EU-weite Anerkennung von StaRUG-Restrukturierungen: Mehr Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen
Seit dem 17.07.2022 besteht gemäß dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) die Möglichkeit, ein Restrukturierungsvorhaben öffentlich bekannt zu machen. Dies hat zur Folge, dass eine in Deutschland durch einen Restrukturierungsplan durchgeführte Gestaltung von Gläubigerrechten auf Grundlage der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO) gegen planbetroffene Gläubiger auch in EU-Mitgliedsstaaten durchgesetzt werden kann. Denn die EuInsVO regelt, dass öffentliche Restrukturierungsverfahren, die nach dem geltenden Recht eines EU-Mitgliedsstaates durchgeführt werden, auch im gesamten EU-Raum anerkannt werden, ohne dass hierzu eine gesonderte Gerichtsentscheidung erforderlich wäre.
Restrukturierungsmöglichkeiten nach StaRUG und deren EU-weite Anerkennung
Im Falle der Restrukturierung eines deutschen Unternehmens nach Maßgabe des StaRUG ist es insbesondere für Unternehmen mit Auslandsbezug (bspw. mit Niederlassungen oder Lieferbeziehungen im EU-Ausland) wichtig, sich darauf verlassen zu können, dass Restrukturierungen nach dem StaRUG auch EU-weit anerkannt werden. Dies ist inzwischen durch die Möglichkeit der öffentlichen Bekanntmachung eines Restrukturierungsvorhabens realisierbar geworden. Hieraus ergibt sich nunmehr für deutsche Unternehmen in der Restrukturierung gemäß StaRUG die gleiche grenzüberschreitende Rechtssicherheit wie in Regelinsolvenzverfahren und Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Bezüglich dieser Verfahren hatte die EuInsVO bereits im Jahr 2002 die Grundlage für deren EU-weite Anerkennung manifestiert.
Restrukturierung nach StaRUG öffentlich oder stillschweigend durchführen?
Bei einer Restrukturierung nach StaRUG handelt es sich um ein Verfahren, das im Gegensatz zu einem Insolvenzverfahren nicht zwingend öffentlich bekannt zu machen ist. Daher muss der Unternehmer hier sorgfältig abwägen, welche Risiken und Chancen eine Veröffentlichung oder auch eine stillschweigende Durchführung des Restrukturierungsverfahrens mit sich bringen kann.
Zu beachten ist hierbei insbesondere, dass eine rechtssichere Anerkennung von Restrukturierungsverfahren innerhalb der EU derzeit nur bei öffentlichen Restrukturierungsvorhaben gewährleistet ist. Nur im Falle der öffentlichen Bekanntmachung des Verfahrens in den gerichtlichen Restrukturierungsbekanntmachungen greift auch der Anerkennungsmechanismus der EuInsVO.
Bei Restrukturierungsverfahren, die nicht öffentlich bekannt gemacht wurden und aus diesem Grunde nicht durch die EuInsVO erfasst sind, wird dieser Mechanismus nämlich nicht in Gang gesetzt. Stattdessen ist bei diesen nicht veröffentlichten Verfahren streitig, ob sich eine etwaige Anerkennung im EU-Ausland nach dem internationalen Privatrecht der jeweiligen Staaten oder nach der Brüssel Ia-VO (VO 1215/2012) richtet. Naturgemäß bestehen daher in diesen Fällen erhebliche Unsicherheiten, da gegebenenfalls Rechtsstreitigkeiten und langwierige Anerkennungsverfahren drohen.
Insbesondere sofern Gläubiger eines Unternehmens im EU-Ausland planbetroffen sind, könnte eine fehlende öffentliche Bekanntmachung die Durchsetzung der im Restrukturierungsplan getroffenen Rechtsgestaltung erheblich erschweren. Gerade das fehlende Erfordernis, ein Restrukturierungsverfahren öffentlich durchzuführen, macht eine Restrukturierung nach StaRUG aber für viele Unternehmer besonders attraktiv. Denn so kann die negative Konnotation eines insolvenzähnlichen Verfahrens vermieden werden. Es stellt sich daher die Frage, welche Vorgehensweise im konkreten Fall für das Unternehmen am zweckmäßigsten erscheint.
