Insolvenzplan und Insolvenz in Eigenverwaltung (ESUG)
Wirtschaftliche Schwierigkeiten und sonstige Krisensituationen können in jedem Unternehmen auftreten, unabhängig von Branche und Größe. Im Fall einer drohenden Zahlungsunfähigkeit oder einer Überschuldung sind Firmen unter bestimmten Voraussetzungen gemäß Insolvenzrecht verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen.
Viele Unternehmer fürchten im Zusammenhang mit diesem Schritt signifikante Nachteile. Dazu gehören etwa Übernahme und Verkauf der Firma durch einen Insolvenzverwalter sowie eine persönliche Inanspruchnahme – letztere bedeutet meist den persönlichen Ruin.
Dabei ermöglicht die Insolvenzordnung dem vorausschauenden Unternehmer mit den Sanierungsinstrumenten der (vorläufigen) Eigenverwaltung und dem Schutzschirmverfahren viele Vorteile bei der nachhaltigen und eigenverantwortlichen Sanierung des Unternehmens. Sowohl mit der (vorläufigen) Eigenverwaltung als auch mit dem Schutzschirmverfahren eröffnet die Insolvenzordnung dem Schuldner die Möglichkeit, ein Insolvenzverfahren ohne einen vom Gericht bestellten (vorläufigen) Insolvenzverwalter durchzuführen und so das in die Krise geratene Unternehmen in Eigenregie wirtschaftlich wieder auf die Beine zu stellen. Beide Verfahrensvarianten sind gleichermaßen geeignet den angestrebten Erfolg zu erreichen, unterscheiden sich aber vor allem hinsichtlich der Antragsvoraussetzungen und dem Umfang der eingeräumten Rechte.
Doch was bedeutet Insolvenz in Eigenverwaltung? Welche Voraussetzungen sind für dieses Verfahren erforderlich? Bietet das Verfahren besondere Vorteile? Nachfolgend geben wir Ihnen die Antwort auf diese und weitere Fragen.
- Was sind die Voraussetzungen für eine Insolvenz in Eigenverwaltung?
Voraussetzung für das Insolvenzplanverfahren in Eigenregie ist das Vorliegen eines der drei im deutschen Insolvenzrecht definierten Insolvenzgründe:
- Drohende Zahlungsunfähigkeit, § 18 InsO
- Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO
- Überschuldung, § 19 InsO
Drohende Zahlungsunfähigkeit
Von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit spricht man, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Schuldner seinen fälligen Zahlungspflichten nicht pünktlich nachkommen kann. Der zwingende Prognosezeitraum zur Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit beträgt dabei 24 Monate.
Unternehmen haben somit die Chance, die Sanierung unter Insolvenzschutz möglichst früh durchzuführen, was die Erfolgsaussichten deutlich erhöht.
Falls lediglich eine drohende Zahlungsunfähigkeit im Raum steht, besteht weiterhin keine Insolvenzantragspflicht. Eine zunächst außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern ist ebenso möglich.
Es ist eine deutliche Tendenz dahingehend erkennbar, dass das Insolvenzrecht immer stärker zugunsten des Unternehmens, d. h. für seinen Erhalt und seine erfolgreiche Fortführung, ausgerichtet wird. Redliche Schuldner, die sich frühzeitig um die Krisenbewältigung kümmern, können von mehreren vorteilhaften Sanierungsinstrumenten Gebrauch machen.
Zahlungsunfähigkeit
Reicht die vorhandene Liquidität nicht mehr aus, um sämtliche Verbindlichkeiten fristgerecht zu bezahlen, liegt eine sog. Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO vor. Meist wird der Handlungsbedarf vom Unternehmer spätestens dann erkannt.
