Sicherungsrechte im StaRUG – die „anderweitige Vereinbarung“ nach § 54 Abs.2 StaRUG

Gemäß § 54 Abs.2 StaRUG ist der Schuldner verpflichtet, die Erlöse aus Sicherungsrechten an den Berechtigten auszukehren oder unterscheidbar zu verwahren, es sei denn, zwischen den Beteiligten wurde Abweichendes vereinbart. Mit dem folgenden Beitrag soll auf den Inhalt und die Ausgestaltung einer solchen Vereinbarung eingegangen werden.

  1. Gesetzeswortlaut

§ 54 Folgen der Verwertungssperre 

(1)

(2) Zieht der Schuldner nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen mit dem Berechtigten Forderungen ein, die zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten sind, oder veräußert oder verarbeitet er bewegliche Sachen, an denen Rechte bestehen, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Aus- oder Absonderungsrechte geltend gemacht werden könnten, sind die dabei erzielten Erlöse an den Berechtigten auszukehren oder unterscheidbar zu verwahren, es sei denn, der Schuldner trifft mit dem Berechtigten eine anderweitige Vereinbarung.  

  1. Ausgangssituation

Das StaRUG hat die Stabilisierungsanordnung nach § 49 Abs. 1 StaRUG dem § 21 Abs. 2 Nrn. 3 und 5 InsO nachgebildet. Demnach werden (i) Maßnahmen der Zwangsvollstreckung untersagt oder eingestellt und (ii) Gegenstände, an denen im Fall eines Insolvenzverfahrens ein Aus- oder Absonderungsrecht bestehen würde (Absonderungsanwartschaftsrecht), dürfen nicht durchgesetzt werden und können zur Fortführung des Unternehmens eingesetzt werden.

  1. Erforderlichkeit der Stabilisierungsanordnung in Form der Verwertungssperre nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG

Der Schuldner benötigt Verwertungssperre insbesondere dann, wenn ein Gläubiger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Verwertungsreife eines Sicherungsrechtes herbeiführen wird bzw. herbeigeführt hat, z.B. durch außerordentliche Kündigung eines Kreditverhältnisses aus Gründen, die nicht in der Einleitung des StaRUG Verfahrens liegen dürfen (§ 44 Abs. 1 StaRUG).

Rein vorsorglich ist die Beantragung nicht zu empfehlen, da die Rechtsfolgen der Stabilisierungsanordnung die Restrukturierung aufgrund ihrer Rechtsfolgen behindern kann. Da die Verfügungsermächtigung bei Sicherungsrechten am Umlaufvermögen nicht automatisch mit Beantragung des StaRUG-Verfahrens erlischt, sollte abgewartet werden, wie die Gläubiger auf die Verfahrensanordnung reagieren, soweit die wesentlichen Gläubiger, insbesondere die am Umlaufvermögen gesicherten Kreditinstitute, nicht im Vorfeld bereits über das Verfahren informiert wurden und dieses unterstützen.

  1. Die Rechtsfolge des § 54 Abs. 2 StaRUG

Nach Anordnung der Verwertungssperre hat der Schuldner drei Optionen. Er kann die Verwertungserlöse separieren, an den Berechtigten auskehren oder eine anderweitige Vereinbarung mit diesem schließen.

a) Separierung bzw. Auskehr

Im Rahmen der Separierung sollten die Erlöse auf einem vom Vermögen des Schuldners getrennten Konto verwahrt werden, welches als offenes Treuhandkonto auf den Namen des/der Berechtigten lautet. In der Praxis ist noch nicht geklärt, ob es sich bei dem Treuhandverhältnis um eine Vereinbarung einer doppelnützigen Treuhand handeln muss, die den Berechtigten als Drittbegünstigten auch im Falle einer Insolvenz des Schuldners durch eine gesonderte Sicherungstreuhand schützt.

