ESUG oder StaRUG – Welches Verfahren hilft?

Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung zum 01.01.1999 gibt es in Deutschland die Möglichkeit, ein Unternehmen mittels eines Insolvenzplanverfahrens zu sanieren. Spürbar Gebrauch davon wurde aber erst gemacht, nachdem dies aufgrund einer Gesetzesreform seit 2012 bereits von Verfahrensbeginn an in Form der Eigenverwaltung möglich ist. Seither trägt dieses Verfahren den Kunstnamen „ESUG“.

Im Zuge der Umsetzung einer Richtlinie der EU aus dem Jahr 2019 trat in Deutschland zum 01.01.2021 das Gesetz über die Stabilisierung und Restrukturierung von Unternehmen (StaRUG) in Kraft, das gleichermaßen das Ziel verfolgt, Unternehmen die Sanierung zu ermöglichen.

Für den sanierungsbereiten Unternehmer und/oder Geschäftsleiter stellt sich die Frage, welches Verfahren in Betracht kommt und in seinem speziellen Fall den Vorzug genießt.

ESUG als „Blaupause“

Beide Verfahren weisen viele grundsätzliche Gemeinsamkeiten auf und es ist nicht zu übersehen, dass der EU-Kommission beim Verfassen ihres Richtlinienentwurfs das deutsche ESUG-Verfahren als „Blaupause“ gedient hat. Beiden Verfahren ist gemein, dass sie anders als etwa beim Verkauf oder bei der Liquidation eines Unternehmens auf den Erhalt des Rechtsträgers abzielen.

In beiden Verfahren legt das schuldnerische Unternehmen den Gläubigern einen Insolvenzplan (ESUG) bzw. einen Restrukturierungsplan (StaRUG) zur Abstimmung vor. Bei Erreichen der erforderlichen Mehrheiten und Vorliegen weiterer Voraussetzungen verhilft die gerichtliche Bestätigung zur Rechtskraft des Plans, womit obstruierende, also dem Plan widersprechende Gläubiger überstimmt und damit zwangsweise eingebunden werden können.

Zauberwort „drohende Zahlungsunfähigkeit“ 

Es bedürfte aber nicht zweier separater und voneinander unabhängiger Sanierungsverfahren, wenn sich deren Unterschiede auf die bloße Bezeichnung beschränkten. Was auf den ersten Blick nämlich so ähnlich erscheint, entpuppt sich auf den zweiten Blick als in einigen ganz wesentlichen Punkten unterschiedlich.

StaRUG setzt im Grundsatz in einem früheren Krisenstadium an und kann dem ESUG zeitlich vorgelagert sein. StaRUG verlangt zwingend das Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit. Es kommt nicht in Betracht, wenn das Unternehmen planerisch über einen Betrachtungszeitraum von 24 Monaten noch über ausreichende Liquidität verfügt und damit nicht die gesetzlichen Voraussetzungen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit erfüllt. Es kommt aber ebenso wenig in Betracht, wenn bereits Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung vorliegen und damit Insolvenzreife besteht. Dann bleibt nur der Weg über das ESUG. Und hierin liegt der bedeutsamste Unterschied beider Verfahren. StaRUG dient ausdrücklich der Insolvenzvermeidung und findet somit zwingend außerhalb eines Insolvenzverfahrens statt, während eine ESUG-Sanierung ebenso zwingend einem Insolvenzverfahren vorbehalten ist.

StaRUG auch für Unternehmer

Anders als beim ESUG steht beim StaRUG-Verfahren nicht nur Unternehmen, sondern auch Unternehmern als natürliche Personen, also Einzelkaufleuten, der Weg für eine strukturierte Sanierung offen, allerdings beschränkt auf Verbindlichkeiten aus ihrer unternehmerischen und nicht etwa aus ihrer privatrechtlichen Tätigkeit.

