Staatliche Finanzhilfen und ihre (Un-)Pfändbarkeit

Die finanzielle Unterstützung durch den Staat spielte in den vergangenen Jahren eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Herausforderungen. Insbesondere die Corona-Pandemie und steigende Energiekosten führten zu einer Vielzahl von staatlichen Hilfsprogrammen für Unternehmen und Arbeitnehmer. Während diese Hilfen in erster Linie zur Existenzsicherung dienten, stellte sich in der Praxis häufig die Frage der Pfändbarkeit – ein Thema, das insbesondere Insolvenzverwalter vor komplexe rechtliche Herausforderungen stellte. Sind staatliche Finanzhilfen unpfändbar oder nicht? Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die in der Insolvenzverwaltung besonders relevanten staatlichen Sonderzahlungen der Jahre 2020 bis 2023 und deren (Un-)Pfändbarkeit.

1. Finanzielle Hilfen in Krisenzeiten – pfändbar oder nicht?

Nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie Ende 2019 wurden im März 2020 von der Regierung einschneidende Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie angeordnet, die das öffentliche Leben nachhaltig verändert haben. So wurden etwa Kontaktverbote im privaten Bereich, Verbote von Kultur- und Freizeitveranstaltungen, Schulschließungen etc. angeordnet. Gleichzeitig wurde durch den Einsatz staatlicher Mittel versucht, die Folgen für Unternehmen und Arbeitnehmer abzufedern. Darüber hinaus wurden aufgrund der gestiegenen Energiekosten im Jahr 2022 staatliche Finanzhilfen, insbesondere für Arbeitnehmer, auf den Weg gebracht.

Nachfolgend sollen beispielhaft die in der Praxis der Insolvenzverwalterbüros in den Jahren 2020 bis 2023 besonders relevanten staatlichen Sonderzahlungen und deren (Un-)Pfändbarkeit betrachtet werden.

2. Staatliche Hilfsmaßnahmen im Überblick – (Un-)Pfändbarkeit in der Praxis

Im Folgenden werden die staatlichen Corona-Hilfszahlungen, die im Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuerhilfegesetze I – IV) verortet sind, überblicksartig mit dem Fokus auf die für die Insolvenzverwalterbüros relevanten Gelder dargestellt:

a. Corona-Soforthilfe – Unpfändbarer Rettungsschirm für Selbstständige?

03/2020 „Soforthilfe“ für Soloselbständige, Freiberufler und kleine Unternehmen bis zu zehn Mitarbeitern; Einmalzahlung von 9.000,00 € bzw. 15.000,00 €.

Bei der Corona-Soforthilfe handelt es sich nach dem Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 10.03.2021 – VII ZB 24/20, um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbare Forderung. Zur Begründung wird auf den Sinn und Zweck der Corona-Soforthilfen, mithin die Milderung der finanziellen Notlage der betroffenen Unternehmen bzw. Selbstständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verwiesen.

b. Überbrückungshilfen I – IV: Schutz vor Insolvenz oder pfändbares Vermögen?

04/2020 – 06/2022 Überbrückungshilfe I – IV, branchenoffene Zuschussprogramme für alle Unternehmen unabhängig von der Mitarbeiterzahl, aber mit einem Jahresumsatz 2020 nicht höher als 750 Mio. €; maximal 50.000,00 € / Monat.

Bei der Corona-Überbrückungshilfe III handelt es sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, Beschluss vom 16.08.2023 – VII ZB 64/21, um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 399 1. Alt. BGB nicht pfändbare Forderung. Die Unpfändbarkeit setzt sich jedoch nach Überweisung nicht an der Gutschrift auf einem regulären Girokonto des Schuldners fort. Für den Schuldner als natürliche Person besteht der Pfändungsschutz beim Zahlungseingang auf dem Pfändungsschutzkonto weiter, Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetzes vom 22.11.2020, in Kraft getreten per 01.12.2021, § 902 Satz 1 Nr. 6 ZPO und § 906 Abs. 2 ZPO. Gegebenenfalls ist ein Antrag auf Erhöhung des Sockelfreibetrages zu stellen. Ist der Schuldner eine juristische Person kann er sich nicht auf die analoge Anwendung berufen; ihm steht lediglich im Einzelfall bei einer gegen die guten Sitten verstoßenden unzumutbaren Härte Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO zu.

c. Neustarthilfe für Soloselbstständige: Einzelfallprüfung erforderlich

Neustarthilfe für Soloselbständige, die in der Zeit vom 01.02. bis 01.06.2021 keine oder nur sehr geringe Umsätze in Folge der Corona-Pandemie erzielten; Einmalzahlung von bis zu 7.500,00 €.

Grundsätzlich kann bei der Neustarthilfe ein Pfändungsschutz aufgrund der Zweckbindung (Sicherung der wirtschaftlichen Existenz durch Kompensation des Umsatzausfalls) bestehen. Ob im Einzelfall eine Unpfändbarkeit vorliegt, muss durch das zuständige Vollstreckungsgericht festgestellt werden, Bundesministerium der Finanzen, Neustarthilfe 2022 6.4.

