Das neue Sanie­rungs­recht lebt! Neue Erkennt­nis­se aus der Beglei­tung zwei­er Restrukturierungsverfahren

Vor kur­zem hat Buch­a­lik Bröm­me­kamp Rechts­an­wäl­te in Zusam­men­ar­beit mit der Schwes­ter­ge­sell­schaft ple­no­via zwei Restruk­tu­rie­rungs­ver­fah­ren auf der Grund­la­ge des Unter­­neh­­mens­sta­­bi­­li­­sie­rungs- und Restruk­tu­rie­rungs­ge­set­zes (Sta­RUG) vor dem Amts­ge­richt Köln beglei­tet, die mit über­wäl­ti­gen­der Zustim­mung der betrof­fe­nen Restruk­tu­rie­rungs­gläu­bi­ger, der soge­nann­ten „Plan­be­trof­fe­nen“, erfolg­reich abge­schlos­sen wer­den konn­ten. Da laut einer Recher­che des INDAT Report 1/ 2022, S. 79 beim AG Köln im Jahr 2021 kein Restruk­tu­rie­rungs­ver­fah­ren nach dem neu­en Recht been­det wur­de, dürf­te es sich hier­bei um die ers­ten Restruk­tu­rie­rungs­plä­ne han­deln, die vor dem AG Köln anhän­gig waren und erfolg­reich abge­schlos­sen wer­den konnten.

I. Die Ausgangssituation

Die bei­den betrof­fe­nen Unter­neh­men, die jeweils die Geschäfts­füh­rung für eine Viel­zahl von Anla­ge­ge­sell­schaf­ten über­nom­men hat­ten, sahen sich Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen sei­tens einer Min­der­heit von Anle­gern wegen angeb­li­cher Feh­ler der Geschäfts­füh­rung aus frü­he­ren Zei­ten ausgesetzt.

Die­se Ansprü­che wur­den von meh­re­ren Anle­gern gericht­lich gel­tend gemacht. Allein die Anwalts- und Gut­ach­ter­kos­ten führ­ten zu einer immensen Kos­­ten- und Kapa­zi­täts­be­las­tung auf Sei­ten der bei­den beklag­ten Unter­neh­men. Es kam hin­zu, dass die Anle­ger im Fal­le einer Insol­venz der betrof­fe­nen Unter­neh­men mit enor­men Nach­zah­lungs­an­sprü­chen der Finanz­ver­wal­tung rech­nen muss­ten. Die Anla­ge­gläu­bi­ger hät­ten also im Fall der Insol­venz nicht nur Geld ver­lo­ren. Sie hät­ten auch noch Geld nach­zah­len müssen.

Vor die­sem Hin­ter­grund hat­ten dann im Wege der Gläu­bi­ger­gleich­be­hand­lung die übri­gen Anle­ger eben­falls Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gel­tend gemacht, die schließ­lich sämt­lich mit Hil­fe des Restruk­tu­rie­rungs­plans regu­liert wer­den konnten.

II. Regu­lie­rung von anhän­gi­gen Kla­gen durch das neue Sanierungsrecht

Das Bei­spiel zeigt, dass das neue Sanie­rungs­recht gera­de auch bei kos­ten­träch­ti­gen, anhän­gi­gen Kla­gen gegen ein Unter­neh­men hel­fen kann, des­sen Exis­tenz im Fal­le einer spä­te­ren rechts­kräf­ti­gen Ver­ur­tei­lung exis­tenz­ge­fähr­det wäre. Hier­für müs­sen die Unter­neh­mens­ent­schei­der aller­dings früh­zei­tig han­deln und aktiv wer­den. Das Prin­zip Hoff­nung, die Kla­ge wer­de schon abge­wie­sen, ist oft­mals trü­ge­risch. Bis dahin wird das Unter­neh­men zudem mit erheb­li­chen Kos­ten belas­tet, wäh­rend die Kos­ten eines Restruk­tu­rie­rungs­ver­fah­rens über­schau­bar sind, zumal damit ein oft­mals erheb­li­cher Sanie­rungs­ge­winn gene­riert wer­den kann.  Das neue Sanie­rungs­recht wird – anders als ein Insol­venz­ver­fah­ren – auch nur auf aus­drück­li­chen Antrag des Unter­neh­mens ver­öf­fent­licht, ist also in der Regel dis­kret und betrifft nur die dann aus­ge­wähl­ten plan­be­trof­fe­nen Gläubiger.

