10 Jahre ESUG – Die Erfolgsgeschichte der Eigenverwaltung und des Schutzschirmverfahrens

10 Jahre ESUG

I. Aktuelle Bestandsaufnahme nach 10 Jahren ESUG

Die Neuregelungen der Eigenverwaltung und des Schutzschirmverfahrens (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen − ESUG) vor 10 Jahren haben die Sanierungsmöglichkeiten von Unternehmen deutlich erhöht. Vor dem Inkrafttreten des ESUG spielte die Unternehmenssanierung durch einen Insolvenzplan praktisch keine Rolle − obwohl dieses Instrument grundsätzlich auch in der Regelinsolvenz einsetzbar war. Inzwischen werden jedoch viele mittelständische bis große Unternehmen mittels eines Insolvenzplans saniert. Neben den in der Öffentlichkeit bekannten Unternehmen wie GaleriaKaufhof haben auch eine Vielzahl kleinerer Unternehmen diese Sanierungsmöglichkeit unter dem Schutz des Insolvenzrechts genutzt. Laut den neuesten Statistiken werden ab einer gewissen Größenordnung fast 50 Prozent dieser Verfahren auch in Eigenverwaltung durchgeführt. Die Eigenverwaltung, bei der die Geschäftsführung weiterhin handlungsbefugt ist und deren Know-how damit auch weiter genutzt werden kann, hat die klassische Insolvenz, die durch einen Insolvenzverwalter als „Regelinsolvenzverfahren“ durchgeführt wird, abgelöst. Durch zahlreiche Praxisfälle und deren mediale Präsenz ist dieses Sanierungsinstrument bei den betroffenen Unternehmern und deren Gläubigern auch kein unbekanntes Terrain mehr. Dies stellte sich in den Anfangsjahren des ESUG ganz anders dar.

II. Bisherige Erfahrungen unserer Kanzlei aus über 200 begleiteten Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung

Neben den Unsicherheiten und Vorbehalten bei den betroffenen Unternehmern und Gläubigern musste die Eigenverwaltung anfangs auch mit Unsicherheiten infolge von Regelungslücken durch den Gesetzgeber umgehen. Neben den üblichen operativen Sanierungsthemen waren viele rechtliche Fragen zu klären: Kann man bei der vorläufigen Eigenverwaltung zur Absicherung der Geschäftspartner bei der Fortführung des Geschäftsbetriebes Masseverbindlichkeiten begründen? Wie geht man angesichts des persönlichen Haftungsrisikos der Geschäftsführung mit fälligen Sozialversicherungsbeiträgen während der vorläufigen Eigenverwaltung um, die man aus insolvenzrechtlichen Gründen eigentlich nicht zahlen darf? Wie sind fällige Steuerverbindlichkeiten während der vorläufigen Eigenverwaltung zu bewerten? Diese Fragen, die anfangs völlig offen waren, sind zwischenzeitlich geklärt. Die Lücken sind im Rahmen der Rechtsfortbildung durch wichtige Entscheidungen der Insolvenzgerichte und deren Instanzengerichte geschlossen worden. In vielen Fällen sind sie bei späteren Gesetzesänderungen mit eingeflossen. Gerade das Insolvenzrecht stellt sich vor dem Hintergrund als „case law“ dar. Sicher werden wir auch im neuen Sanierungsrecht (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz − StaRUG) eine ähnliche Entwicklung beobachten.

Inzwischen kann man in den meisten Fällen auch vor der „Scharfschaltung“, also der Einreichung des Insolvenzantrages, ein Vorgespräch mit dem zuständigen Insolvenzgericht führen. Dies war in den Anfangszeiten des ESUG alles andere als selbstverständlich. Damit können schon im Vorfeld mögliche Fragen zur künftigen Beschlussfassung geklärt und etwaige Hindernisse ausgeräumt werden. Dieser Vorteil einer „geordneten Insolvenz“, die durch entsprechende Kommunikationskonzepte und Maßnahmen flankiert wird, ist nicht zu unterschätzen.

