Anspruchserhebung durch Dritte während der materiellen Vertragslaufzeit (samt Nachmeldefrist) definiert wird, und zwar zur zeitlichen Abgrenzung des Versicherungsschutzes. Das bedeutet, dass der Schaden im Sinne der D&O Versicherung dann vorliegt, wenn der Geschäftsleiter im Regelfall durch die Gesellschaft auf Schadensersatz (z.B. nach § 43 Abs. 2 GmbHG, § 15 b Abs. 4 InsO oder § 93 Abs. 2 AktG) in Anspruch genommen wird. Da keine bei Abschluss der Versicherung bekannten Rechtsverstöße versichert werden können, muss auch das schädigende Ereignis in der Vertragslaufzeit (samt Rückwärtsdeckung) liegen. Eine sog. Rückwärtsdeckung kann nur für bei Vertragsabschluss unbekannte Verstöße abgeschlossen werden.

Die Unternehmens-D&O-Versicherung ist eine Versicherung für fremde Rechnung, bei der das Unternehmen der Versicherungsnehmer (und somit der Vertragspartner) ist und die Geschäftsleiter die versicherten Personen.

2. Verstoß-Prinzip

Nach dem Verstoß-Prinzip definiert sich dagegen der Versicherungsfall nicht nach dem Zeitpunkt des Schadensereignisses, sondern nach dem von dem Versicherungsnehmer gesetzten oder von ihm vertretenen Haftungsgrund, also dem Rechtsverstoß. Mithin spielt der Zeitpunkt der Geltendmachung von Ansprüchen durch Dritte für den Versicherungsfall keine Rolle. Auch bei Versicherungen nach dem Verstoß-Prinzip kann es Nachmeldefristen (z.B. nach Beendigung des Versicherungsvertrages) geben, die zu beachten sind. Diese sind üblicherweise persönliche Versicherungen, bei denen der Versicherungsnehmer und die versicherte Person, anders als bei der Unternehmens-D&O-Versicherung, identisch sind.

B. Beispiele

Wie sich der Versicherungsschutz nach dem Claims-Made-Prinzip in der Praxis auswirken kann, soll im Folgenden anhand ausgewählter Beispiele erläutert werden.

  1. Eintritt als Geschäftsleiter in eine Gesellschaft, die im laufenden Jahr bereits einen Schadensfall hatte

Bei der D&O Versicherung nach dem Claims-Made-Prinzip handelt es sich um eine Versicherung der gesamten Geschäftsleitung. Der neu hinzutretende Geschäftsleiter muss anhand der Versicherungspolice prüfen, ob der Schadensfall die Versicherungssumme für die laufende Versicherungsperiode bereits aufgebraucht hat und somit, trotz bestehender D&O Versicherung, kein Versicherungsschutz mehr besteht. Unter Umständen kann die Versicherung durch ein Zusatzlimit aufgestockt werden.

2. Ausscheiden des Geschäftsleiters

In diesem Fall bestehen gleich mehrere Risiken. Zum einen kann der ausscheidende Geschäftsleiter keinen Einfluss mehr auf den Bestand der Versicherung nehmen. Er könnte somit die Kündigung der Versicherung durch die übrigen Geschäftsleiter weder verhindern, noch würde er davon erfahren. Sein Versicherungsschutz würde dadurch eventuell beeinträchtigt.

Zum anderen kann der ausscheidende Geschäftsleiter von dem Versicherungsschutz, je nach Ausgestaltung des Bedingungswerkes, nicht mehr umfasst sein. Da er nicht mehr Geschäftsleiter ist, ist er auch nicht mehr versicherte Person. Wenn nunmehr seine Inanspruchnahme erst nach seinem Ausscheiden erfolgt, besteht das Risiko, dass die Versicherung die Deckung versagt, da er im Zeitpunkt des Schadens (Claims-Made) nicht mehr unter den Versicherungsschutz der Police fiel.

Der Geschäftsleiter muss diese Risiken durch entsprechende Bestätigungen des Unternehmens (Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes) und der Versicherung (Deckung auch bei Inanspruchnahme nach Ausscheiden und Geltung der Nachmeldefrist) begegnen und sollte sich die gesamte Police als Kopie aushändigen lassen.

3. Nachmeldefristen

Da Verjährungsregelungen tückisch sind, sollte die längst mögliche, am besten eine zeitlich unbegrenzte Nachmeldefrist von Schäden vereinbart sein. Schwer zu verhandeln, aber die Mühe wert.

4. Die Insolvenz als unberechenbares Ereignis

Auch in der Insolvenz, also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, verliert der Geschäftsleiter die Hoheit über den Bestand der D&O Versicherung an den Insolvenzverwalter. Die Insolvenz ist einer der Hauptleistungsfälle der D&O Versicherung und für die Geschäftsleitung von existenzieller Bedeutung. Sollte der Insolvenzverwalter die Zahlung der Prämie nach Erhalt einer qualifizierten Mahnung unterlassen, besteht das Risiko, dass die Nachmeldefrist entfällt und die Geschäftsleiter ohne Versicherungsschutz für Sachverhalte stehen, die bei ordnungsgemäßer Zahlung der Police versichert gewesen wären. Jetzt mag eine Schadensersatzpflicht gegen den Insolvenzverwalter nahe liegen, aber nach der Rechtsprechung wohl nicht für die Geschäftsleiter, sondern allenfalls für Insolvenzgläubiger, die durch den Wegfall der Police geschädigt wurden.

Die Geschäftsleiter sollten in einer Insolvenz darauf achten, dass die D&O Police unter Erhalt der Nachmeldefristen Bestand hat. Günstig sind auch Policen, die während der Insolvenz nicht automatisch erlöschen oder der Versicherung ein Kündigungsrecht gewähren, da diese gegebenenfalls auch in einem Eigenverwaltungsverfahren Schutz bieten.