Die Auskehr von Erlösen wird die Ausnahme darstellen, da sich die Berechnung der Höhe der Erlöse aus Sicherungsrechten des Gläubigers, dem die Verwertungssperre gilt, in der Praxis als schwierig herausstellen wird.

b) Betrag der Separierung bzw. Auskehr

Es wird in jedem Einzelfall zu klären sein, welcher Betrag für einen Berechtigten separiert werden muss bzw. an ihn auszukehren ist. Dies liegt schlicht an dem Umstand, dass sich Sicherungsrechte an Forderungen, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, unfertigen und fertigen Erzeugnissen und Waren nicht immer einer Person zuordnen lassen, sondern insbesondere im verarbeitenden Gewerbe, anteilig den Lieferanten zuzurechnen sind. Falls diese aber nicht Adressat der Verwertungssperre sind, müssen die Gegenwerte der Lieferantenrechte auch nicht separiert bzw. ausgekehrt werden. Dies wird zu spannenden, aber auch zeitaufwendigen Diskussionen führen.

Die Bewertung des Umlaufvermögens wird voraussichtlich zum Zeitpunkt der Anordnung der Verwertungssperre auf Grundlage der Fortführungswerte erfolgen. Dabei erscheint es naheliegend, wenn die Forderungen nominal bewertet werden, die Lagerbestände aber zum Buchwert (alternativ durch Bewertungsgutachten) ihres aktuellen Bearbeitungsstandes. Der Erlös für ein unfertiges Erzeugnis, welches im Zeitpunkt der Anordnung dem Lager zur Fertigstellung entnommen wird, müsste dann erst bei Verkauf separiert werden; und zwar nicht in Höhe des Verkaufspreises, sondern in Höhe des Wertes bei Entnahme aus dem Lager zwecks Fertigstellung.

Aus Sicht des Schuldners eine Separierung bzw. Auskehr rechtlich korrekt durchzuführen, ist faktisch nahezu unmöglich und wird dazu führen, dass Schuldner vorsichtshalber (zu viel) separieren und von einer Auskehr absehen werden, es sei denn, die dem Berechtigten zustehenden Erlöse lassen sich zweifelsfrei feststellen. Eine Vereinbarung über die Abgrenzung der Sicherungsrechte zwischen den verschiedenen potenziellen Inhabern der Sicherungsrechte (inkl. Aussonderungsrechte) wird immer erforderlich werden. Im Falle eines Verstoßes gegen die Separierungs- und Auskehrverpflichtung haften die Geschäftsführer nach § 57 S. 3 StaRUG den Berechtigten gegenüber auf Schadensersatz.

c) Die anderweitige Vereinbarung

Somit ist im Falle einer Verwertungssperre in den meisten Fällen die „anderweitige Vereinbarung“ iSd. § 54 Abs. 2 StaRUG abzuschließen, die von den Parteien unterschiedlich ausgestaltet werden kann. In der Literatur ist bereits die Rede von dem „unechten“ Restrukturierungskredit, der dem Konzept des „unechten“ Massekredits im Insolvenzverfahren nachempfunden sein soll.

aa. „Unechter“ Restrukturierungskredit

Die rechtliche Darstellbarkeit eines „unechten“ Restrukturierungskredits soll nicht in Abrede gestellt werden. Allerdings macht es, anders als in einem Insolvenzverfahren, wenig Sinn, eine Kreditforderung durch eine gleichrangige Kreditforderung zu tauschen. Nichts anderes wäre aber der „unechte“ Restrukturierungskredit, da dieser die Erlöse aus eingezogenen Sicherungsrechten zu Gunsten des Berechtigten kreditieren würde. Anders als in einem Insolvenzverfahren gibt es aber außerinsolvenzlich keine Möglichkeit der Begründung einer vorrangigen Verbindlichkeit. Gerade dies ist aber bei einem „unechten“ Massekredit der eigentliche Vorteil, da der Rückzahlungsanspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorrangig als Masseverbindlichkeit nach § 55 InsO zu bedienen ist und auch neu (anfechtungsfest) besichert werden kann.

