Condor Schutzschirmverfahren

Condor erhält Staatshilfe und saniert sich durch ein Schutzschirmverfahren. Was bedeutet das nun für die Passagiere und Gläubiger der Condor?

Condor wird seitens der Bundesregierung und des Landes Hessen eine Staatsbürgschaft für einen sechsmonatigen Überbrückungskredit in Höhe von 380 Millionen Euro erhalten. Zudem hat der Ferienflieger ein Schutzschirmverfahren beantragt. Dies hat ganz erhebliche Konsequenzen für die Gläubiger, Passagiere und Arbeitnehmer der Condor. Rechtsanwalt und Sanierungsexperte Dr. Jasper Stahlschmidt klärt die wichtigsten Fragen zum Schutzschirmverfahren.

Wann kann ein Schutzschirmverfahren beantragt werden?

Dr. Stahlschmidt: Das Schutzschirmverfahren ist eine Sonderform des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Es kann nur beschlossen werden, wenn die betroffene Gesellschaft lediglich drohend zahlungsunfähig ist und positive Sanierungsaussichten bestehen. Diese Voraussetzungen müssen durch ein unabhängiges Gutachten bei Beantragung des Schutzschirmverfahrens bescheinigt werden. Dies scheint offensichtlich der Fall zu sein, was positiv ist. Hierbei dürfte die Zusage eines Staatskredites geholfen haben. Damit wird es Condor nun ermöglicht, den Flugbetrieb und damit die Slots aufrechtzuerhalten. Nur somit bleibt der Wert des Unternehmens erhalten.

Was passiert bei der Anordnung eines Schutzschirmverfahrens?

Dr. Stahlschmidt: Liegen die Voraussetzungen vor, ordnet das Gericht die vorläufige Insolvenz in Eigenverwaltung an und bestimmt – so wie bei Air Berlin – einen vorläufigen Sachwalter, der das Unternehmen während dieses vorläufigen Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung im Sinne der Gläubigergesamtheit beaufsichtigt. Zudem hat das Unternehmen drei Monate Zeit, einen Sanierungsplan, der auch einen Verkauf des Unternehmens vorsehen kann, aufzustellen. Danach mündet das Schutzschirmverfahren regelmäßig in einer Insolvenz in Eigenverwaltung. Dort wird dann der vorgelegte Sanierungsplan umgesetzt, um dann das Unternehmen saniert aus dem Verfahren zu entlassen.

Condor erhält Staatshilfe und meldet trotzdem Insolvenz an. Passt das überhaupt zusammen?

Dr. Stahlschmidt: Auf den ersten Blick klingt dies widersprüchlich. Bei näherer Betrachtung ist dieser Vorgang auch aus Sicht der Gläubiger allerdings sehr sinnvoll.

Würde die Bundesregierung die Staatsbürgschaft außerhalb eines Insolvenzverfahrens erteilen, hätte der Gesellschafter von Condor, also die insolvente Muttergesellschaft Thomas Cook, ein ganz erhebliches Mitspracherecht bei einem möglichen späteren Verkauf und könnte bei einem Verkauf des Unternehmens davon noch profitieren. Durch das auf Sanierung ausgerichtete gerichtliche Schutzschirmverfahren findet eine geordnete Insolvenz unter Aufsicht eines vom Gericht bestellten Sachwalters statt. Das Schutzschirmverfahren hat das Ziel der Sanierung und Erhaltung des Unternehmens. Vom späteren Verkaufserlös profitieren dann die Gläubiger.

Wie wird der Staat dann die Rückzahlung des Kredites absichern?

Dr. Stahlschmidt: Hier gibt es rechtliche Möglichkeiten, wonach ein möglicher Rückzahlungsanspruch des Staates gegenüber den anderen Gläubigern durch die Privilegierung als Masseverbindlichkeit bevorrechtigt ist. Zudem könnte der Bund und das Land Hessen für die Gewähr von Staatshilfe sich Sicherheiten des Unternehmens (falls noch welche vorhanden sind) geben lassen.

