Hat das IDW-S6-Gutachten ausgedient?

Beiträge in der Krise

Wenn ein Unternehmen in eine ernsthafte wirtschaftliche Krise gerät, handelt es sich zumeist um eine Liquiditätskrise. In diesem Stadium ist das Management dazu berufen und verpflichtet, Maßnahmen zur Liquiditätsgenerierung und Krisenbewältigung zu ergreifen. Diese können vielfältig und unterschiedlichster Art sein. Sie können insbesondere in Beiträgen der Gläubiger bestehen. In Betracht kommen auch mögliche Fremdfinanzierungsmaßnahmen durch Fresh-Money-Kredite oder die etwaige Ausweitung einer bestehenden Kontokorrentlinie bzw. eine Umfinanzierung des bestehenden Engagements, bspw. durch Konditionsanpassungen, Prolongationen oder ähnliches. Als erfolgversprechende Adressaten kommen hierfür in aller Regel nur die Hausbanken in Frage, da diese bereits bei dem betreffenden Unternehmen engagiert sind und ihren Kreditnehmer nicht verlieren, insbesondere aber keine Ausfälle erleiden wollen.

Bislang nicht ohne IDW S6

Die Zeiten, in denen eine solche Hilfe schnell, unbürokratisch und am besten auf Zuruf erfolgen konnte, sind längst vorbei. Die regulatorischen Leitplanken, innerhalb derer eine Bank überhaupt noch zur Liquiditätsunterstützung in der Krise ihres Kreditnehmers berechtigt und in der Lage ist, sind zuletzt immer enger gesteckt worden. Bevor sich eine Bank überhaupt ernsthaft mit einer Neu- oder Anschlussfinanzierung auseinandersetzt, folgt – oft schon reflexartig – der Ruf nach einem IDW S6, also einem Sanierungsgutachten nach dem Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer oder zumindest etwas Vergleichbarem. Häufig beschert ein solches Verlangen allen Beteiligten Steine statt Brot. Solche Gutachten sind in der Regel ausführlich, detailliert und umfangreich. Ihre Erstellung kostet daher wertvolle Zeit und oftmals Geld, das nicht mehr zur Verfügung steht oder anderweitig benötigt wird.

Helfern droht Haftung

Banken zeigen sich hier zu Recht auch wenig beweglich und konziliant, da eine finanzielle Unterstützung in der Krise, die nicht nachweislich zur Krisenbeseitigung geeignet ist, zu zivil- und schlimmstenfalls strafrechtlichen Haftungen führen kann. Sollte es zudem nicht gut ausgehen und das Sorgenkind trotz der Gläubigerbeiträge in die Insolvenz fallen, kassiert der Insolvenzverwalter erhaltene Leistungen oftmals im Wege der Anfechtung ein, da die Beiträge offensichtlich nicht ausreichend oder geeignet waren, das Unternehmen vor der Insolvenz zu bewahren. Dieses Risiko geht leider jeder Gläubiger ein, der überhaupt bereit ist, in der Krise zu helfen. Von Beraterseite kann nur versucht werden, derartige Risiken so weit wie möglich auszuschließen.

Sanierungsmoderation kann Haftungsrisiken vermeiden

Hier kommt ein neues Sanierungsinstrument zupass, dass eigentlich mit einer ganz anderen Intention Eingang in das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen und Sanierung für Unternehmen (StaRUG) gefunden hat, nämlich die Sanierungsmoderation (§§ 94-100 StaRUG). Sie sieht vor, dass einem Unternehmen, das sich in wirtschaftlicher Schieflage befindet, ohne bereits zahlungsunfähig oder überschuldet zu sein, auf eigenen Antrag beim zuständigen Restrukturierungsgericht ein Sanierungsmoderator zur Seite gestellt wird, der Verhandlungen über Sanierungsbeiträge moderiert, begleitet oder führt, und dies mit dem Ziel, eine konsensuale, also einstimmige Verständigung mit allen einbezogenen Gläubigern herbeizuführen. Gelingt dies, kommt es zum Abschluss eines Sanierungsvergleichs. Wird dieser dann auf Antrag vom Gericht bestätigt, gewährt er grundsätzlich Haftungs- und Anfechtungsschutz im Falle einer späteren Insolvenz.

Schlanker, schneller, günstiger – Sanierungsmoderation statt IDW-S6-Gutachen

Der Aufwand an Kosten und Zeit ist dabei deutlich geringer als bei der Erstellung eines IDW-S6-Gutachtens. Natürlich bedarf es einer Sanierungsidee, einer konzeptionellen Sanierungsplanung, denn ohne diese werden die adressierten Gläubiger nur schwer von der Notwendigkeit ihrer Beiträge zu überzeugen sein; viel mehr aber auch nicht, jedenfalls bei weitem keine so dezidierte Detailbetrachtung und -behandlung, wie sie das IDW vorsieht. Und das Restrukturierungsgericht versagt die Bestätigung des Sanierungsvergleichs nach der gesetzlichen Vorgabe auch nur bei fehlender Schlüssigkeit des Konzeptes oder mangels Erfolgsaussichten, muss also nicht ohne Not in eine aufwändige, umfängliche Prüfung einsteigen.

Fazit

Die Sanierungsmoderation kann in vielen Fällen die Erstellung eines IDW-S6-Gutachtens vermeiden oder ersetzen. Und damit ist dieses neue Sanierungsinstrument sehr zu begrüßen.

Denn häufig scheitern durchaus erfolgversprechende Sanierungen daran, dass sich die involvierten Gläubiger in Anbetracht der sich in den letzten Jahren häufenden Haftungs- und Anfechtungsfälle schlicht nicht mehr trauen, sich mit eigenen Beiträgen an einer Sanierung zu beteiligen.

Vor diesem Hintergrund bleibt es mit Spannung abzuwarten, wann und wie sich die in allen Wirtschaftskreisen noch weitgehend unbekannte Sanierungsmoderation künftig etablieren wird.

Auch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) bedurfte einer gewissen Anlaufzeit und ist mittlerweile aus dem allgemeinen Sanierungsgeschehen nicht mehr wegzudenken.

Über den Autor

Geschäftsführer, Partner, Rechtsanwalt, Dr. Utz Brömmekamp

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