Studie: Neue Insolvenzordnung steigert Handlungsspielraum für Krisenunternehmen

  • ESUG hat Praxistest bestanden und stärkt Gläubigereinfluss
  • Hürde ist fehlendes Know-how bei Richtern und Beratern

Düsseldorf, 14. September 2012. Die im März 2012 in Kraft getretene Reform des Insolvenzrechts wird den Einfluss von Gläubigern auf Insolvenzverfahren stärken und den Unternehmen mehr Handlungsspielraum bei der Sanierung bringen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der auf Insolvenzrecht spezialisierten Kanzlei Buchalik Brömmekamp, des Insolvenzrechtinstituts DIAI und des IBWF Instituts zum „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)“. An der Umfrage beteiligten sich 90 Gläubiger, Insolvenzverwalter, Richter, Investoren und Berater mit Erfahrungen aus 1029 Insolvenzverfahren des vergangenen Jahres.

Eine Dreiviertelmehrheit erwartet, dass es in Zukunft weniger Liquidations- und mehr Insolvenzplanverfahren gibt. Aufwind erhalten auch die neuen Möglichkeiten der Insolvenzordnung: 40 Prozent der Befragten meinen, dass die vorläufige Eigenverwaltung sehr häufig eingesetzt wird. Vom Schutzschirmverfahren erwarten das 27 Prozent. Dagegen wird der Debt-to-Equity-Swap, die Umwandlung von Gläubigerforderungen in Unternehmensanteile, weiterhin ein Schattendasein führen.

Chancen von Krisenunternehmen steigen

Für ein Krisenunternehmen bietet das ESUG deutliche Vorteile: Die Chancen für eine erfolgreiche Sanierung (59 %), die Planungssicherheit des Schuldners (59 %) und die Handlungsspielräume bei der Sanierung (62 %) werden nach Expertenmeinung steigen. Als größtes Hindernis für die gesetzgeberisch gewollte Ausweitung des Insolvenzplanverfahrens werden die fehlende Liquidität zur Erstellung eines Insolvenzplans (63 %), das fehlende Know-how bei Beratern (43 %) und Gerichten (48 %) sowie die negativen Vorgaben durch das Arbeits- und Sozialrecht (40 %) angesehen. Das Insolvenzplanverfahren soll Gläubigern höhere und schnellere Auszahlungen sowie mehr Mitbestimmungsrechte sichern gegenüber einer Liquidation.

Handlungsbedarf für Gesetzgeber

Nach Ansicht eines der führenden Insolvenzrechtlers, Prof. Dr. Hans Haarmeyer (DIAI), gibt es weiteren Regelungsbedarf: „Das ESUG ist mit seinem Grundsatz der Stärkung der Gläubigerrechte in der Praxis angekommen. Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren haben den ersten Praxistest erfüllt, allerdings werden noch nicht die sich damit verbindenden erhöhten Anforderungen für das Antragsverfahren beachtet“, so Haarmeyer.

In den vergangenen drei Jahren summierten sich die Forderungen der Gläubiger gegenüber insolventen Unternehmen auf 119 Milliarden Euro. Die Professionalisierung der Verfahrensbeteiligten ist demnach eine berechtigte Forderung. Das Schutzschirmverfahren und die vorläufige Eigenverwaltung, das die Einsetzung eines Sachwalters und die Sanierung in Eigenregie ermöglichen (also Sanierung ohne Insolvenzverwalter), sind nach Ansicht jedes zweiten Experten vielen noch unbekannt und überfordern die Beteiligten. Drei Viertel der Befragten halten deshalb die Einsetzung eines Chief Restructuring Officer (CRO) für notwendig, der das vorhandene Management in einer Sanierung unterstützt.

„Das neue Recht ist komplex und die Vorbereitung einer Eigenverwaltung kompliziert. Die Fehlerquote bei der Antragstellung ist enorm hoch, die meisten bislang gestellten Anträge waren aus formellen Gründen unzulässig. Nur bei sorgfältiger Vorbereitung und ausreichendem zeitlichen Vorlauf ist deshalb die erfolgreiche Durchführung einer Planinsolvenz in Eigenverwaltung gewährleistet“, erklärt der Experte für derartige Verfahren Rechtsanwalt Robert Buchalik von der bb [sozietät].

Sanierungserfahrung ist wichtiges Kriterium für Verwalterauswahl

Die Auswahlkriterien des Insolvenzverwalters/Sachwalters werden von den Berufsgruppen sehr differenziert beurteilt. Alle Gruppen erwarten den Nachweis über die Sanierungserfahrung (69 %) sowie über erfolgreiche Verfahren (53 %). Für den Insolvenzverwalter sind die Kanzleigröße sowie die Bekanntheit zwischen dem Verwalter und dem Großgläubiger ausschlaggebend. Dem Berater ist die Ortsnähe wichtig.

Dr. Gerhard Pape, Richter am Bundesgerichtshof sieht weiteren Handlungsbedarf: „Nach dem Ergebnis der Umfrage ist aus richterlicher Sicht die Unabhängigkeit und die Unbestechlichkeit der Verwalter weiterhin das wichtigste Kriterium für deren Bestellung. Im Übrigen fühlen sich viele der befragten Richter durch das Gesetz überfordert, sodass hinsichtlich der Anwendung große Unsicherheit herrscht.“ Immerhin die Hälfte der Experten benennen fehlendes Know-how bei Insolvenzrichtern als Hürde für erfolgreiche Insolvenzplanverfahren.

Veränderung des Insolvenzverwaltermarktes

Insolvenzverwalter erwarten durch das ESUG eine Konsolidierung der Zahl der Insolvenzverwalter und zeigen hohe Bereitschaft, ihre bisherige Tätigkeit auch neu auszurichten. Insbesondere die Sachwaltertätigkeit sowie die Beratung im Vorfeld nebst einer Kooperation mit Wirtschaftsprüfern, Steuer- und Unternehmensberatern wird deutlich erkennbar.

„Interessant wird die tatsächliche Entwicklung sein. Sind die Ergebnisse der Eigenverwaltung mit Sachwalter besser als die Sanierungsergebnisse der Insolvenzverwalter, dann wird der Markt schrumpfen. Der Sachwalter ist aber nur der Kopilot, der nicht ans Steuer darf. Saniert wird aber letztlich nicht durch Rat, sondern durch Tat. Ein Insolvenzverwalter muss sich also auch gut überlegen, ob eine Sachwaltung seinem Ruf als „Macher“ nützt“, so Insolvenzverwalter Michael Pluta.

Die Studie wird auf dem 1. Deutschen Gläubigerkongress am 20. September 2012 in Köln vorgestellt.

Studie: die neue Insolvenzordnung

Download der Studie Einführung des ESUG

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