Kein Gesellschaftervorbehalt bei der Einreichung einer Restrukturierungsanzeige gemäß StaRUG?!
Nach einem Beschluss des OLG Stuttgart vom 21.08.2024, Az. 20 U 24/30, ist ein Gesellschafterbeschluss für die Einleitung eines Verfahrens nach dem StaRUG jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn das Restrukturierungsverfahren die einzige hinreichend erfolgversprechende Alternative zu einem Insolvenzverfahren darstellt. Im Folgenden werden der wesentliche Sachverhalt sowie die tragenden Gründe auszugsweise wiedergegeben und mit einem kurzen Ausblick auf die Auswirkungen für die Praxis versehen.
Aus dem Sachverhalt
Am 28.06.2024 reichte die Beklagte (scil. die Restrukturierungsschuldnerin) eine Restrukturierungsanzeige nach § 31 StaRUG ein. Das Verfahren wird beim
AG Stuttgart unter den Az. 9 RES 1112/24 und 9 RES 1113/24 geführt. Hierzu lag die Zustimmung von mehr als 97 Prozent der Finanzierer in Form einer Lock-up-Vereinbarung vor. Darin erklären die Finanzierer, dass sie die fälligen bzw. fällig werdenden Darlehen, Schuldscheine und sonstigen Kreditmittel für die Dauer der Lock-up-Periode nicht ernsthaft einfordern würden. Die Lock-up-Periode ist auf die Dauer des StaRUG-Verfahrens, längstens bis zum 30.11.2024 begrenzt. Zudem ist die Beklagte nach der Vereinbarung verpflichtet, für den Fall, dass eine 100-prozentige Treuhandlösung nicht zustande kommt, die Anzeige bis spätestens 31.07.2024 zu stellen und das StaRUG-Verfahren mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers und im Interesse der Gläubiger durchzuführen. Nimmt die Beklage die Restrukturierungsanzeige ohne Zustimmung der Lock-up-Finanzierungsmehrheit zurück, besteht zugunsten der Finanzierer ein Kündigungsgrund.
Mit Urteil vom 02.08.2024 hat das Landgericht der Beklagten aufgegeben, es vorläufig, bis über die Wirksamkeit der Beschlussfassung rechtskräftig entschieden ist oder die Anfechtungsfrist abgelaufen ist, ohne dass eine Klage erhoben wurde, zu unterlassen, den in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 28.06.2024 unter TOP 3 gefassten Beschluss über die Einleitung eines Verfahrens nach dem Unternehmens-stabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) zur Umsetzung des Restrukturierungskonzepts (vgl. Anlagenkonvolut K14) zu vollziehen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, die Vollstreckung des Urteils durch einstweilige Verfügung auszusetzen. Diesem Antrag hat das OLG in dem o. a. Beschluss entsprochen.
Aus den Gründen
I. (…) 2. Hiervon abgesehen hat die Berufung der Beklagten bereits deshalb Aussicht auf Erfolg, weil es für die Einleitung eines Verfahrens nach dem StaRUG jedenfalls dann keines vorherigen Gesellschafterbeschlusses bedarf, wenn – wie vorliegend der Fall – ein Restrukturierungsverfahren die einzige hinreichend erfolgversprechende Alternative zu einem Insolvenzverfahren ist. Dass diese Frage im Restrukturierungsverfahren vom Restrukturierungsgericht zu beantworten ist, ist unerheblich, da es hier nicht um die Frage der Zulässigkeit des Restrukturierungsantrags geht, sondern um die vom Senat zu klärende Frage, ob eine gesellschaftsrechtliche Pflicht besteht, das Restrukturierungsverfahren nicht fortzuführen.