Davon abzugrenzen ist die sog. Zahlungsstockung, welche dann vorliegt, wenn der Unternehmer mehr als 90 Prozent seiner fälligen Verbindlichkeiten decken kann. Dann ist eine Sanierung in Eigenregie zwar nach wie vor möglich, es besteht allerdings grundsätzlich keine Insolvenzantragspflicht. Da denkbar ist, dass die Liquiditätslücke in absehbarer Zeit größer wird, besteht hier alternativ auch die Möglichkeit einer Antragsstellung aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit.
Wichtig ist, sich durch den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht von einer Insolvenz in Eigenverwaltung abschrecken zu lassen, da dieser allein nichts über den Erfolg oder Misserfolg aussagt.
Überschuldung
Bei juristischen Personen zählt auch die Überschuldung zu den Insolvenzgründen.
Von einer Überschuldung spricht man gem. § 19 Abs. 2 S. 1 InsO, wenn der Schuldner mit seinem Vermögen nicht mehr in der Lage ist, die bestehenden Verbindlichkeiten zu decken. Eine Ausnahme hiervon besteht dann, wenn die Fortführung des Betriebs in den nächsten 12 Monaten überwiegend wahrscheinlich ist. Voraussetzung dafür ist die Erstellung einer positiven Fortführungsprognose durch einen unabhängigen Berater.
Geschäftsmodell und Management
Erfolgsentscheidend für die Insolvenz in Eigenverwaltung ist nicht der Insolvenzgrund, sondern andere Aspekte, wie beispielsweise das Vorhandensein eines funktionierenden Geschäftsmodells sowie einer kompetenten Geschäftsführung.
Da das Insolvenzverfahren in Eigenregie sehr komplex ist, ist die Begleitung durch einen erfahrenen Berater essenziell. Während sich die Geschäftsführung auf das Tagesgeschäft und den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens fokussiert, führt der Berater den Schuldner sicher durch das Insolvenzverfahren und vermeidet potenzielle Haftungsrisiken.
2. Welche Vorteile bestehen bei der Insolvenz in Eigenverwaltung?
In traditionellen Sanierungsverfahren wurde der Betrieb bzw. seine Geschicke durch den Insolvenzverwalter übernommen, was für den Unternehmer bitter war, da dieser dadurch gewissermaßen sein Lebenswerk verlor.
Hier zeigt sich der große Vorteil einer Insolvenz in Eigenregie: Ein Insolvenzverwalter ist nicht mehr notwendig und die bisherige Geschäftsleitung behält die vollständige Kontrolle über das Unternehmen. Stattdessen wird ein (vorläufiger) Sachwalter bestellt, der eine signifikant eingeschränkte Funktion besitzt. Seine Aufgaben bestehen darin, für das Insolvenzgericht die Einhaltung der im Rahmen der Eigenverwaltung geltenden Gesetze sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass die Interessen der Gläubigergemeinschaft gewahrt werden.
Der Sachwalter hat folglich keine aktive Rolle im Insolvenzverfahren inne und ist auch nicht für die Beratung des Schuldners zuständig. Dies lässt sich schon allein damit erklären, dass die ihm zustehende Vergütung deutlich niedriger ausfällt und die bestehenden Haftungsrisiken nicht aufwiegt.
Deutlich wird: Aufgrund der umfassenden Vorteile ist das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung ein attraktives Sanierungsinstrument. Die Liquiditätsvorzüge sowie die Möglichkeit der operativen Sanierung lassen sich weiterhin nur durch die Eigenverwaltung oder in einem Schutzschirmverfahren nutzen. Letzteres sollte vor allem von einem insolvenzreifen Unternehmen mit strukturellen Problemen angestrebt werden.
3. Wie ist der Ablauf der Insolvenz in Eigenregie?
Zunächst sollte seitens der Geschäftsleitung das Vorliegen eines Insolvenzgrundes geprüft werden, bevor anschließend der Insolvenzantrag auf Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens erstellt wird. Bei beiden Schritten empfiehlt sich die professionelle Beratung durch einen insolvenzrechtlich geschulten Experten. Eine sorgfältige Vorbereitung ist essenziell, denn damit steht und fällt die Möglichkeit einer erfolgreichen Sanierung.