Entscheidungshilfe für Unternehmer
Eine Restrukturierung nach StaRUG öffentlich bekannt zu geben und ihr auf diese Weise EU-weite Rechtssicherheit zu verschaffen, ergibt insbesondere dann Sinn, wenn ein Unternehmen im EU-Ausland ansässige Gläubiger hat, denen gegenüber der Regelungsgehalt des Restrukturierungsplans erforderlichenfalls zwangsweise durchgesetzt werden muss. Eine weitere Ausgangssituation, die für eine öffentliche Bekanntmachung des Restrukturierungsplans spricht, liegt vor, wenn ein Unternehmen über Drittsicherheiten oder Kapitalgeber im Ausland verfügt, die in das Restrukturierungsverfahren eingebunden werden sollen.
Weniger sinnvoll ist eine öffentliche Bekanntmachung des Verfahrens beispielsweise dann, wenn sich der Restrukturierungsbedarf im konkreten Fall ohnehin nur auf die in Deutschland ansässigen Gläubiger erstreckt. Hier würde eine öffentliche Bekanntmachung lediglich Risiken in Form einer möglichen Verunsicherung der übrigen, nicht planbetroffenen Gläubiger schaffen, ohne dass sich daraus ein Vorteil für das Unternehmen ergäbe.
In jedem Fall sollte sich der Unternehmer schon vor Verfahrenseinleitung mit der Fragestellung einer etwaigen öffentlichen Bekanntmachung des Restrukturierungsverfahrens auseinandersetzen, da diese noch vor der ersten gerichtlichen Entscheidung in dem Verfahren beantragt werden muss. Es ist daher zum richtigen Zeitpunkt erhöhtes Augenmerk auf die Notwendigkeit dieser Entscheidung zu legen, um sich bestehende Möglichkeiten nicht aus Unachtsamkeit zu verbauen.
Regelungsgehalt der EuInsVO
Die EuInsVO ist im Jahr 2002 mit der Zielrichtung in Kraft getreten, grenzüberschreitende Insolvenzverfahren innerhalb der EU zu erleichtern und für diese eine gemeinsame verfahrensrechtliche Grundlage zu bilden.
Sie regelt dabei nicht nur die Voraussetzungen für eine EU-weite Anerkennung von Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren, sondern auch die örtliche Gerichtszuständigkeit innerhalb der EU und die Frage, welches Recht auf das jeweilige Verfahren anzuwenden ist. Die Zuständigkeit des Gerichts richtet sich dabei danach, in welchem Mitgliedstaat das Unternehmen seinen COMI (= centre of main interest / Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen) hat. Steht nach der Ermittlung des COMI die Zuständigkeit eines Gerichts fest, kann das Verfahren nur in dem den COMI beherbergenden EU-Mitgliedstaat durchgeführt werden. Grundsätzlich gilt dann das nationale Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet worden ist, wobei es hier Ausnahmen gibt, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll.
Fazit
Dank der EuInsVO ist es Unternehmern möglich, für Restrukturierungsverfahren nach StaRUG im Vorfeld zu entscheiden, ob eine öffentliche Bekanntmachung des Verfahrens gewünscht ist oder nicht. Unternehmer sollten im Vorfeld sorgfältig abwägen, ob die Vorteile einer Veröffentlichung des Verfahrens in der individuellen Ausgangssituation die damit verbundenen Risiken überwiegen oder umgekehrt. Diese Entscheidung sollte stets unter Hinzuziehung eines auf Restrukturierungsverfahren spezialisierten Beraters getroffen werden.
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