Vollbeendigung einer Personengesellschaft: Auswirkungen auf ein Insolvenzverfahren
Das deutsche Gesellschaftsrecht kennt keine Personengesellschaften mit nur einem Gesellschafter. Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus, wird die Personengesellschaft vollbeendet. Es findet keine Liquidation statt. Das Vermögen der Gesellschaft – inklusive deren Verbindlichkeiten – geht auf den verbleibenden Gesellschafter über.
Das deutsche Insolvenzrecht regelt jedoch nicht ausdrücklich, welche Auswirkungen das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters auf ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Personengesellschaft hat.
Mit dieser Frage musste sich kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH) auseinandersetzen. In seinem Urteil vom 06.03.2025, Az. IX ZR 234/23, entschied der BGH, dass in einem solchen Fall ein ein sogenanntes Partikularinsolvenzverfahren möglich ist, das sich auf das Vermögen beschränkt, das dem letzten Gesellschafter infolge des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters angewachsen ist.
Sachverhalt im entschiedenen Fall
Im Mai 2018 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH & Co. KG eröffnet. Das Insolvenzgericht ging bei der Eröffnung davon aus, dass die Insolvenzschuldnerin zwei Gesellschafterinnen hatte: eine deutsche GmbH als Komplementärin und eine Schweizer AG als Kommanditistin. Erst nach der Eröffnung des Verfahrens stellte sich heraus, dass die AG bereits im Februar 2017 wegen Vermögenslosigkeit aus dem Schweizer Handelsregister gelöscht worden war. Daraufhin beschloss das Insolvenzgericht im März 2020, dass es sich bei der Verfahrenseröffnung „um die Eröffnung eines Sonderinsolvenzverfahrens analog den §§ 315 ff. InsO über das Vermögen der durch das Ausscheiden der einzigen Kommanditistin liquidationslos erloschenen“ GmbH & Co. KG handele, „welches sich aufgrund von Anwachsung in der Trägerschaft deren einziger Komplementärin“ befinde.
Der Bundesgerichtshof durfte sich mit der Wirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses sowie der Frage der Zulässigkeit des Partikularinsolvenzverfahrens befassen, da der bestellte Insolvenzverwalter Zahlungsansprüche gerichtlich geltend machte und sich die Beklagte u. a. damit verteidigte, dass der Insolvenzverwalter nicht aktivlegitimiert sei. Das OLG Hamburg wies die Klage des Insolvenzverwalters in der Berufungsinstanz ab. Es hielt die Insolvenzeröffnung und folglich auch die Bestellung des Insolvenzverwalters für nichtig, weil die Schuldnerin mit dem Ausscheiden ihrer Kommanditistin bereits beendet worden war.
Entscheidung
Der BGH hat dies anders gesehen und dabei zwei wichtige Aussagen getroffen, die auch auf andere Fälle anwendbar sind:
- Erstens hat der BGH ausgeführt, dass der rechtskräftige Beschluss über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vom Prozessgericht als gültig hinzunehmen sei, wenn ihm kein offenkundiger, schwerer Fehler anhafte, der zur Unwirksamkeit des Beschlusses führe. Wegen der grundlegenden Bedeutung des die Eröffnung anordnenden Beschlusses für das Insolvenzverfahren sei dieser nach Ansicht des BGH schon aus Gründen der Rechtssicherheit nur „außerordentlich selten“ als nichtig zu behandeln, hauptsächlich dann, wenn bereits äußerlich ein für eine richterliche Entscheidung wesentliches Merkmal, etwa die erforderliche Unterschrift, fehlt.
- Zweitens hat der BGH entschieden, dass ein Partikularinsolvenzverfahren über das Gesellschaftsvermögen möglich sei, wenn es infolge des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters einer Personengesellschaft und der dadurch bedingten liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft zu einem Übergang des Gesellschaftsvermögens auf den letzten Gesellschafter kommt. Insolvenzschuldner sei dann zwar der letzte Gesellschafter, auf den das Gesellschaftsvermögen übergegangen ist, das Verfahren beschränke sich aber auf das (frühere) Gesellschaftsvermögen.
Dies gelte auch dann, wenn der verbleibende Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unbeschränkt mit seinem persönlichen Vermögen haftet. Ein auf das Gesellschaftsvermögen beschränktes Insolvenzverfahren bewirke den Ausschluss der persönlichen Gläubiger des verbliebenen Gesellschafters und diene damit dem Schutz der Gläubiger der Gesellschaft. Der BGH hat insoweit mit der Rechtslage im Nachlassinsolvenzverfahren argumentiert, bei dem die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens nach § 316 Abs. 1 InsO der unbeschränkten Erbenhaftung nicht entgegensteht.
Schließlich hat der BGH entschieden, dass auch die Tatsache, dass der ursprüngliche Eröffnungsbeschluss die nicht mehr existente Schuldnerin als Trägerin des erfassten Vermögens benennt, seiner Wirksamkeit nicht entgegenstehe. Der BGH hat auch hier mit dem Nachlassinsolvenzverfahren argumentiert. Für dieses ist anerkannt, dass der Tod des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne Weiteres eine Überleitung des bisherigen Insolvenzverfahrens in das Nachlassinsolvenzverfahren bewirkt und das in Unkenntnis des Todes eröffnete Insolvenzverfahren als von Anfang an wirksam eröffnetes Nachlassinsolvenzverfahren anzusehen ist. Aufgrund der vergleichbaren Interessenlage muss das auch dann gelten, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer unbemerkt bereits vollbeendeten Gesellschaft eröffnet wird. Laut BGH handele es sich dann um ein von Anfang an wirksames Partikularinsolvenzverfahren über das Gesellschaftsvermögen in der Trägerschaft des verbliebenen Gesellschafters.
Bedeutung für die Praxis: Vollbeendigung und Insolvenzverfahren
Die Argumentation des BGH ist überzeugend und das Urteil schafft mehr Rechtssicherheit. Die vom BGH formulierten Grundsätze gelten für alle Eröffnungsbeschlüsse und für alle Personengesellschaften – also nicht nur für die Kommanditgesellschaften, sondern auch für Gesellschaften bürgerlichen Rechts und offene Handelsgesellschaften und unabhängig davon, ob der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich haftet. Da die Anwachsung durch das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters bei natürlichen Personen unerwartet auch durch den Tod des Gesellschafters erfolgen kann, ist das Urteil praxisrelevant.
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