a) In Rechtsprechung und Literatur wird streitig beurteilt, ob die Einleitung eines StaRUG-Verfahrens jedenfalls im Innenverhältnis einen Gesellschafterbeschluss erfordert. (…)
b) Nach vorläufiger rechtlicher Würdigung des Senats bedarf es zur Antragstellung nach dem StaRUG auch im Innenverhältnis der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung jedenfalls dann nicht, wenn ein Restrukturierungsplan bzw. ein Restrukturierungsverfahren die einzige hinreichend erfolgversprechende Alternative zu einem Insolvenzverfahren ist. Jedenfalls in diesem Fall werden die Vorgaben des Gesellschaftsrechts und der satzungsmäßigen Regeln durch die die Willensbildung betreffenden Regelungen des StaRUG verdrängt (…), weshalb nicht von Bedeutung ist, ob es sich bei der Entscheidung zur Einleitung eines Verfahrens nach dem StaRUG um eine Grundlagenentscheidung oder zumindest um eine besonders bedeutsame und außergewöhnliche Maßnahme handelt.
aa) Für die hier vertretene Auffassung spricht zunächst, dass in § 7 Abs. 4 StaRUG ausdrücklich die Kapitalherabsetzung, der Ausschluss von Bezugsrechten und die Übertragung von Anteils- und Mitgliedschaftsrechten als planmäßige Gestaltungsmöglichkeiten genannt sind. In Fällen, in denen derartige Eingriffe in die Rechtsstellung der Gesellschafter oder Aktionäre im Raum stehen, wird die Gesellschafterversammlung der Maßnahme häufig nicht mit der erforderlichen Mehrheit zustimmen. Würde man die Einleitung eines Verfahrens nach dem StaRUG von einem vorherigen Gesellschafterbeschluss abhängig machen, würde der Anwendungsbereich des StaRUG erheblich reduziert, und der Schuldnerin würde häufig allein der Weg bleiben, Insolvenzantrag zu stellen (…).
bb) Zudem hat der Gesetzgeber mit § 28 StaRUG die Möglichkeit geschaffen, auch größere Gruppen von Planbetroffenen durch gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidungen zu überstimmen und damit Restrukturierungsmaßnahmen gerade gegen den Widerstand der Gesellschafter durchzuführen (…). Das gesetzgeberische Ziel, dem Schuldner zu ermöglichen, die Blockadehaltung einzelner Beteiligter oder gar einer ganzen Gruppe zu überwinden, wäre obsolet, wenn den Anteilseignern die Möglichkeit eingeräumt würde, durch die Verweigerung ihrer Zustimmung ein erfolgsversprechendes Restrukturierungsverfahren zu blockieren (…). Um eine Entscheidung nach § 28 StaRUG und eine Anwendbarkeit des § 27 Abs. 2 StaRUG überhaupt zu ermöglichen, muss aber bei einem wahrscheinlichen Widerstand der Gesellschafter oder der Hauptversammlung das gerichtliche Verfahren auch gegen deren ausdrücklichen Willen aufgrund einer Entscheidung einzig der Vertretungsberechtigten durchgeführt werden (…).
cc) Gegen das Erfordernis eines vorherigen Gesellschafterbeschlusses spricht zudem eine richtlinienkonforme Auslegung. Nach Art. 12 der Restrukturierungsrichtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Anteilsinhaber die Annahme und Bestätigung eines Restrukturierungsplans nicht grundlos verhindern oder erschweren dürfen. Nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung und unter Berücksichtigung des Gebots des Art. 19 lit. a der Restrukturierungsrichtlinie, auch die Interessen der Gläubiger und sonstiger Interessensträger gebührend zu berücksichtigen, ist es europarechtlich geboten, die Einwirkungsmöglichkeiten der Anteilsinhaber auch schon in der Phase der Vorbereitung eines Restrukturierungsplans einzuschränken. Es gilt zu verhindern, dass die Gesellschafter die Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie bereits im Keim ersticken können, indem sie durch ihr Abstimmverhalten die Einleitung eines Verfahrens nach dem StaRUG verhindern (…).