III. Bewertung der seit 2021 geltenden Änderungen der Eigenverwaltung

Auch der Gesetzgeber hat im Rahmen der Evaluierung der durchgeführten Eigenverwaltungsverfahren insgesamt ein positives Resümee gezogen. Allerdings hat er einige Nachbesserungen und Neujustierungen vorgenommen, die seit dem Jahr 2021 gelten. Zusammenfassend erweiterte er den Ermessensspielraum des Gerichts im Hinblick auf die Anordnung der Eigenverwaltung, wenn sich das Unternehmen zum Zeitpunkt der Antragstellung schon tiefer in der Krise befindet. So muss nun beispielsweise bei Einreichung des Eigenverwaltungsantrags eine Liquiditätsplanung über sechs Monate eingereicht werden. Einige Insolvenzrichter sagen hierzu, dass die insoweit ergänzten Eintrittshürden für die Eigenverwaltung gar nicht unbedingt so neu seien, denn auch schon vor dieser Gesetzesänderung haben viele Insolvenzgerichte genau diese Angaben vor der Anordnung der (vorläufigen) Eigenverwaltung angefordert. Genau dies ist auch unsere Erfahrung mit den bisher durchgeführten und begleiteten Sanierungsverfahren.

Somit hat sich im Vergleich zur Rechtslage zuvor gar nicht so viel geändert. Es wird allerdings noch deutlicher vom Gesetzgeber hervorgehoben, dass nur der professionell beratene eigenverwaltende Schuldner, der früh genug − also, solange sich die Krise noch nicht vertieft hat – die Initiative ergreift, vom Privileg der Eigenverwaltung profitieren soll.

Genau dies ist der richtige Ansatz. Auch wir müssen in der Praxis leider noch viel zu oft feststellen, dass der Unternehmer oder Geschäftsführer zu spät reagiert. Der I(nsolvenz)- Begriff ist weiter mit einem Makel behaftet. Insofern erscheint es paradox, wenn im Hinblick auf die Eigenverwaltung dem Unternehmer vereinzelt vorgeworfen wird, dass er das Verfahren bewusst und strategisch nutze, um das Unternehmen auf Kosten anderer zu sanieren. Kein Unternehmer bzw. Geschäftsleiter geht freiwillig in ein solches Verfahren und macht es sich bei dieser Entscheidung leicht. Das Gegenteil ist der Fall: Es benötigt in der Beratung sehr viel Überzeugungsarbeit, um die Verantwortlichen von den notwendigen Schritten zu überzeugen.

Insofern ist die Idee des Gesetzgebers genau richtig: Derjenige, der früh reagiert, soll weiterhin durch die Eigenverwaltung Einflussmöglichkeiten erhalten, um die Planungssicherheit und damit auch die Sanierungschancen zu erhöhen. Bei demjenigen, dessen Unternehmenskrise bereits vertieft ist, bleibt nur die klassische Regelinsolvenz.

Wie die Erfolgsgeschichte der „Umweltprämie“ zeigt, gilt es, Anreize und Perspektiven für eine frühzeitige und rechtzeitige Insolvenzantragstellung zu schaffen. Die Wirkung von strafbewehrten Verboten – dies hat sich in der Vergangenheit gezeigt – ist leider nur begrenzt und führt selten zu einer rechtzeitigen Insolvenzantragstellung.

IV. Sanierung 4.0: Das neue Sanierungsrecht

Mit dem neuen Sanierungsrecht (StaRUG) hat der Gesetzgeber dem Unternehmer neben der Pflicht zur Einrichtung eines Krisenfrüherkennungssystems eine weitere Sanierungsmöglichkeit zur Verfügung gestellt.

Wenn der Unternehmer sehr früh reagiert (das Unternehmen muss drohend zahlungsunfähig, darf aber nicht überschuldet sein), kann er sich von einzelnen Verbindlichkeiten befreien, um damit eine drohende Insolvenz zu verhindern. Diese minimal-invasiven Eingriffe können dann auch unter dem Radar seiner sonstigen Geschäftspartner durchgeführt werden. Die fehlende Publizität ist ein erheblicher Vorteil dieses Verfahrens. Mit diesem Instrument kann auch in Gesellschafterrechte eingegriffen werden. Der Fall Suhrkamp wäre zur heutigen Zeit sicher ein StaRUG-Fall geworden. Unsere ersten praktischen Erfahrungen mit dem neuen Sanierungsrecht zeigen aber auch, dass hier viele Themen mit zu berücksichtigen sind. So kann im Fall eines späteren Scheiterns der Weg für eine Sanierung in Eigenverwaltung verbaut sein. Allein schon die Frage, welcher Sanierungsweg eingeleitet wird, sollte daher genau überdacht werden.

Vor dem Hintergrund gilt mehr denn je:

Die Erfolgsaussichten der Sanierung und die Sanierungsspielräume erhöhen sich, wenn

– der Unternehmer frühzeitig handelt und

– der Unternehmer eine professionelle Beratung hinzuzieht, die ihm alle Sanierungsoptionen sowie deren Chancen und Risiken aufzeigt.

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