ESUG mit allen Gläubigern

Gestaltung und inhaltliche Anforderungen des Restrukturierungs- bzw. Insolvenzplans ist in beiden Verfahren nahezu gleich. Beim ESUG-Verfahren sind allerdings stets sämtliche Gläubiger in die Planlösung einzubeziehen. Allen muss das schuldnerische Unternehmen einen Vorschlag unterbreiten und alle sind zur Abstimmung berufen. Hingegen erlaubt das StaRUG die Einbeziehung lediglich einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen, wie beispielsweise nur den Banken, nur den Vermietern, nur den Lieferanten oder auch anderen.

Arbeitnehmerrechte im StaRUG tabu

Anders als beim ESUG darf beim StaRUG nicht in Rechte von Arbeitnehmern eingegriffen werden. Für Unternehmen, deren Sanierungsansatz insbesondere oder gar ausschließlich auf Personalmaßnahmen fußt, ist somit StaRUG eher weniger geeignet.

ESUG schafft Liquidität

Im Zustand drohender Zahlungsunfähigkeit stehen dem Unternehmen sowohl das StaRUG als auch das ESUG zur Verfügung. Die richtige Wahl und Entscheidung wird insbesondere auch davon abhängen, ob das Unternehmen noch über ausreichende Liquidität verfügt, ein Sanierungsverfahren zu finanzieren. Ist dies nicht der Fall, bietet das ESUG im Eröffnungsverfahren liquiditätsschöpfende Maßnahmen und Regelungen qua Gesetzes an. Dabei spielt insbesondere das Insolvenzgeld eine große Rolle, bei dessen Inanspruchnahme dem Schuldnerunternehmen der Personalaufwand von bis zu drei Monaten im Wesentlichen von der Bundesagentur für Arbeit abgenommen wird. Darüber hinaus dürfen Altverbindlichkeiten nicht mehr bedient werden. Zahlungen von Steuern und Sozialabgaben können, soweit sie überhaupt geleistet werden, nach Eröffnung anfechtbar sein und somit zurückgeholt werden. Solcherlei „Liquiditätssegnungen“ sind dem StaRUG fremd.

Mit oder ohne Gericht?

Beim ESUG handelt es sich um ein förmliches Insolvenzverfahren und damit um ein gerichtliches Verfahren. Dem Insolvenzantrag folgen gerichtliche Verfügungen des Insolvenzgerichts, unter dessen Leitung, Aufsicht und Kontrolle sich der weitere Ablauf gestaltet.

Dies muss beim StaRUG nicht zwingend so sein. Den europäischen Richtliniengebern schwebte sogar ein Verfahren ohne jegliche gerichtliche Beteiligung vor, indem ein Schuldner die Erörterung und Abstimmung über seinen Restrukturierungsplan mit den betroffenen Gläubigern selbst und eigenverantwortlich durchführt. Dies setzte aber eine konsensuale Zustimmung aller Planbetroffenen voraus. Stimmt eine Gläubigergruppe oder auch einzelne Gläubiger nicht zu, bedarf es der Einschaltung des Gerichts, um die fehlende Zustimmung zu ersetzen und den Plan gerichtlich bestätigen zu lassen, um allseitige Bindungswirkung zu erzielen. Beim StaRUG zuständig ist übrigens das Restrukturierungsgericht, das nicht etwa mit dem Insolvenzgericht identisch ist.

Auch um dem Schuldnerunternehmen zur sorgfältigen Vorbereitung und Durchführung des Verfahrens etwas Luft zu verschaffen, und ihm zu diesem Zwecke im Bedarfsfall für eine überschaubare Dauer vor Vollstreckungs- oder Verwertungshandlungen durch Gläubiger zu bewahren, bedarf es einer gerichtlichen Anordnung.

Sachwalter vs. Restrukturierungsbeauftragter

Beim ESUG stellt das Insolvenzgericht dem Schuldnerunternehmen zwingend einen unabhängigen Sachwalter an die Seite, der über eine ordnungsgemäße und gesetzestreue Durchführung des Eigenverwaltungsverfahrens wacht. Beim StaRUG ist die Einsetzung eines Restrukturierungsbeauftragten für das Restrukturierungsgericht teilweise verpflichtend, teilweise obligatorisch und teilweise ganz obsolet, jeweils abhängig von der konkreten Fallgestaltung. Der Beauftragte kann sowohl zur Unterstützung des Schuldners bei der Planerstellung und Verfahrensdurchführung als auch zum Zwecke dessen Kontrolle und Überwachung bestellt werden.