Vorläufiges Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung
Wird der Antrag vom zuständigen Insolvenzgericht akzeptiert, so folgt per Beschluss die Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Zugleich wird ein Sachwalter bestellt, der seinen oben erläuterten Aufgaben nachgeht.
Das vorläufige Insolvenzverfahren stellt die Weichen für den weiteren Verlauf. Die verfügbaren Liquiditätseffekte sollten so weit wie möglich ausgeschöpft werden, um eine erfolgreiche Restrukturierung des Unternehmens zu ermöglichen.
Löhne und Gehälter übernimmt in dieser Zeit die Agentur für Arbeit. Hier ist anzumerken, dass die Zahlungen in der Regel zunächst über eine Bank vorfinanziert werden, da die Zahlung seitens der Agentur für Arbeit aus rechtlichen Gründen erst rückwirkend mit Eröffnung des Verfahrens erfolgen kann.
Geschäftsleistung und (idealerweise) Berater erstellen parallel dazu ein umfassendes Sanierungskonzept, in welchem folgende Fragen beantwortet sein müssen:
- Ist die Erfolgsaussicht des Unternehmens in Zukunft positiv?
- Wie sollen die Forderungen der Gläubiger befriedigt werden?
Eröffnetes Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung
Kommt der vorläufige Sachwalter im Rahmen des von ihm zu erstellenden Eröffnungsgutachtens zu dem Ergebnis, dass ein Eröffnungsgrund besteht, die Verfahrenskosten gedeckt sind und begründete Aussichten auf eine erfolgreiche Sanierung bestehen, ordnet das Gericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenregie an.
Die Gläubiger melden daraufhin ihre Forderungen zur Insolvenztabelle an, welche vom Sachwalter geführt und geprüft wird. Dabei wird lediglich ermittelt, ob der Gläubiger hinreichende Nachweise und Dokumente eingereicht hat, um die Existenz der angemeldeten Forderung zu belegen.
Gem. § 175 Abs. 1 S. 2 InsO muss die Insolvenztabelle zudem gemeinsam mit den Anmeldungen und beigefügten Urkunden nach Ablauf der Anmeldefrist und noch vor dem Termin der Prüfung in der Geschäftsstelle beim zuständigen Gericht zur Einsicht vorgelegt werden.
Das Insolvenzgericht ruft die Gläubigerversammlung ein (§ 74 Abs. 1 InsO). Sie gehört zum wichtigsten Organ der Gläubiger.
Bei der Versammlung werden die Interessen der Gläubiger vertreten (vor allem gegenüber dem Schuldner) sowie alle wichtigen Entscheidungen für den weiteren Fortgang des Eigenverwaltungsverfahrens gefällt.
Davon abzugrenzen ist der sog. Gläubigerausschuss, welcher rechtlich für größere Fälle vorgesehen ist, auf Wunsch aber vom Schuldner auch bei Unterschreiten bestimmter Grenzwerte beantragt werden kann. Er ist das weitere Willensbildungsorgan der Gläubigergemeinschaft und ist intensiver in den Verfahrensablauf sowie die Überwachung der Beteiligten eingebunden. Die Mitglieder des Ausschusses bestellt das Insolvenzgericht.
Ziel des Eigenverwaltungsverfahrens ist die Entschuldung des insolventen Unternehmens über einen Insolvenzplan. Er wird vom Schuldner unter Mitwirkung der wesentlichen Gläubiger erstellt und anschließend bei einer weiteren Gläubigerversammlung zur Abstimmung gestellt.