Dieser Vorteil fehlt in einem StaRUG-Verfahren, da die kreditierten Erlöse in einer Insolvenz ebenso eine einfache Insolvenzforderung darstellen würden, wie die ursprünglich gesicherte Forderung. Der Berechtigte iSd. § 54 StaRUG erhält durch die Kreditierung nicht mehr als ohne, da die Erlöse aus den Sicherungsrechten nach Kreditierung mit der ursprünglich gesicherten Forderung (spätestens im Falle der Zahlung auf den kreditierten Erlös) verrechnet werden müssen. Gleichzeitig sollen neu entstehende Sicherungsrechte die kreditierte Forderung sichern, was aber nur durch eine Anpassung der Sicherungszweckerklärungen möglich sein wird.
Eine komplexe Art der Darstellung, deren Mehrwert, auch mit Blick auf alternative Optionen, nicht offensichtlich ist.

bb. Fortführung der Besicherung

Alternativ kann auch einfach die rollierende Besicherung (in Form einer Globalzession oder Raumsicherungsübereignung) aufrechterhalten werden und weiterhin die ursprüngliche Forderung sichern. Das Anfechtungsrisiko kann der Berechtigte (wie auch bei dem „unechten“ Restrukturierungskredit) nicht vermeiden, da sich dieses bei allen optionalen Darstellungsarten dann realisiert, wenn sich die auf das jeweilige Sicherungsgut anwendbaren Anfechtungstatbestände der §§ 129 ff. InsO verwirklichen. Dies kann der Berechtigte nur beschränken, indem er den Zahlungsstatus durch Vorlage der Liquiditätsplanung regelmäßig kontrolliert und notfalls die Separierung verlangt, womit das StaRUG Verfahren wahrscheinlich auch scheitern würde. In jedem Fall ist diese Art der Darstellung einfacher als die Implementierung eines „unechten“ Restrukturierungskredits.

cc. Treuhandlösung

Wenn man sich vor Augen führt, was der Berechtigte i.S.d. § 54 Abs. 2 StaRUG vermeiden möchte, erscheint eine dritte Art der Vereinbarung möglich, die ebenfalls komplex in der Darstellung ist, dem Berechtigten aber den Status quo sichert, den er bei Anordnung der Verwertungssperre innehatte. In Betracht kommt eine Kombination aus Separierung und anschließender Ausschüttung, die in Abhängigkeit zu den neu bestellten Sicherungsrechten und Liquiditätsbedarf erfolgt. Die Summe aus separiertem Erlös und neu bestellten Sicherungsrechten muss immer dem Betrag entsprechen, der dem Stand bei Anordnung der Verwertungssperre entsprach.

Die Ausgestaltung der vertraglichen Darstellung obliegt dabei dem Sicherheitsbedürfnis des Berechtigten auf der einen und dem Liquiditätsbedarf des Schuldners auf der anderen Seite. Dabei muss berücksichtigt werden, in welchem Umfang dem Berechtigten die Erlöse aus den Sicherungsrechten in Abgrenzung zu anderen Sicherungsgläubigern zustehen.

  1. Fazit

Die beste Lösung für den Schuldner ist zweifelsfrei die Vermeidung der Anordnung einer Verwertungssperre durch die Ansprache der am Umlaufvermögen gesicherten Gläubiger bereits in der Vorbereitungsphase des Verfahrens nach dem StaRUG. Das Störpotenzial dieser Gläubiger kann erheblich sein, da die Verfügungsermächtigung über das Umlaufvermögen direkte Auswirkungen auf die Liquiditätsplanung hat. In vielen Fällen wird durch ein sauber aufgesetztes Monitoring der Sicherungsrechte, eventuell mit einer präventiven freiwilligen Vereinbarung zwischen den Parteien, die Anordnung einer Verwertungssperre verhindert werden können.

Sollte eine Verwertungssperre nicht vermieden werden können, sind sofort die Auswirkungen auf die Liquiditätsplanung zu prüfen. Eine Vereinbarung mit dem Berechtigten muss schnellstmöglich geschlossen werden, um die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes zu gewährleisten. Dabei müssen eventuelle Drittrechte, z.B. von Lieferanten, berücksichtigt werden.

Wenn möglich sollten Lieferanten durch Einzelansprache überzeugt werden, ihre Sicherungsrechte nicht auch geltend zu machen, da durch die Anzahl der von einer Verwertungssperre betroffenen Gläubiger auch die Komplexität steigt und eine zügige Lösung nur schwer zu erreichen wird.

Daniel Trowski, Partner, Rechtsanwalt

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