Insolvenzverschleppung: Risiken, Pflichten und Strafen nach StGB
Die Insolvenzverschleppung ist eine der häufigsten und zugleich folgenschwersten Pflichtverletzungen von Geschäftsleitern. Wer in einer finanziellen Krise nicht rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellt, riskiert neben strafrechtlichen Konsequenzen auch eine persönliche Haftung. Die Folgen reichen von Schadensersatzansprüchen der Gläubiger bis hin zu Freiheitsstrafen.
Dieser Beitrag zeigt auf, wann eine Insolvenzverschleppung vorliegt, welche Strafen drohen und welche Pflichten z. B. Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer haben, um rechtzeitig zu handeln.
- Wann liegt eine Insolvenzverschleppung vor
Eine Insolvenzverschleppung liegt vor, wenn die Geschäftsleitung einer juristischen Person (z. B. GmbH, AG) trotz eingetretener Insolvenzreife den gesetzlich vorgeschriebenen Insolvenzantrag nicht fristgerecht stellt. Nach § 15a Insolvenzordnung (InsO) muss der Antrag unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen bei Zahlungsunfähigkeit bzw. sechs Wochen bei Überschuldung erfolgen.
2. Insolvenzgründe: Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung
Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO)
Ein Unternehmen ist zahlungsunfähig, wenn es nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen. Indikatoren für die Zahlungsunfähigkeit sind:
- Eine Liquiditätslücke von mehr als 10 Prozent, die nicht innerhalb von drei Wochen geschlos-sen werden kann
- Die Einstellung von Zahlungen über einen längeren Zeitraum
- Mahnungen und Vollstreckungsmaßnahmen
Überschuldung (§ 19 InsO)
Eine GmbH oder AG ist überschuldet, wenn das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, es besteht eine positive Fortführungsprognose. Entscheidend ist:
- Eine Überschuldungsbilanz mit Bewertung aller Aktiva und Passiva
- Die Wahrscheinlichkeit der Fortführung des Unternehmens innerhalb der nächsten zwölf Monate
3. Welche Strafen drohen bei Insolvenzverschleppung?
Die Sanktionen für Insolvenzverschleppung sind erheblich:
- Strafrechtliche Konsequenzen: Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe (§ 15a InsO), bei vorsätzlichem Bankrott (§ 283 StGB) sogar bis zu zehn Jahren
- Zivilrechtliche Haftung: Geschäftsführer haften persönlich für alle Zahlungen, die nach Ein-tritt der Insolvenzreife geleistet wurden.
- Berufsrechtliche Folgen: Eintrag in das Führungszeugnis und mögliche Untersagung der Ge-schäftsführungstätigkeit (§ 6 Abs. 2 GmbHG).
4. Wer ist zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet?
Die Pflicht zur Antragstellung trifft:
- Geschäftsführer einer GmbH
- Vorstände einer AG
- Geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH & Co. KG
- Faktische Geschäftsführer, die maßgebliche Entscheidungen treffen
Gesellschafter sind grundsätzlich nicht zur Antragstellung verpflichtet – es sei denn, sie übernehmen faktisch die Geschäftsführung.
5. Was sind die Folgen einer Insolvenzverschleppung?
Neben strafrechtlichen und haftungsrechtlichen Konsequenzen drohen weitere Folgen:
- Gläubigerbenachteiligung: Ein verspäteter Insolvenzantrag mindert die Befriedigungschan-cen der Gläubiger
- Verzögerte Sanierungschancen: Ein früher Insolvenzantrag kann den Spielraum für Sanie-rungsmaßnahmen erhalten
- Reputationsschaden: Eine Insolvenzverschleppung kann langfristige Auswirkungen auf die Zukunft des Unternehmens haben
6. Insolvenzverschleppung vermeiden: Handlungsempfehlungen
Geschäftsführer sollten folgende Maßnahmen ergreifen, um eine Insolvenzverschleppung zu vermeiden:
- Regelmäßiges Finanzcontrolling: Liquiditätsengpässe frühzeitig erkennen
- Rechtliche Beratung: In der Krise zeitnah einen erfahrenen Insolvenzrechtler hinzuziehen
- Sanierungsmaßnahmen prüfen: Eine geordnete Sanierung kann die Insolvenz vermeiden
- Fristgerechter Insolvenzantrag: Rechtzeitiges Handeln reduziert Risiken und eröffnet Sanierungschancen
7. Fazit
Insolvenzverschleppung ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine schwere Pflichtverletzung mit gravierenden straf- und zivilrechtlichen Folgen. Geschäftsführer sollten die Voraussetzungen dafür schaffen, um finanzielle Krisen frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig professionellen Rat einholen. Ein fristgerecht gestellter Insolvenzantrag kann nicht nur rechtliche Konsequenzen vermeiden, sondern auch die Chance auf eine Sanierung wahren.