dd) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, dass die vorstehenden Ausführungen lediglich die Berechtigung der Einleitung eines StaRUG-Verfahrens im Außenverhältnis beträfen, nicht aber die Befugnis im Innenverhältnis. Vielmehr beansprucht die vorstehende Argumentation auch für das Innenverhältnis Geltung. Würde man dies anders sehen, könnten die Gesellschafter die Einleitung eines StaRUG-Verfahrens in gleicher Weise verhindern, was das vorliegende Verfahren zeigt.
ee) Auch das Schutzbedürfnis der Anteilseigner gebietet keine andere Betrachtungsweise. Vielmehr wird diesem durch die in § 60 StaRUG geregelte gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans und insbesondere durch die in §§ 63 ff. StaRUG vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten ausreichend Rechnung getragen (…).
ff) Ebenso wenig ergibt sich anderes daraus, dass §§ 2, 3 des ursprünglichen Regierungsentwurfs zum StaRUG (BT-Drucks. 19/24181) im Rechtsausschuss gestrichen wurden und stattdessen in § 43 Abs. 1 StaRUG die Verpflichtung des Geschäftsleiters vorgesehen wurde, darauf hinzuwirken, dass der Schuldner die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreibt und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahrt.
§ 2 des ursprünglichen Regierungsentwurfs zum
StaRUG sah insbesondere vor, dass die Geschäftsleiter im Falle drohender Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahren, und dass Beschlüsse und Weisungen der Überwachungsorgane und anderer Organe unbeachtlich seien, soweit sie der gebotenen Wahrung der Gläubigerinteressen entgegenstünden.
Ausweislich der Begründung war diese Regelung indes nicht speziell auf die Einleitung eines Verfahrens nach dem StaRUG zugeschnitten, vielmehr sollte § 2 als Korrektiv für die den Geschäftsleitern im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit zukommende Macht dienen, Entscheidungen zu treffen, die sich zu Lasten der Gläubiger auswirken. Insoweit führte der Gesetzgeber aus, es bedürfe einer allgemeinen Regelung, die allein an den Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit anknüpfe, da diese Macht unabhängig davon bestehe, ob die Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, unter Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens oder außerhalb eines gerichtlichen Forums verfolgt werde (BT-Drucks. 19/24181 S. 101).
Die Regelung des § 2 Abs. 1 sei nicht zuletzt deshalb erforderlich, weil sich infolge der Verkürzung des für die Überschuldungsprüfung maßgeblichen Prognosezeitraums auf 12 Monate der Anwendungsbereich der an die Überschuldung anknüpfenden Haftung wegen Insolvenzverschleppung und wegen Verstoßes gegen Zahlungsverbote verkürze. § 2 Abs. 1 sollte mithin dazu dienen, dass insbesondere im nicht mehr von der Überschuldung erfassten Zeitraum eine Pflicht zur Berücksichtigung der Gläubigerinteressen bestehe.
Mit zunehmender Vertiefung der Krise im Stadium, der drohenden Zahlungsunfähigkeit, werde sich auch der Pflichtenkreis der Geschäftsleiter verdichten (BT-Drucks. 19/24181 S. 102). Wenn die Zahlungsunfähigkeit näherrücke, seien die Geschäftsleiter gehalten, bei den Geschäftsführungsentscheidungen die Interessen der Gläubigerschaft zu berücksichtigen und Maßnahmen zu unterlassen, die geeignet seien, die im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit angelegte Gefährdung der Gläubigerinteressen weiter zu vertiefen (BT-Drucks. 19/24181 S. 103).
Zudem hatte der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 2 des ursprünglichen Entwurfs nicht speziell die Frage im Fokus, ob für die Einleitung eines Verfahrens nach dem StaRUG ein Gesellschafterbeschluss erforderlich sei. Vielmehr verhielt er sich nicht zur Frage, welche Organkompetenzen in welcher Konstellation bestünden, sondern führte in der Begründung zum Regierungsentwurf nur allgemein aus, dass etwaige Organkompetenzen zwar von der Vorschrift unberührt blieben, aber nicht darauf gerichtet sein oder zur Folge haben dürften, dass die Geschäftsleiter ihren Pflichten zur Wahrung der Interessen der Gläubiger nicht mehr nachkommen könnten. Wo sich die Pflichten der Geschäftsleiter zu konkreten Handlungs- oder Unterlassungspflichten verdichtet hätten, könnten diese nicht durch Beschlüsse oder Weisungen anderer Organe ausgehebelt werden (BT-Drucks. 19/24181 S. 102).
