Französisches Insolvenzverfahren: Fallstricke für deutsche Unternehmen

Das französische Insolvenzverfahren birgt für deutsche Unternehmen erhebliche Risiken – vor allem, wenn es um die Anmeldung offener Forderungen geht. Wer hier Fristen oder formale Anforderungen übersieht, verliert unter Umständen dauerhaft seine Ansprüche. Umso wichtiger ist es, die rechtlichen Besonderheiten und Fallstricke frühzeitig zu kennen und richtig einzuordnen.

I. Rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Das französische Insolvenzrecht ist im französischen Handelsgesetzbuch (Code de Commerce) in den Artikeln L610-1 bis L696-1, R600-1 bis R695-1 sowie A623-1 bis Anhang 6-1 geregelt.
Gerade aufgrund der intensiven wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Deutschland und Frankreich haben Unternehmen aus Deutschland oft Berührungspunkte mit dem französischen Insolvenzrecht: Unternehmen aus Deutschland können an französischen Unternehmen beteiligt sein, sie können aber auch Teil einer Unternehmensstruktur mit französischen Schwestergesellschaften oder einer französischen Muttergesellschaft sein. Deutsche Unternehmen beliefern französische Kunden oder beziehen Waren oder Dienstleistungen von französischen Lieferanten.
Allen Situationen ist gemeinsam, dass zwischen einem deutschen und einem französischen Unternehmen vertragliche Beziehungen bestehen. Nicht selten werden deutsche Unternehmen im Rahmen dieser Vertragsbeziehungen von einem französischen Insolvenzverwalter angeschrieben, sei es, um ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden, sei es, weil deutsche Unternehmen in Haftung genommen werden sollen, sei es, weil gegebenenfalls Vertragsbeziehungen aufrechterhalten werden sollen.
Das französische Insolvenzrecht kennt ähnlich dem deutschen Recht verschiedene Arten von Insolvenzverfahren. Insbesondere im Rahmen des sogenannten „redressement judiciaire“ (gerichtlich angeordnete Sanierung) oder in der sogenannten „liquidation judiciaire“ (Insolvenzabwicklung) ist es erforderlich, die Forderungen gegenüber dem insolventen Unternehmen oder der insolventen Person ordnungsgemäß anzumelden. Die Anmeldung der Forderung ist ein wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass die Gläubiger im Insolvenzverfahren mit ihren Forderungen berücksichtigt werden.

II. Besonderheiten der Forderungsanmeldung nach französischem Recht

1. Frist

Gläubiger müssen ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist anmelden, die in der Regel zwei Monate ab der Veröffentlichung des Insolvenzantrags im Bodacc („Bulletin officiel des annonces civiles et commerciales“) beträgt. Für ausländische Gläubiger beträgt die Frist vier Monate. In bestimmten Fällen gelten Sonderfristen. Im Gegensatz zum deutschen Insolvenzrecht handelt es sich hierbei um eine Ausschlussfrist.

2. Französisches Insolvenzverfahren: Einreichung der Forderung

Die Forderung muss beim zuständigen Insolvenzgericht („Tribunal de Commerce“) oder beim zuständigen Insolvenzverwalter („Administrateur Judiciaire oder Mandataire Judiciaire“) eingereicht werden. Es ist eine Forderungsanmeldung („Déclaration de créance“) auszufüllen, die detaillierte Informationen über die Forderung enthält, einschließlich des Betrags, der Natur der Forderung und etwaiger Sicherheiten oder Vorrechte, die mit der Forderung verbunden sind.

3. Unterlagen zur Unterstützung der Forderung

Der Gläubiger muss geeignete Dokumente vorlegen, um seine Forderung zu belegen. Dazu gehören beispielsweise Verträge, Rechnungen, Zahlungsaufforderungen und andere Nachweise, die die Forderung rechtfertigen.

4. Prüfung der Forderung

Der Insolvenzverwalter prüft alle eingereichten Forderungen und stellt fest, ob sie berechtigt sind. Bei Unklarheiten oder Streitigkeiten kann der Insolvenzverwalter den Gläubiger zur Klärung auffordern. Wird die Forderung anerkannt, wird sie im Insolvenzverfahren registriert und kann bei der Verteilung der Insolvenzmasse berücksichtigt werden. Bei Streitigkeiten oder Unklarheiten über die Forderung entscheidet das Insolvenzgericht.

5. Auswirkungen auf die Rechte der Gläubiger

Gläubiger, die ihre Forderungen nicht ordnungsgemäß innerhalb der festgelegten Fristen anmelden, laufen Gefahr, ihre Ansprüche im Insolvenzverfahren nicht mehr geltend machen zu können. Wird eine Forderung anerkannt, so wird sie bei der Verteilung der Insolvenzmasse berücksichtigt und der Gläubiger erhält eine anteilige Zahlung, wenn die Insolvenzmasse ausreicht, um eine Teilliquidation oder Teilzahlung vorzunehmen.

6. Rangordnung der Forderungen

In Frankreich wird eine Rangordnung für die Forderungen der Gläubiger im Insolvenzverfahren angewendet. Die Rangfolge legt fest, in welcher Reihenfolge die Gläubiger aus der Insolvenzmasse bezahlt werden. Vorweg zahlbare und privilegierte Forderungen (z. B. Löhne oder Steuerschulden) haben Vorrang vor gewöhnlichen und nachrangigen Forderungen.

III. Fazit

Die Forderungsanmeldung im französischen und im deutschen Insolvenzverfahren weist einige Gemeinsamkeiten auf, es bestehen jedoch auch Unterschiede in der praktischen Handhabung und den spezifischen rechtlichen Anforderungen:

Fristen für die Forderungsanmeldung

In Frankreich handelt es sich um eine Ausschlussfrist, d. h. Anmeldungen nach Ablauf der Frist sind nicht mehr möglich.

Französisches Insolvenzverfahren – Anmeldeformulare und Dokumentation

Gläubiger müssen in Frankreich das dafür vorgesehen Formular „Déclaration de créance“ (Forderungsanmeldeformular) beim zuständigen Insolvenzverwalter oder Insolvenzgericht einreichen. In Deutschland erfolgt die Forderungsanmeldung zwar ebenfalls schriftlich und der Gläubiger muss seine Forderung detailliert darlegen, im Unterschied zu Frankreich ist jedoch keine spezielle Form, insbesondere kein Formular, erforderlich.

Behandlung von Forderungen

In Frankreich werden die Forderungen nach ihrer Art und ihrem Rang geprüft. Privilegierte Forderungen (wie Steuerschulden oder Löhne) haben Vorrang vor gewöhnlichen Forderungen. Auch in Deutschland gibt es eine Rangordnung der Forderungen, jedoch nicht in der Form wie in Frankreich, insbesondere haben Lohnforderungen keinen bevorzugten Rang.

Unterschiede bei der Befugnis zur Anmeldung

In Frankreich erfolgt die Forderungsanmeldung beim Insolvenzverwalter oder beim Gericht. Der Insolvenzverwalter prüft alle Forderungen und ordnet die Rangfolge an. In Deutschland erfolgt die Anmeldung grundsätzlich beim Insolvenzverwalter.

Um finanzielle Nachteile zu vermeiden, sollten sich deutsche Unternehmen frühzeitig rechtlich beraten lassen – insbesondere im Hinblick auf die strengen Fristen und Formvorschriften bei der Forderungsanmeldung im französischen Insolvenzverfahren.

Über den Autor

Rechtsanwalt, Maître en droit Niels-Erik Zumbaum LL.M.

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