Neue Vorschriften für Unternehmensgruppen in Polen: Ausweitung der Leitungsbefugnisse und Einführung eines gesetzlichen Gruppenbegriffs
Zum 12.10.2022 sind in Polen umfassende Änderungen des Handelsgesellschaften-Gesetzbuches (KSH) in Kraft getreten, die den rechtlichen Rahmen für Unternehmensgruppen („Grupa Spółek“) neu definieren. Erstmals wird eine gesetzliche Definition der Unternehmensgruppe eingeführt und der beherrschenden Gesellschaft weitreichende Weisungs- und Kontrollrechte gegenüber abhängigen Gesellschaften eingeräumt. Zugleich wird die Haftung der beherrschenden Gesellschaft gegenüber abhängigen Gesellschaften, deren Gesellschaftern und Gläubigern neu geregelt.
Erfahren Sie im Gastbeitrag von Dr. Waldemar Joschko, welche konkreten Rechte, Pflichten und Haftungsregelungen sich aus der neuen Gesetzeslage ergeben und was Unternehmen bei der Umsetzung beachten sollten.
Zum 12.10.2022 sind neue Regelungen des polnischen Handelsgesellschaften-Gesetzbuches (KSH) zu Unternehmergruppen in Kraft getreten. Es handelt sich im Wesentlichen um die Erweiterung der Definition einer beherrschenden Gesellschaft durch Einfügung in den Katalog des Art. 4 § 1 Ziffer 4) Buchstabe f) KSH des Begriffs der „maßgeblichen Einflussausübung“ auf die Tätigkeit der beherrschten Gesellschaft, insbesondere durch den Abschluss eines Vertrages über die Führung der Geschäfte oder Gewinnabführung.
Hinzukommt in Art. 4 § 1 Ziffer 5 (hoch 1) KSH die Einfügung der Legaldefinition der Unternehmensgruppe – „Grupa Spółek“. Hiernach wird eine Unternehmensgruppe als eine beherrschende Gesellschaft und eine oder mehrere abhängige Gesellschaften definiert, die Kapitalgesellschaften sind, und die sich in Übereinstimmung mit dem Beschluss betreffend die Beteiligung an einer Unternehmensgruppe von einer gemeinsamen Strategie zur Verwirklichung eines gemeinsamen Interesses (Interesse der Unternehmensgruppe) leiten lassen, welches die Ausübung der einheitlichen Leitung durch die beherrschende Gesellschaft über die abhängige Gesellschaft oder die abhängigen Gesellschaften begründet.
Für das Vorliegen einer Unternehmensgruppe ist es also entscheidend, dass alle hieran beteiligten Gesellschaften im Rahmen ihrer eigenen gesellschaftsrechtlichen Befugnisse die Beteiligung daran formal manifestieren und dazu insbesondere entsprechende Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gefasst werden. Erfolgt dies, dann finden im Hinblick auf die Befugnisse der beherrschenden Gesellschaft verbindliche Weisungen an die Geschäftsführungsorgane der abhängigen Gesellschaften Anwendung. Dazu hat der Gesetzgeber einen neuen Abschnitt IV unter der Überschrift „Unternehmensgruppe“ und die besonderen Regelungen in den Art. 21 (hoch 1) bis 21 (hoch 16) KSH eingefügt.
Diese Vorschriften regeln im einzelnen insbesondere die Beschlussfassung, das Erfordernis der Anmeldung/Bekanntmachung im Handelsgerichtsregister (KRS), das Verfahren der verbindlichen Weisungserteilung und deren Mindestinhalt, Annahme und Durchführung der Weisung bzw. deren Verweigerung. Eine Verweigerung ist dabei grundsätzlich nur auf Fälle beschränkt, wenn deren Befolgung den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Drohung der Zahlungsunfähigkeit bei Einpersonengesellschaften bzw. sonst bei Schadenseintritt bei der abhängigen Gesellschaft zur Folge hätte, der nicht innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren ausgeglichen werden würde und ferner bei weiteren im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Gründen.
Darüber hinaus wird eine Haftung für Vorstandsmitglieder und Mitglieder des Aufsichtsrates für Schäden ausgeschlossen, die infolge der Durchführung der Weisung eintreten.
Des weiteren werden der beherrschenden Gesellschaft weitreichende Befugnisse zur Prüfung der Unterlagen der abhängigen Gesellschaft eingeräumt und dem Aufsichtsrat der beherrschenden Gesellschaft die Aufgabe zugewiesen, die Aufsicht über die gesamte Unternehmensgruppe auszuüben. Sofern kein Aufsichtsrat bestellt ist, wird diese Aufsichtsfunktion durch den Vorstand der beherrschenden Gesellschaft ausgeübt.
Das Gesetz sieht auch die Möglichkeit vor, dass Minderheitsgesellschafter (<10 Prozent) verlangen können, aus der (abhängigen) Gesellschaft auszutreten, wobei deren Anteile von der beherrschenden Gesellschaft übernommen werden müssen.
Schließlich wird die Haftung der beherrschenden Gesellschaft gegenüber der abhängigen Gesellschaft statuiert, die damit für alle Schäden einzustehen hat, die dieser Gesellschaft infolge der Befolgung der verbindlichen Weisung entstanden sind und die nicht innerhalb der in der Weisung genannten Frist ausgeglichen worden sind. Dies betrifft hinsichtlich der Gesellschafter (Aktionäre) auch den Fall, dass infolge der Weisung der beherrschenden Gesellschaft, sofern diese direkt oder indirekt über mehr als 75 Prozent des Stammkapitals verfügt, eine Reduzierung des Wertes der Anteile infolge der Weisungsbefolgung entsteht. Im Hinblick auf die Haftung der beherrschenden Gesellschaft gegenüber den Gläubigern der abhängigen Gesellschaft bei erfolgloser Forderungsvollstreckung, hat die beherrschende Gesellschaft den Schaden des Gläubigers auszugleichen, es sei denn, sie trifft kein Verschulden oder der Schaden ist nicht aufgrund der Weisungsbefolgung entstanden.
Die Unternehmensgruppe endet mit Fassung eines entsprechenden Beschlusses bei der abhängigen Gesellschaft oder infolge einer Mitteilung der beherrschenden Gesellschaft über die Beendigung.
Die vorgestellten Regelungen finden auch für mit der beherrschenden Gesellschaft verbundene Unternehmen Anwendung, sofern der Vertrag oder die Satzung der verbundenen Gesellschaft dies vorsehen.
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