Branche: Feinblech und Kunststoffprodukte
Standort: Wittlich
Jahr: 2019
Mitarbeiter: 27
ProContur Individuelle Feinblech- und Kunststoffprodukte GmbH
Interview mit Jens Pohlmann, Geschäftsführer der ProContur:
Herr Pohlmann, womit beschäftigt sich Ihr Unternehmen?
Die ProContur Individuelle Feinblech- und Kunststoffprodukte GmbH in Wittlich, konstruiert, produziert und vertreibt Gehäusetechnik aus Feinblech und Kunststoff für elektrotechnische Geräte. Unsere Abnehmer kommen aus vielen Bereichen der Wirtschaft. Eine Abhängigkeit von einzelnen Wirtschaftsbereichen besteht nicht. Wir sind Lösungs-/Systemanbieter für Kunststoff- und Blechgehäuse inklusive der Montage von beweglichen und elektronischen Komponenten. Im Jahr 2011 wurde zunächst der Kunststoffbereich und in 2013 dann der Blechbereich von mir erworben. Im Jahr 2018 wurden beide Unternehmensteile aufeinander verschmolzen.
Haben Sie den Erwerb mit eigenen Mitteln finanziert?
Der Erwerb war mit einer verhältnismäßig hohen Verschuldung bei mehreren Banken und meiner weitgehend persönlichen Haftung als Gesellschafter verbunden.
Was waren die Ursachen, die am Ende zu einer Insolvenz in Eigenverwaltung geführt haben?
Starkes Wachstum mit hohem Liquiditätsbedarf und unerwarteter Umsatzrückgang, insbesondere in den Bereichen Maschinen-/Anlagenbau, Medizintechnik und der Baubranche führten Mitte 2019 in eine Liquiditätskrise. Hinzu kam der hohe Kapitaldienst wegen der enormen Investitionen in der Vergangenheit (ca. drei Mio. € in den letzten vier Jahren zur Realisierung des Wachstums). Eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bestand aber zu keinem Zeitpunkt. Die Kapazitäten konnten auch nicht in der nötigen Geschwindigkeit an die aktuelle Auftragssituation angepasst werden. Die mögliche (drohende) Zahlungsunfähigkeit war deshalb absehbar, da meine Hausbank zunächst nicht bereit war, den Kapitaldienst umzustrukturieren. An sich stand schon die notwendige Finanzierung und auch die grundsätzliche Bereitschaft der Hausbank, diese zu gewähren, aber das änderte sich schlagartig, als sich der Auftragsrückgang abzeichnete und wir in Kurzarbeit gingen.
Wann haben Sie Ihre Hausbank über den möglichen Schritt in eine Eigenverwaltung informiert?
Schon frühzeitig, exakt eine Woche vor dem beabsichtigten Schritt, denn ich bin der Meinung, dass man seine Partner nicht mit einem derartigen Schritt überraschen darf. Vermutlich wäre das als Vertrauensbruch angesehen worden und hätte damit die zukünftige Zusammenarbeit und auch die Unterstützung im Verfahren gefährdet.
Wie hat denn Ihre Hausbank darauf reagiert?
Zunächst verhalten, aber sie hat sofort Unterstützung signalisiert, zumal sie die Kanzlei Buchalik Brömmekamp als kompetenten Berater kannte und signalisierte, dass mein Unternehmen dort gut aufgehoben sei. Das änderte sich aber, als meine Hausbank mit ihrer Dachorganisation gesprochen hatte. Plötzlich wollte man die Insolvenz in Eigenverwaltung unbedingt vermeiden und bot mir jetzt sogar die ursprünglich gewünschte, eigentlich nicht mögliche, Umstrukturierung der Finanzierung an (inkl. Erweiterung der KK-Linie).
Voraussetzung wäre allerdings die Einschaltung eines weiteren Beraters und die Erstellung eines IDW S 6 Gutachtens gewesen. Neben der zusätzlichen Verschuldung für neue Kredite, wären mit der Einschaltung des Beraters und den damit verbundenen Kosten eine weitere deutliche Verschuldung einhergegangen. Deshalb hatte ich schon vorher nach Alternativen gesucht. Mein Berater, Robert Buchalik, hat mir die Möglichkeiten einer Entschuldung auch im privaten Bereich (bedingt durch die Bürgschaften für die Firmenkredite) durch eine Insolvenz in Eigenverwaltung aufgezeigt und eine deutlich höhere Zukunftsfähigkeit des Unternehmens bei Beschreitung dieses Weges prognostiziert.
Ist Ihnen der Schritt in eine Insolvenz in Eigenverwaltung leichtgefallen?