Blieben entsprechende Beschlüsse, etwa Weisungen, verbindlich, würden sie eine Pflichtverletzung der Geschäftsleiter ausschließen. Die gläubigerschützende Pflichtbindung und die sich an sie anschließende Haftungsnorm insbesondere in den für die Insolvenzpraxis bedeutsamen Fällen der Ein- oder Mehrpersonen-GmbH würde leerlaufen. Die Unbeachtlichkeit entsprechender Weisungen entspreche im Übrigen dem geltenden GmbH-Recht, das die Haftung wegen Verstoßes gegen gläubigerschützende Pflichten von der Möglichkeit einer Exkulpation auf der Grundlage einer Weisung ausschließe (BT-Drucks. 19/24181 S. 104).
Die Streichung der §§ 2,3 des Regierungsentwurfs zum StaRUG erfolgte ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/25353) lediglich mit Blick auf ihr unklares Verhältnis zu den im Gesellschaftsrecht verankerten Sanierungspflichten, wobei der Gesetzgeber davon ausging, dass die Streichung keine Haftungslücken hinterließe, und dass das Bedürfnis nach Gläubigerschutz, das mit der Rückbildung der davon betroffenen gläubigerschützenden Haftungsnormen einhergehe, durch die gesellschaftsrechtlichen Haftungsnormen aufgefangen werde. In Ansehung der Frage nach dem Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses lässt sich aus der Streichung wenig ableiten (…).
Da sich aus §§ 32 Abs. 1, 43 Abs. 1 StaRUG auch Verpflichtungen der Gesellschafter ergeben, würden im Übrigen selbst dann, wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung in Anwendung des allgemeinen Gesellschaftsrechts im Ausgangspunkt vom Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses und von der Verbindlichkeit von Weisungen der Gesellschafter ausgehen würde, Einschränkungen dann gelten, wenn ein Restrukturierungsplan bzw. ein Restrukturierungsverfahren die einzige hinreichend erfolgversprechende Alternative zu einem Insolvenzverfahren ist. In diesem Fall wären ein ablehnender Gesellschafterbeschluss bzw. eine entgegenstehende – existenzgefährdende – Weisung der Gesellschafter unbeachtlich (…).
gg) Auch die auf eine Parallele zur Insolvenzantragstellung bei drohender Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO abstellende Argumentation vermag nicht durchzudringen. Die Sichtweise, wonach die Geschäftsleitung in diesem Fall vor dem Eröffnungsantrag eine gesellschaftsrechtliche Billigung einholen muss, kann nicht auf die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens übertragen werden, da mit dem Insolvenzverfahren einerseits und mit dem Verfahren nach dem StaRUG andererseits unterschiedliche Ziele verfolgt werden, insbesondere zielt das Verfahren nach dem StaRUG darauf, die Insolvenz abzuwenden und den Fortbestand der Schuldnerin sicherzustellen (…). Abgesehen davon liegt es in Fällen, in denen bei eingetretener Überschuldung die positive Fortbestehensprognose nur noch auf die mehrheitliche Unterstützung des Restrukturierungskonzepts durch die Gläubiger gestützt werden kann, näher, eine Parallele zur Insolvenzantragspflicht nach §§ 15a, 17, 19 InsO zu ziehen, die keinen Gesellschafterbeschluss voraussetzt.
c) In Anwendung der vorstehenden Grundsätze ist vorliegend ein Gesellschafterbeschluss entbehrlich. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten ist diese bilanziell überschuldet, eine positive Fortführungsprognose beruht allein darauf, dass 97 Prozent der Finanzierer unter erheblichen wirtschaftlichen Zugeständnissen ihre Zustimmung zur Lösung der Krise über den Weg des Verfahrens nach dem StaRUG verbindlich zugesagt haben. Wenn die Beklagte das Verfahren nach dem StaRUG nicht zeitnah fortführt oder wenn sie den Antrag gar zurücknimmt, ist sie jedenfalls dann unmittelbar zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet, wenn die Finanzierungsgeber dies zum Anlass nehmen, die Lock-Up-Vereinbarung zu kündigen (vgl. dazu im Einzelnen noch nachstehend unter II 1).