5. Deckungseinschluss des § 15 b Abs. 4 InsO als Nachfolger des § 64 S. 1 GmbHG

Lange herrschte Streit über die Rechtsnatur des Anspruchs aus § 64 S. 1 GmbHG. Die Versicherungen stellten sich wiederholt auf den Standpunkt, dass es sich bei § 64 S. 1 GmbHG nicht um einen versicherten Haftpflichtanspruch handelt mit der Folge, dass Ansprüche auf Grund dieser gebräuchlichsten Anspruchsnorm, die jeder Geschäftsleiter als scharfes Damoklesschwert über sich weiß, nicht gedeckt waren. Die Literatur hat diese Praxis immer wieder kritisiert, wogegen die Versicherungswirtschaft Schützenhilfe durch das OLG Düsseldorf erhielt, welches deren Rechtsauffassung bestätigte. Daraus folgte die Praxis, dass die Norm des § 64 Abs. 1 GmbHG ausdrücklich in den Versicherungsbedingungen aufgenommen wurde. Der BGH hat mit Urteil vom 18.11. 2020 – IV ZR 217/19 nunmehr entschieden, dass es sich bei § 64 Abs. 1 GmbHG um einen Haftpflichtanspruch im Sinne der D&O Versicherungsbedingungen handelt und damit den Streit fürs erste beigelegt.

Nunmehr wurde aber die Vorschrift des § 64 Abs. 1 GmbHG in § 15 b Abs. 4 InsO neu geregelt, wodurch sich auch die Zuständigkeit innerhalb der BGH-Senate ändert. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte deshalb auch § 15 b Abs. 4 InsO wieder in die Bedingungswerke aufgenommen werden. Man weiß nie wie ein Gericht entscheidet.

6. Die persönliche D&O Deckung

Es gibt mittlerweile Anbieter am Markt, die eine persönliche D&O Versicherung nach dem Verstoß-Prinzip vertreiben. Diese Art Versicherung ist für das Unternehmen wahrscheinlich nicht die günstigste Lösung, vermeidet aber viele der vorbezeichneten Risiken. Üblich sind diese Art der Versicherungen, allerdings in reduziertem Umfang, bereits bei der Versicherung von Geschäftsleitern in Eigenverwaltungsverfahren. Die Deckungssumme gilt nur für den jeweiligen Geschäftsleiter und dieser ist alleiniger Herr über seine Police. Diese Policen bieten häufig einen vergleichbaren Versicherungsschutz wie „normale“ D&O Versicherungen und können individuell gestaltet (z.B. Ausschluss des Selbstbehalts, internationale Deckung, Rechtsschutz etc.) werden. Sie können auch zusätzlich zu einer Unternehmens-D&O abgeschlossen werden. Das Rangverhältnis der beiden Versicherungen zueinander ist vorher individuell festzulegen. Bei Inanspruchnahme mehrerer Personen sollte darauf geachtet werden, dass der Versicherungsschutz nicht nur auf den Haftanteil im Innenverhältnis (da die Mitglieder der Geschäftsleitung als Gesamtschuldner haften) beschränkt ist. In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass eine zusätzliche Strafrechtsschutzversicherung, die häufig nicht Bestandteil des D&O-Schutzes ist, eine sinnvolle Ergänzung darstellt.

7. Fazit

D&O Versicherungen sind und bleiben unabkömmlich. Dabei bleibt für den einzelnen Geschäftsleiter bei der Unternehmens-D&O ein nicht unerhebliches Risiko in bestimmten Sachverhaltskonstellationen. Es obliegt seiner Verantwortung, diese Risiken zu berücksichtigen. Die persönliche D&O Versicherung ist dabei ein neuer wesentlicher Baustein und sollte versucht werden, bei Antritt einer Geschäftsleitungsposition als Bestandteil des Gehaltspaketes zu verhandeln. Dabei geht es um die Erstattung der Prämie durch das Unternehmen, da der Geschäftsleiter selbst Vertragspartei ist.

Die Risikoprüfungen der Versicherungsunternehmen sind zurzeit, auch auf Grund der Corona-Pandemie und der noch nicht absehbaren Folgen, sehr streng. Dabei werden zusätzlich häufig Ausschlüsse, z.B. für den Fall der Insolvenz, vereinbart, wobei diese den Versicherungsschutz erheblich beeinträchtigen. Auch die reine Erhaltung einer bestehenden Versicherung ist nicht immer uneingeschränkt möglich, insbesondere wenn der Versicherungsvertrag zur Verlängerung ansteht.

Es erscheint zielführend, wenn die Versicherungen die Höhe der Prämien, neben den wirtschaftlichen Verhältnissen, auch von der Fähigkeit der Geschäftsleiter abhängig machen würden, Risiken ausreichend früh zu erkennen. Die Ursache für Haftungsfälle ist selten ein vorsätzliches Handeln der Geschäftsleitung, sondern in vielen Fällen schlichtes Unwissen über Haftungskonstellationen.

Ein Ansatz wäre ein zertifizierter Lehrgang, welcher dem Geschäftsleiter bescheinigt, dass er seine sämtlichen Rechte und Pflichten kennt und auch über seine Haftungsrisiken und deren Vermeidung ausreichend informiert ist. Dieser wäre durch regelmäßige Auffrischungskurse zu aktualisiert. Dadurch können unter Umständen erschwingliche Prämien bei ausreichender Professionalisierung der Geschäftsleitung ermöglicht werden.

Daniel Trowski, Partner, Rechtsanwalt

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