Auf keinen Fall. Mein persönliches Ego stellte sich mir sehr deutlich „in den Weg“. Die positiven Effekte für das Unternehmen waren schnell identifiziert, trotzdem benötigte ich fast zwei Wochen um zu einer Entscheidung zu gelangen. Für mich war die Insolvenz, auch ein Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung, ein Synonym für mein Scheitern. Deshalb führte ich mehrere Gespräche mit Herrn Buchalik, aber auch mit seinen Wettbewerbern, um alle Seiten zu beleuchten und die richtige Entscheidung treffen zu können. Bis zum letzten Moment war ich unschlüssig, zumal meine Hausbank bis unmittelbar vor der Antragstellung versucht hat, mich mit möglichen Finanzierungserweiterungen von diesem Weg abzubringen, auch weil sie im Gegensatz zu Herrn Buchalik die Risiken als hoch eingeschätzt hat. Am Freitag vor Abgabe des Antrages hatte ich Gespräche mit meiner Hausbank und mit Herrn Buchalik und seinem Team. Die Entscheidung für das Verfahren fiel dann erst am Wochenende vor der Antragsabgabe; mithilfe einer profanen Pro- und Contra-Liste, – was auch zeigt, wie eindeutig die Vorteile eines Verfahrens in unserem Fall waren.
Wann haben Sie den Antrag gestellt?
Mitte November 2019, also noch vor der Coronakrise, habe ich den Antrag auf eine Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt, und zwar in Form eines Schutzschirmverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit. Im Grunde habe ich den Antrag nur unterschrieben, alles andere, wie das Vorgespräch mit dem Gericht, aber auch die Antragsabgabe hat Herr Buchalik persönlich erledigt. Ich selbst habe die zuständige- übrigens äußerst nette und verständnisvolle – Richterin erst am Ende des Verfahrens kennen gelernt.
Wie haben Ihre Kunden und Lieferanten reagiert?
Mit einer klaren Strategie und frühzeitigen Ansprache der Kunden, konnte es vermieden werden, dass Kunden verloren gingen. Im Gegenteil: Zur Stützung der aktuellen Situation konnten sogar Zusatzaufträge generiert werden. Voraussetzung dafür waren aber viele persönliche Besuche bei den wichtigsten Kunden unmittelbar nach der Antragstellung und eine offene und ehrliche Kommunikation. Aufgrund unserer gewachsenen und langjährigen Lieferantenbeziehungen hat die Lieferantenseite den Schritt positiv aufgenommen und jederzeit unterstützt, obwohl einige von Ihnen Geld verloren haben.
Wie beurteilen sie das Verfahren, war es einfach oder eher schwierig?
Man darf die Komplexität des Verfahrens nicht unterschätzen. Die Möglichkeiten sind, soweit ich das beurteilen kann, vielfältig. Um den ganzen Werkzeugkasten zu benutzen, bedarf es sehr viel Kreativität, Erfahrung und einer kompetenten Begleitung im Verfahren durch den Berater. Durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen der Kanzlei Buchalik Brömmekamp und uns, konnten wir das Optimum aus den unterschiedlichen Handlungsfeldern herausholen. Die Zusammenarbeit geschah immer auf Augenhöhe und ich konnte zu jeder (Tages- und Nacht) Zeit auf das Team von Buchalik Brömmekamp zugreifen.
Wie ist das Verfahren ausgegangen?
Den Gläubigern wurde eine ansprechende Quote auf ihre Forderungen im Rahmen des Insolvenzplans angeboten, die Bankenlandschaft wurde von drei auf eine Bank reduziert und auch das Factoring, das auch schon vor dem Verfahren genutzt wurde, konnte im Rahmen des Schutzschirmverfahrens und danach im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren aufrecht erhalten werden. Der Insolvenzplan wurde im Mai 2020 von den Gläubigern einstimmig angenommen, das Verfahren wurde sodann Ende Juni 2020 aufgehoben. Insgesamt hat es also gerade einmal sieben Monate gedauert. Auch bedingt durch den Sanierungsgewinn kann für 2020 bei deutlich geringerem Umsatz ein Jahresergebnis mit einer ordentlichen Umsatzrendite erzielt werden, die sich im Jahr 2021 wieder auf einen auskömmlichen normalen positiven Wert einpendeln wird. Die Bankverschuldung wurde deutlich reduziert und meine persönlichen Haftungen bei den ausscheidenden Banken weitgehend eliminiert. Die Eigenkapitalquote konnte beinahe vervierfacht werden.
Was für ein Fazit würden Sie ziehen?
Persönlich habe ich lange über diesen Schritt nachgedacht. Aber als Fazit kann festgehalten werden, dass der Eintritt in das Verfahren für das Unternehmen der absolut richtige Schritt war. Das Unternehmen wurde nicht mit weiteren Krediten belastet, sondern die Verschuldung konnte deutlich abgebaut werden. Wir gehen jetzt gestärkt in die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Übrigens: Auch meine mich heute weiterfinanzierende Hausbank und deren Dachorganisation sehen das nach anfänglicher Skepsis mittlerweile genauso. Allerdings wäre das Ergebnis nicht ohne meine erfahrenen Berater aus dem Hause Buchalik Brömmekamp und dem mitarbeitenden Team möglich gewesen.
Herr Pohlmann, herzlichen Dank für das nette Gespräch!