Anders als der Sachwalter wird der Beauftragte nicht nach der Gebührenordnung der InsVV entlohnt, die sich an der für Insolvenzgläubiger freien Vermögensmasse orientiert, sondern grds. nach konkretem Stundenaufwand.

Abstimmungsmehrheiten

Auch um einen ggfs. erzwungenen Eingriff in Gläubigerrechte zu rechtfertigen, liegt beim StaRUG die Latte bei der Abstimmung etwas höher. Die Zustimmung zum Restrukturierungsplan setzt in den Gläubigergruppen eine Summenmehrheit von 75 Prozent aller Planbetroffenen voraus, während im ESUG-Verfahren die einfache Mehrheit der abstimmenden Gläubiger genügt, wobei hier allerdings Summen- und Kopfmehrheit gefordert ist.

Vertragsbeendigung nur im Insolvenzverfahren

Neben dem – allerdings auch nicht beliebigen – Eingriff in Arbeitnehmerrechte lässt das ESUG die (vorzeitige) Beendigung von Vertragsverhältnissen zu, was im StaRUG-Verfahren nicht möglich ist. Aus finanziell belastenden und überflüssigen Dauerschuldverhältnissen auszusteigen, ist dem Insolvenzverfahren vorbehalten. Ein Filialist, der sich zum Zwecke der Sanierung von unattraktiven Standorten trennen und im Zuge dessen Mietverträge vor Ablauf deren Laufzeit beenden möchte, kommt um ein Insolvenzverfahren in der Regel nicht herum.

Der unterschätzte Insolvenzgrund der Überschuldung

Das Nebeneinander von StaRUG- und ESUG-Verfahren erhöht den Druck auf Unternehmen und Unternehmer, sich rechtzeitig mit einer Krise auseinanderzusetzen und ihr durch geeignete Maßnahmen zu begegnen. Und dies liegt an folgendem Mechanismus:

Der Gesetzgeber hat zu Jahresbeginn das Vorliegen der Insolvenzgründe der drohenden Zahlungsunfähigkeit, verbunden mit einem Insolvenzantragsrecht, und der Überschuldung, verbunden mit einer Insolvenzantragspflicht, präzisiert. Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn dem Unternehmen aufgrund einer aktuellen Planung innerhalb der nächsten 24 Monate die Liquidität ausgeht. Bei der Überschuldung beträgt der Prognosezeitraum indes nur 12 Monate. Das heißt, ein Unternehmen, das aufgrund aktueller Planung innerhalb der nächsten 12 Monate zahlungsunfähig wird, ist einerseits drohend zahlungsunfähig, aber eben auch überschuldet und damit grds. antragspflichtig. Allerdings soll eine Überschuldung nicht vorliegen, sofern das Unternehmen mit Aussicht auf Erfolg eine Sanierung nach dem StaRUG versucht und betreibt.

Für die Geschäftsleitung eines Unternehmens, dem laut Planung innerhalb von 12 Monaten das Geld ausgeht, bedeutet dies eine unbedingte Handlungspflicht zur Vermeidung einer persönlichen Haftung. Es muss entweder wegen vorliegender Überschuldung Insolvenz beantragt und eine Sanierung im Insolvenzverfahren angegangen werden oder aber es ist ein ernsthafter Restrukturierungsversuch mittels des StaRUG zu unternehmen. Bloßes Nichtstun und Zuwarten auf bessere Zeiten führt unweigerlich zur Haftung. Und das Obligat rechtzeitigen Handelns hilft am Ende sowohl dem Unternehmen als auch seinen Gläubigern.

Über den Autor

Geschäftsführer, Partner, Rechtsanwalt Dr. Utz Brömmekamp

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