Benötigen Sie rechtliche Beratung? Unsere Kanzlei berät Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer umfassend zu ihren Pflichten und Handlungsmöglichkeiten in der Unternehmenskrise. Kontaktieren Sie uns für eine vertrauliche Erstberatung.
Häufige Fragen und Antworten zum Thema Insolvenzverschleppung
Was ist es eine Insolvenzverschleppung?
Im Falle einer Insolvenz, sind Geschäftsführer oder gesetzliche Vertreter des Unternehmens verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Geschieht dies bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht oder nicht fristgerecht, handelt es sich um eine Insolvenzverschleppung.
Was tun bei Verdacht auf Insolvenzverschleppung?
Wenn Sie eine Anzeige wegen Insolvenzverschleppung erhalten, sollten Sie sich schnellstmöglich rechtlichen Beistand durch einen mit der Materie vertrauten Rechtsanwalt suchen. Wichtig ist, dass Sie sich nicht zum Tatvorwurf äußern müssen, sondern nur der Ladung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts Folge leisten müssen.
Was droht einem bei Insolvenzverschleppung?
Bei einer Insolvenzverschleppung handelt es sich um eine Straftat, die schwerwiegende strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Laut § 15a InsO kann für den Schuldner eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren Haft verhängt werden. Je nach Schwere des Falls können die Strafen auch höher ausfallen.
Die weitreichenden Konsequenzen sollen dazu führen, dass die Verantwortlichen rechtzeitig einen Antrag auf Insolvenz stellen. Dann kann das Unternehmen das restliche vorhandene Vermögen gerecht unter den Gläubigern aufteilen und es werden keine weiteren Unternehmen in eine Krise manövriert.
Wer haftet bei Insolvenzverschleppung?
Der Geschäftsführer haftet und ist dafür verantwortlich, einen Insolvenzantrag zu stellen. Von der Antragspflicht befreit sind natürliche Personen und Personengesellschaften, wie z.B. OHG, GbR, KG und e.K.
Was ist der Unterschied zwischen einer vorsätzlichen und einer fahrlässigen Insolvenzverschleppung?
Verstößt die Geschäftsführung bewusst und absichtlich gegen die Insolvenzantragspflicht, liegt eine vorsätzliche Insolvenzverschleppung vor. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die finanzielle Unternehmenslage bewusst verschleiert wird oder trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nichts unternommen wird.
Eine fahrlässige Insolvenzverschleppung liegt vor, wenn die Verantwortlichen die Antragspflicht schuldhaft verletzt haben. Ein Grund dafür kann sein, dass sie die wirtschaftliche Lage des Unternehmens falsch eingeschätzt haben, da es keine sorgfältige Dokumentation aller Geschäftsvorgänge gab.
Handelt der Geschäftsführer vorsätzlich, fallen die Strafen in der Regel höher aus, da er die Gläubigerbenachteiligung billigend in Kauf nimmt.
Wer kann die Insolvenzverschleppung anzeigen?
Bei einem begründeten Verdacht der Insolvenzverschleppung haben die Gläubiger die Möglichkeit, den Schuldner bei der Staatsanwaltschaft oder einem Gericht anzuzeigen. Die Anzeige kann sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgen, wobei die mündliche Anzeige zu beurkunden ist (§ 158 StPO).