Die Insolvenz als strategische Option

Eine Sanierung unter Insolvenzschutz in Eigenverwaltung im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens ist kein Novum, sondern bereits seit der Insolvenzrechtsreform 1999 in Deutschland möglich. Mit dem seit dem 1. März 2012 gültigen Recht – und unter der Bezeichnung „ESUG“ – haben sich aber die Möglichkeiten einer solchen Sanierung deutlich vereinfacht.

Das schuldnerische Unternehmen begibt sich mit der Insolvenzantragstellung unter den Schutzschirm der Insolvenzordnung oder in eine vorläufige Eigenverwaltung und befindet sich damit, anders als nach altem Recht, sofort in einem (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahren. Ein Insolvenzverwalter wird in diesem Verfahren nicht mehr benötigt, seine Rolle übernimmt zunächst ein vorläufiger Sachwalter, dem gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter nach altem Recht, lediglich Kontroll- und Überwachungsfunktionen verbleiben.

Der Insolvenzschuldner ist sein eigener Insolvenzverwalter, und das von Verfahrensbeginn an. Bildlich gesprochen: Der Schuldner sitzt auf der Trainerbank, der Sachwalter auf der Tribüne. Da er natürlich nicht über die ausreichenden rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse zur Durchführung einer Insolvenz verfügt, benötigt er einen Experten an seiner Seite, der ihn während des Verfahrens begleitet und für den Erfolg des Verfahrens geradesteht. Mit dem neuen Gesetz haben auch die Gläubiger einen viel stärkeren Einfluss auf den Gang des Verfahrens, allerdings wird die Einbindung der Gläubiger maßgeblich wiederum vom eigenverwaltenden Schuldner mitbestimmt. In Zusammenwirken mit den Gläubigern wird dem Unternehmer und dem Unternehmen die Möglichkeit gegeben, das Verfahren weitgehend rechtssicher zu gestalten und Einfluss auf die Person des Sachwalters zu nehmen, selbst gegen die Stellungnahme des zuständigen Gerichtes. Das setzt aber einen einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses voraus.

Bausteine des ESUG

Im Grunde basiert das neue Recht auf drei Bausteinen:

  • eine erhebliche Stärkung des Gläubigereinflusses,
  • eine Optimierung und risikolosere Gestaltung des Insolvenzplanverfahrens und
  • eine deutliche Stärkung der Eigenverwaltung.

Auch bei einer Sanierung unter Insolvenzschutz im Rahmen einer Eigenverwaltung handelt es sich um ein klassisches Insolvenzverfahren, an dessen Beginn ein Insolvenzantrag steht. Vom zuständigen Insolvenzgericht wird zunächst geprüft, ob Aussichten auf eine erfolgreiche Durchführung dieses Verfahrens in erforderlichem Umfang bestehen. Das kann der Berater mit großer Sicherheit prognostizieren, denn er kann das Verfahren so gut vorbereiten, dass ein Scheitern praktisch auszuschließen ist oder, wenn das Scheitern absehbar ist, wird er das Verfahren gar nicht erst in die Wege leiten. Das setzt aber eine ausreichende Vorbereitungszeit und umfassende Kenntnis aller Krisenursachen seitens des Beraters voraus. Nur wenn unternehmensseitig umfassend kommuniziert wird, kann der Verfahrenserfolg auch weitgehend prognostiziert werden und der Eintritt in das Verfahren beinahe risikolos erfolgen.

Insolvenzplan regelt Entschuldung

Im Verfahren wird nach Eröffnung ein Insolvenzplan erstellt, der die Verbindlichkeiten des Unternehmens abschließend regelt und den Gläubigern zur Zustimmung vorgelegt wird. Gesicherte Gläubiger werden in Höhe ihrer Besicherung oft dergestalt befriedigt, dass sie dem Unternehmen gegen die bestehenden Sicherheiten mit Krediten wie bisher zur Ver- fügung stehen. Ungesicherte Gläubiger fallen vollständig aus (z. B. Nachranggläubiger wie Mezzaninekapitalgeber) oder erhalten nur eine Quote (sonstige ungesicherte Gläubiger) auf ihre ungesicherten Forderungen, die meist innerhalb von bis zu zwei Jahren nach Aufhebung des Verfahrens an diese Gläubiger ausbezahlt wird. Auf den kompletten Rest verzichten diese Gläubiger im Rahmen des vorgelegten Insolvenzplanes.

Im Rahmen des Verfahrens werden neue Verbindlichkeiten, zum Beispiel Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit, aufgebaut, auf die diese Gläubiger ebenfalls nur eine Quote erhalten. Die Quoten bewegen sich meist zwischen 5 bis 30 Prozent. Das ist im Übrigen weitaus mehr, als das, was ein Insolvenzverwalter in der Regelinsolvenz erzielt. Aber selbst geringe Quoten für die ungesicherten Gläubiger führen aber nicht zur Ablehnung des Insolvenzplanes, denn den Gläubigern kommt es meist nicht darauf an, wie hoch ihre Befriedigungsquote in dem Verfahren ist, sondern darauf, dass das Unternehmen weiter existiert. So ist es für die Bundesagentur für Arbeit nicht von Relevanz, eine hohe Quote zu erhalten, sondern sie will die Zahlung von Arbeitslosengeld verhindern und möglichst viele Arbeitsplätze erhalten. Den Mitarbeitern kommt es ebenfalls darauf an, ihre Arbeitsplätze zu erhalten und nicht hohe Quoten zu bekommen. Für die Lieferanten ist es von Bedeutung, da sie ihre Absatzkanäle erhalten und sich nicht einen neuen Kunden suchen müssen.

