Der Restrukturierungsplan als Instrument zur Neuordnung des Gesellschafterkreises

Restrukturierungspläne gemäß dem zum 01.01.2021 in Kraft getretenen Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) dienen in erster Linie der Restrukturierung von Finanzverbindlichkeiten. Ein Restrukturierungsplan kann aber auch ohne Eingriff in Gläubigerrechte dazu eingesetzt werden, Gesellschaftern wertlos gewordene Geschäftsanteile zu entziehen, wenn dies zur Sanierung der Gesellschaft erforderlich ist. Einen Restrukturierungsplan mit entsprechenden Regelungen hat das Amtsgericht Braunschweig am 14.3.2024 zum Aktenzeichen 272 RES 1/23 bestätigt.

Sachverhalt

Bei der Gesellschaft handelt es sich um ein erst vor wenigen Jahren gegründetes Unternehmen, das ein innovatives Nischenprodukt für Automobilzulieferer herstellt. Nachdem das bei der Gründung und einer ersten Nachfinanzierung durch die Gesellschafter erbrachte Kapital aufgebraucht war, waren zwei von sechs Gesellschaftern an einer weiteren Finanzierung nicht mehr interessiert. Ein weiterer Gesellschafter war bereit, das benötigte Kapital aufzubringen, wenn er die absolute Mehrheit der Stimmen erhielte. Drei weitere Gesellschafter waren bereit, anteilig an der Aufbringung des neuen Kapitals mitzuwirken. Die beiden nicht sanierungswilligen Gesellschafter weigerten sich, ihre Anteile gegen einen Hoffnungswert auf die sanierungswilligen Gesellschafter zu übertragen. Vor diesem Hintergrund drohte die Insolvenz der Gesellschaft.

Restrukturierung des Gesellschafterkreises durch einen Restrukturierungsplan

Die Geschäftsführung ließ sich durch Gesellschafterbeschluss ermächtigen, diverse Restrukturierungs-maßnahmen, darunter auch die Einreichung einer Restrukturierungsanzeige gemäß § 31 StaRUG, vorzunehmen. Dieser Beschluss wurde mit einer Mehrheit der sanierungswilligen Gesellschafter i. H. v. ca. 80 Prozent gefasst.

Am 22.12.2023 reichte die Geschäftsführung eine Restrukturierungsanzeige nebst den notwendigen Unterlagen, insbesondere dem Entwurf eines Restrukturierungsplans sowie einer betriebswirtschaftlichen Anlage hierzu, bei dem zuständigen Restrukturierungsgericht ein.

Der Restrukturierungsplan sah im wesentlichen eine Kapitalherabsetzung auf Null sowie eine sich daran unmittelbar anschließende Kapitalerhöhung bei der Restrukturierungsschuldnerin vor. Das Bezugsrecht war für alle Gesellschafter ausgeschlossen. Die Kapitalerhöhung zeichnete eine Gesellschaft, die die sanierungswilligen Gesellschafter zu diesem Zweck neu gegründet hatten.

Aus der vorgelegten Vergleichsrechnung ergab sich, dass die Gesellschafter der Restrukturierungsschuldnerin im Falle des Alternativszenarios, nämlich einer drohenden Insolvenz, keinerlei Zahlungen auf ihre Geschäftsanteile zu erwarten hätten.

Mit Beschluss vom 23.01.2024 bestellte das Amtsgericht Braunschweig die von der Geschäftsführung der Restrukturierungsschuldnerin vorgeschlagene Rechtsanwältin zur Restrukturierungsbeauftragten und beauftragte diese mit der Prüfung der wirtschaftlichen Lage der Schuldnerin, der Überwachung ihrer Geschäftsführung sowie der Prüfung, ob ein Aufhebungsgrund vorlag. Ferner wies es die Restrukturierungsbeauftragte an als Sachverständige zu prüfen:

  • ob die Schuldnerin nicht drohend zahlungsunfähig war (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG)
  • ob das dem Plan zugrundeliegende Restrukturierungskonzept unschlüssig war oder Umstände vorlagen, aus denen sich ergab, dass das eingereichte Konzept nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ausging oder keine begründete Aussicht auf Erfolg vermittelte (§ 63 Abs. 2 S. 1 StaRUG)
  • ob die vom Plan betroffenen Gesellschafter durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich schlechter gestellt würden, als sie ohne den Plan stünden (§ 64 StaRUG).

Am 05.02.2024 legte die Sanierungsbeauftragte ihr Gutachten vor. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass Versagungsgründe, die einer Bestätigung des Sanierungsplans durch das Gericht entgegenstünden, nicht vorlagen und die Vergleichsrechnung der Restrukturierungsschuldnerin, wonach die Geschäftsanteile der Gesellschafter der Restrukturierungsschuldnerin im Falle eines Alternativszenarios wertlos verfallen würden, plausibel war.

 Am 05.03.2024 fand der Termin zur Erörterung des Restrukturierungsplans und der Abstimmung über den Restrukturierungsplan statt. Darin stimmten die sanierungswilligen Gesellschafter für den Plan, einer der nicht sanierungswilligen Gesellschafter stimmte gegen den Plan und der andere nicht sanierungswillige Gesellschafter war nicht erschienen. Damit war die erforderliche Mehrheit von mindestens 75 Prozent aller Stimmrechte der Gesellschafter erreicht.

Daraufhin bestätigte das Restrukturierungsgericht mit Beschluss vom 14.03.2024 den Restrukturierungsplan und erteilte am 19.03.2024 den Rechtskraftvermerk.

Die erforderliche Eintragung der Kapitalherabsetzung sowie der Kapitalerhöhung im Handelsregister erfolgte am 26.04.2024. Damit war die Restrukturierungsmaßnahme abgeschlossen.

Fazit: Restrukturierungsplan kann zur Neuordnung des Gesellschafterkreis eingesetzt werden

Durch das StaRUG wird Gesellschaftern einer insolvenzbedrohten Gesellschaft weitgehend die Möglichkeit genommen, durch missbräuchliche Ausnutzung ihrer formalen Rechtsstellung aus wertlos geworden Geschäftsanteilen zulasten ihrer Mitgesellschafter oder der Gläubiger der Gesellschaft noch Kapital zu schlagen. In einer solchen Situation ist der Restrukturierungsplan daher sowohl für sanierungswillige Gesellschafter als auch für Gläubiger der betreffenden Gesellschaft ein wertvolles Restrukturierungswerkzeug.

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Dr. Jasper Stahlschmidt

Über den Autor

Geschäftsführer, Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht Dr. Jasper Stahlschmidt

Jochen Rechtmann

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Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Jochen Rechtmann

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