II. Die Interessenabwägung fällt auch in Anbetracht der bei einem Vollstreckungstitel im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens erhöhten Maßstäbe zugunsten einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung aus. Die Interessen der Beklagten an der einstweiligen Einstellung überwiegen die Interessen der Klägerin an der Aufrechterhaltung der Vollstreckbarkeit deutlich.
1. Im Falle der Vollstreckung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts drohen der Beklagten zeitnah irreversible Nachteile. Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten ist diese bilanziell überschuldet, eine positive Fortführungsprognose beruht allein darauf, dass 97 Prozent der Finanzierer unter erheblichen wirtschaftlichen Zugeständnissen ihre Zustimmung zur Lösung der Krise über den Weg des Verfahrens nach dem StaRUG verbindlich zugesagt haben. Wenn die Beklagte das Verfahren nach dem StaRUG nicht zeitnah fortführt oder wenn sie den Antrag gar zurücknimmt, ist sie jedenfalls dann unmittelbar zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet, wenn die Finanzierungsgeber dies zum Anlass nehmen, die Lock-Up-Vereinbarung zu kündigen. (…)
Fazit für die Praxis
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Einreichung einer Restrukturierungsanzeige durch das geschäftsführende Organ einer Kapitalgesellschaft eines vorherigen Gesellschafterbeschlusses bedarf, ist durch den vorstehend referierten Beschluss vermutlich im Sinne einer Grundsatzentscheidung geklärt.
Der Sanierungspraktiker muss zukünftig wissen, dass das geschäftsführende Organ sowohl im Außenverhältnis die Rechtsmacht besitzt als auch im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft dazu berechtigt ist, eine Restrukturierungsanzeige bei Gericht einzureichen, wenn diese die einzige erfolgversprechende Alternative zu einem ansonsten unausweichlichen Insolvenzverfahren ist. Für den hier anzulegenden Maßstab bietet die Entscheidung ebenfalls wertvolle Hinweise.
Zugleich wirft sie die ernstzunehmende Frage auf, ob sich das Recht des Geschäftsleiters zur Einreichung einer Restrukturierungsanzeige, sofern es im Einzelfall besteht gemäß § 1 StaRUG oder sonstigen Rechtsnormen, etwa § 43 GmbH bzw. 93 Aktiengesetz, zu einer Handlungspflicht verdichten kann.
Dies kann dazu führen, dass der Geschäftsleiter in bestimmten Fällen wie einst Odysseus zwischen Skylla und Charybdis navigieren muss, wenn sich die Frage stellt, ob denn ein solcher Fall, bei dessen Vorliegen
die Restrukturierungsanzeige auch ohne Gesellschafterbeschluss erlaubt – und gegebenenfalls auch geboten
ist – vorliegt oder nicht. Ob ihm in diesem Fall die Business-Judgement-Rule als Schutzschild zur Abwehr persönlicher Haftung zur Verfügung steht, ist gleichfalls noch nicht entschieden.
Jedenfalls ist der Geschäftsleiter gehalten, die alles entscheidende Frage, ob denn ein Restrukturierungsplan tatsächlich der einzige Weg zur Vermeidung einer Insolvenz ist, sorgfältigst zu prüfen und zu dokumentieren. Im Zweifelsfall sollte er sein Recht zur Einreichung einer Restrukturierungsanzeige im Wege einer einstweiligen Entscheidung eines Gerichts feststellen lassen.
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