Verfahren dient dem Unternehmenserhalt

Das Insolvenzplanverfahren in Eigenverwaltung dient dem Unternehmenserhalt. Die Gesellschafterstellung bleibt grundsätzlich unberührt. Das Unternehmen wird nicht liquidiert oder an einen Dritten, z. B. im Wege eines Asset Deals, verkauft. Denkbar ist eine Kapitalerhöhung durch einen Dritten, der dadurch Anteile erwirbt. Durch die Gläubigerverzichte wird das Eigenkapital gestärkt, denn die Passivseite reduziert sich erheblich und die Aktivseite (Kasse, Forderungen, Vorräte) vergrößert sich durch den Mittelzufluss aus den normalen Einnahmen bei deutlich geringeren Ausgaben bedingt durch Insolvenzgeld und nicht gezahlter Altverbindlichkeiten. Am Ende des Verfahrens steht die Abstimmung über den Insolvenzplan. Stimmen die Gläubiger mit den notwendigen Mehrheiten dem Plan zu, was bei guter Vorbereitung im Ergebnis praktisch immer der Fall ist, wird das Verfahren vom Gericht kurze Zeit danach (ca. zwei bis vier Wochen) aufgehoben und die Insolvenz ist beendet. Das Unternehmen hat trotz der Beendigung noch bis zu zwei Jahre, in Ausnahmefällen auch deutlich mehr Zeit, den Plan zu erfüllen und die auf die ungesicherten Gläubiger entfallenden Quoten zu erwirtschaften. Neukredite sind wegen der Wirkungen des Verfahrens regelmäßig nicht erforderlich.

Operative Sanierung ist unverzichtbar

Parallel zur Sanierung der Passivseite der Bilanz muss natürlich die operative Sanierung umgehend, meist schon zu Beginn des Verfahrens, angegangen werden. Denn nur wenn es gelingt, die dauerhafte Sanierung auch operativ sicherzustellen, kann das Unternehmen nachhaltig saniert werden.

Kosten müssen gesenkt, Abläufe verbessert und neue Märkte erschlossen werden. Aber auch hier bietet die Insolvenz deutliche Erleichterungen. Sozialpläne außerhalb einer Insolvenz sind oft kaum finanzierbar. In einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung werden einerseits die dazu notwendigen Mittel generiert, andererseits sind die Sozialplankosten unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit auf maximal zweieinhalb Monatsgehälter reduziert. Die maximalen Kündigungsfristen betragen drei Monate, unabhängig davon, wie lange ein Mitarbeiter bereits beschäftigt ist. Dauerschuldverhältnisse, zum Beispiel langlaufende Miet- oder Leasingverträge, können mit einer Frist von maximal drei Monaten vom eigenverwaltenden Insolvenzschuldner gekündigt werden. Eine Kündigung durch den Vermieter oder Leasinggeber ist umgekehrt ausgeschlossen, solange der Insolvenzschuldner seinen mietvertraglichen Pflichten nachkommt. Mit diesen Möglichkeiten wer- den dem eigenverwaltenden Insolvenzschuldner weitere Möglichkeiten zur Krisenbewältigung an die Hand gegeben, die außerhalb eines Insolvenzverfahrens undenkbar sind. Ob davon Gebrauch gemacht wird oder nicht, entscheidet die bisherige Unternehmensführung und nicht etwa ein Insolvenzverwalter.

Neue Regelungen zur Konzerninsolvenz

Im März 2017 hat der Bundestag ein neues Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen beschlossen, das im Laufe des April 2018 in Kraft getreten ist. Danach sollen sämtliche einen Konzern betreffende Eigenverwaltungsverfahren an einem Insolvenzgericht anhängig gemacht und zentralisiert werden, was bisher nicht der Fall war. Durch das einheitliche Eigenverwaltungsverfahren soll die wirtschaftliche Einheit des Konzerns und der darin angelegte Mehrwert gewahrt bleiben. Die Gesamtsanierung des Konzerns durch Erhalt des darin angelegten Mehrwerts und der bestehenden Arbeitsplätze durch ein Eigenverwaltungsverfahren wird dadurch erleichtert. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er auch bei Unternehmenskonzernen die Sanierung durch ein Eigenverwaltungsverfahren stärken und erleichtern will. Die in den USA schon seit Jahrzehnten gelebte Idee der „Kultur der zweiten Chance“ ist somit durch obige Änderungen des Insolvenzrechts endlich auch in Deutschland etabliert und schafft gerade auch für Konzerne Sanierungserleichterungen. Diese können allerdings nur genutzt werden, wenn eine solche „geordnete“ Insolvenz in Eigenverwaltung durch Sanierungsberater bereits im Vorfeld vorbereitet und begleitet wird, weil gerade schon in diesem Zeitraum viele insolvenzrechtlich relevanten Entscheidungen mit erheblichen Auswirkungen für den Sanierungsprozess getroffen werden müssen.

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