III. Der frü­he Vogel…

Die Regu­lie­rung sol­cher anhän­gi­gen Kla­gen durch das neue Sanie­rungs­recht ist nur solan­ge mög­lich, wie das Unter­neh­men nicht insol­venz­an­trags­pflich­tig, also zah­lungs­un­fä­hig und/oder über­schul­det ist. Statt­des­sen wird indes dro­hen­de Zah­lungs­un­fä­hig­keit und damit bereits der Ein­tritt einer ernst­zu­neh­men­den Kri­sen­si­tua­ti­on ver­langt. Nach der Geset­zes­än­de­rung zum 01.01.2021 ist dies in der Regel dann der Fall, wenn das Unter­neh­men vom Stich­tag aus gese­hen zwi­schen dem 13. und dem 24. Monat vor­aus­sicht­lich nicht mehr in der Lage ist, sei­ne bestehen­den Zah­lungs­ver­pflich­tun­gen zu erfül­len. Die­ser Zeit­raum dürf­te bei exis­tenz­be­dro­hen­den Kla­gen, deren Dau­er bis zur Rechts­kraft nicht uner­heb­lich ist, mög­lich sein. Tritt die Zah­lungs­un­fä­hig­keit bereits inner­halb der nächs­ten zwölf Mona­te ein, ist es denk­bar, dass das Unter­neh­men dann auch über­schul­det ist. In die­sem Fall bie­tet sich eben­falls ein Ver­fah­ren nach dem Sta­RUG an, wenn dadurch eine posi­ti­ve Fort­füh­rungs­pro­gno­se belegt wird und damit die Über­schul­dung besei­tigt wer­den kann.

Es zeigt jeden­falls, dass Unter­neh­men hier regel­mä­ßig bis zu 24 Mona­te pla­nen soll­ten, um die­sen Sach­ver­halt über­haupt zu erken­nen. Dies ist im neu­en § 1 Sta­RUG vorgeschrieben.

IV. Mehr­hei­ten vom Plan überzeugen

Mit dem Restruk­tu­rie­rungs­plan las­sen sich auch oppo­nie­ren­de Gläu­bi­ger über­stim­men, die dann eben­falls an die Regeln des Plans, also ggf. an einen Ver­zicht oder Teil­ver­zicht, gebun­den sind. Es kön­nen nach bestimm­ten Moda­li­tä­ten Grup­pen gebil­det wer­den. In die­sen Grup­pen  müs­sen min­des­tens 75 Pro­zent der Plan­be­trof­fe­nen zustim­men. Nicht abge­ge­be­ne Stim­men oder Stimm­ent­hal­tun­gen gel­ten als Ableh­nung. Wenn die Mehr­zahl  der Grup­pen zuge­stimmt  oder bei zwei Grup­pen sogar nur eine Grup­pe zuge­stimmt hat, kann der Plan unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen trotz­dem bestä­tigt wer­den und wirkt gegen alle plan­be­trof­fe­nen  Gläu­bi­ger. Durch die Mög­lich­keit eines sol­chen  „cross class cram­downs“ stei­gen die Chan­cen einer erfolg­rei­chen Plan­be­stä­ti­gung deutlich.

V. Fazit: Agie­ren ist bes­ser als reagieren

Vie­le Unter­neh­men, die der­zeit gegen exis­tenz­ver­nich­ten­de Kla­gen kämp­fen, könn­ten das neue Sanie­rungs­recht als Befrei­ungs­schlag nut­zen. Hier­zu müs­sen die Ent­schei­der früh und pro­ak­tiv die Initia­ti­ve ergreifen.

Auch bei Invest­ment­ge­sell­schaf­ten, deren Anle­ger sich uneins sind, kann das neue Sanie­rungs­recht genutzt wer­den, ein­zel­ne oppo­nie­ren­de Anle­ger zu disziplinieren.

Über den Autor

Geschäfts­füh­rer, Part­ner, Rechts­an­walt, Fach­an­walt für Insol­­venz- und Sanie­rungs­recht Dr. Jas­per Stahlschmidt

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