Macht die Staatshilfe hier Sinn oder wird schlechtem Geld gutes Geld hinterhergeworfen?

Dr. Stahlschmidt: Die Bundesregierung wird sicher ganz genau den möglichen volkswirtschaftlichen Schaden (Verlust der Arbeitsplätze, Kosten für die Rückholung von Urlaubern etc.) eines Groundings von Condor und die Risiken eines Ausfalls der Bürgschaft gegen den wirtschaftlichen Vorteil eines Erhalts des Unternehmens abgewogen haben. Insofern dürfte die Staatshilfe hier wirtschaftlich sinnvoll sein, zumal das Unternehmen als solches profitabel zu sein scheint. Lediglich durch unverschuldete Umstände, nämlich die Insolvenz der Muttergesellschaft Thomas Cook, scheint die Krise von Condor verursacht worden zu sein.

Was bedeutet das Schutzschirmverfahren für die Arbeitnehmer bei Condor ?

Dr. Stahlschmidt: Die Löhne und Gehälter sind für die drei Monate, die der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorangehen, über das Insolvenzgeld abgesichert. Vermutlich wird das Verfahren am 1.12.2019 eröffnet. Über die sogenannte Insolvenzgeldvorfinanzierung ist gewährleistet, dass die Arbeitnehmer ihr Arbeitsentgelt auch weiterhin pünktlich zu den vertraglich vereinbarten Zeitpunkten erhalten. Diese Möglichkeit des Insolvenzgeldes hilft dem Unternehmen, Liquidität zu generieren, da viele Lieferanten und Gläubiger ab der Einleitung des Schutzschirmverfahren nicht mehr gegen Rechnung sondern nur gegen Vorkasse liefern. Ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens müssen die Löhne und Gehälter wieder vom Unternehmen bezahlt werden.

Ansonsten gelten die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten, die bisher galten, auch im eingeleiteten Schutzschirmverfahren. Falls nach der Verfahrenseröffnung Kündigungen anstehen sollten, gelten Sondervorschriften, welche die Kündigungsfristen und die Höhe der Sozialplanansprüche betreffen.

Ich bin Kunde bzw. Reiseveranstalter und habe Flüge bei Condor gebucht und bezahlt. Werden diese Flüge von Condor jetzt auch für mich durchgeführt und kann der Flug angetreten werden? 

Dr. Stahlschmidt: Eigentlich gilt das Prinzip, wenn das Ticket vor Einleitung des Schutzschirmverfahrens bezahlt worden ist, dann wird die Leistung nicht mehr erbracht und das Ticket kann nicht erstattet werden. Es wird hier strikt zwischen der alten Welt (vor Einleitung des Schutzschirmverfahrens) und der neuen Welt (ab Einleitung des Schutzschirmverfahrens) unterschieden. Flugtickets, die nach dem Antrag bezahlt werden, sind weiterhin gültig.

Im Hinblick auf Bezahlung und Buchung von Flügen nach Einleitung des Schutzschirmverfahrens werden sicher seitens Condor Sicherungsmechanismen etabliert, die für die Kunden die nötige Sicherheit geben. Hier sollte man die Mitteilungen von Condor beachten.

Das Schutzschirmverfahren dient den Interessen der Gläubiger. Wie werden die Gläubigerrechte im Verfahren wahrgenommen?

Dr. Stahlschmidt: Im Verfahren wird ein sogenannter vorläufiger Gläubigerausschuss gebildet, in dem repräsentativ die wichtigsten Gläubigergruppen vertreten sind. Dies dürften u.a. die Banken, die Arbeitnehmer und die Agentur für Arbeit sein.

Großgläubiger wie die Reiseveranstalter, Treibstofflieferanten und Flughafenbetreiber sollten hier selbst aktiv eine Mitgliedschaft im Gläubigerausschuss anfragen, da in diesem Gremium alle wichtigen Informationen zusammenlaufen und die Weichenstellungen beschlossen werden. Mitglieder im Ausschuss können sich hierbei auch insolvenzrechtlich beraten lassen.

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