3. Energiepreispauschale: Uneinheitliche Rechtsprechung zur Pfändbarkeit

Mit dem Steuerentlastungsgesetz 2022 vom 23.05.2022 wurde in den §§ 112 bis 122 EStG für einkommensteuerpflichtig Beschäftigte die Energiepreispauschale (EPP) als Einmalzahlung in Höhe von 300,00 €, § 112 EStG, eingeführt, um weitere Härten durch gestiegene Energiepreise abzumildern. § 122 S. 2 EStG regelt, dass die EPP in Höhe des in § 112 Abs. 2 EStG genannten Betrags unpfändbar ist. Zwar war die EPP nicht als Arbeitseinkommen pfändbar, allerdings stellte sich die Frage der Pfändbarkeit als Steuererstattung. Die Instanzengerichte positionierten sich unterschiedlich; eine höchstrichterliche Entscheidung blieb aus:

Das Amtsgericht Norderstedt, Beschluss vom 15.09.2022 – 6 IN 90/19, das Amtsgericht Wolfratshausen, Beschluss vom 20.10.2022 – IK 130/21, und das Amtsgericht Aschaffenburg, Beschluss vom. 07.11.2022 – 654 IK 298/21 befürworten die Pfändbarkeit in Ermangelung einer Zweckbindung bzw. weil nach § 120 Abs. 1 S. 1 EStG die AO für Steuervergütungen analog anzuwenden ist und gemäß § 46 Abs. 1 AO Steuervergütungen pfändbar sind.

Demgegenüber vertritt das Amtsgericht Lüneburg, Beschluss vom 15.09.2022 – 46 IK 75/18, die Auffassung, dass die EPP generell gemäß § 765a ZPO unpfändbar ist. Zur Begründung wird auf den „Sinn und Zweck des § 765a ZPO verwiesen, wonach eine Existenzgefährdung des Schuldners vermieden werden soll.

Ein Pfändungsschutz gemäß § 765a ZPO kann nach – übergeordneter – Auffassung aller Gerichte wohl im Einzelfall in Betracht kommen, wenn der Vollstreckungszugriff eine Härte bedeutet, die den guten Sitten widerspricht.

Die Regelungslücke zur Unpfändbarkeit für einkommensteuerpflichtig Beschäftigte, welche für Rentner durch das RentEPPG sowie für Versorgungsempfänger des Bundes durch das VEPPGewG geschlossen wurde, führte in der Insolvenzpraxis zu nicht unerheblichem Aufwand.

4. Inflationsausgleichsprämie: BGH-Entscheidung zur Pfändbarkeit

Nachdem die Vorinstanzen die Frage der (Un-)Pfändbarkeit der Inflationsausgleichsprämie (IAP) unterschiedlich beurteilt hatten, stellte der BGH mit Beschluss vom 25.04.2024 – IX ZB 55/23, fast 1,5 Jahre nach deren Einführung klar, dass es sich bei der steuer- und sozialabgabenfreien IAP in Höhe von maximal 3.000,00 € als freiwillige Zahlung des Arbeitgebers um pfändbares Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 ZPO handelt. Da die ersten Auszahlungen bereits im Oktober 2022 erfolgten, war auch hier die Handhabung in den Insolvenzverwalterbüros mit großen Unsicherheiten behaftet.

5. Fazit: Mehr Rechtssicherheit bei künftigen Finanzhilfen erforderlich

Die staatlichen Finanzhilfen der letzten Jahre waren unverzichtbar, um wirtschaftliche Härten abzufedern. Allerdings zeigte sich in der Praxis, dass die Frage der Pfändbarkeit nicht einheitlich geklärt war und teilweise zu erheblicher Rechtsunsicherheit führte. Während für einige Zahlungen eine eindeutige gesetzliche Unpfändbarkeit bestand, musste in anderen Fällen eine Einzelfallprüfung vorgenommen oder gerichtliche Entscheidungen abgewartet werden. Die unterschiedliche Handhabung, insbesondere bei der Energiepreispauschale und der Inflationsausgleichsprämie, hat gezeigt, dass künftig eine präzisere gesetzliche Regelung erforderlich wäre, um Insolvenzverfahren effizienter zu gestalten und die betroffenen Schuldner und Gläubiger besser zu schützen.

6. Ausblick

In der Rückschau sind schnelle und weitestgehend unbürokratische staatliche Hilfen ein notwendiges positives Signal an Unternehmen und Bevölkerung. Künftig wäre es wünschenswert, wenn der Gesetzgeber bei finanziellen Hilfen die (Un-)Pfändbarkeit unmittelbar im Gesetzestext verortet, um Rechtssicherheit zu schaffen und den Arbeitsaufwand für Beteilige, insbesondere bei den sich damit zu befassenden Gerichten, zu vermeiden.

Über die Autorin

Dipl. Wirtschaftsjuristin (FH) Anja Pelz

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