4. Was ist der Unterschied zwischen einer Insolvenz in Eigenregie und einem Schutzschirmverfahren?
Die Sanierung unter einem Schutzschirm ist eine Sonderform des Eigenverwaltungsverfahrens. Im Gegensatz zum Begriff “Insolvenz” wird die Bezeichnung “Schutzschirmverfahren” positiv eingeordnet, was bei Geschäftspartnern und Kunden zu mehr Vertrauen in den Sanierungserfolg führt. Vor allem Medienberichte über insolvente Unternehmen wie beispielsweise Condor oder Galeria Karstadt Kaufhof haben zu einer deutschlandweiten Bekanntheit des Schutzschirms geführt.
Mittlerweile wird die Möglichkeit der Insolvenz in Eigenverwaltung von immer mehr Firmen genutzt, nicht zuletzt seit durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2012 eine Vielzahl weiterer Erleichterungen in Kraft getreten sind. Für eine große Mehrheit der Unternehmen bewährt sich eine früh eingeleitete Sanierung und diese gehen gestärkt aus der Krise hervor.
Zu den weiteren Vorteilen des Schutzschirms gehört die Möglichkeit des Schuldners, dem Gericht selbst einen Sachwalter vorschlagen zu können.
Da im Gegensatz zur Insolvenz in Eigenverwaltung eine Bescheinigung über die positiven Aussichten auf eine erfolgreiche Sanierung notwendig ist, ist der Schutzschirm darüber hinaus mit etwas mehr Kosten verbunden, welche sich durch die Vorzüge allerdings relativieren.
Der Insolvenzplan muss grundsätzlich innerhalb von max. drei Monaten vorgelegt werden.
5. Wie gestaltet sich die Entschuldung über einen Insolvenzplan?
Der Insolvenzplan ist als Kernelement des Eigenverwaltungsverfahrens in zwei Teile gegliedert, nämlich den darstellenden Teil und den gestaltenden Teil.
Der Plan kann im Ergebnis als ein Vergleich mit den Gläubigern betrachtet werden.
Dabei sollte der Insolvenzplan inhaltlich so gestaltet sein, dass die historische und zukünftige Entwicklung der Eigenverwaltung für alle Gläubiger nachvollziehbar aufbereitet wird. Sie sollen auf dieser Basis entscheiden können, ob das Angebot im Insolvenzplan ausreichend ist.
Nachdem das zuständige Gericht den Insolvenzplan einer Vorprüfung unterzogen und dabei keine wesentlichen Mängel festgestellt hat, wird ein Erörterungs- und Abstimmungstermin angesetzt. Findet der Insolvenzplan die Zustimmung der Gläubiger, wird das Eigenverwaltungsverfahren aufgehoben.
6. Was bedeutet eine Insolvenz in Eigenverwaltung für die Mitarbeiter des betroffenen Unternehmens?
Die Agentur für Arbeit übernimmt als solventer Anspruchsgegner die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter während des Zeitraums der vorläufigen Insolvenz in Eigenverwaltung, maximal jedoch für drei Monate.
Die Arbeitsverhältnisse bleiben unverändert bestehen und werden ungeachtet des Verfahrens nicht beendet oder aufgelöst. Das Arbeitsrecht greift weiterhin und eine Kündigung darf grundsätzlich nicht ohne Kündigungsgrund ausgesprochen werden. Kündigungsfristen werden auf maximal drei Monate reduziert.
7. Fazit
Die Insolvenz in Eigenregie hat sich nicht zuletzt dank der durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (kurz ESUG) geschaffenen Erleichterungen zu einem erfolgreichen und attraktiven Sanierungsinstrument entwickelt.
Um den Verfahrenserfolg zu erhöhen, ziehen betroffene Firmen immer frühzeitiger Berater hinzu, die über Erfahrungen im Insolvenzrecht verfügen. Allerdings ist das Eigenverwaltungsverfahren kein Selbstzweck, sondern erfordert einen konkreten Insolvenzgrund.
Bei kompetenter Beratung sind die Erfolgsaussichten durch die Insolvenz in Eigenverwaltung hoch. Hier können Sie sich vollumfänglich an unsere Experten wenden. Wir unterstützen Sie nicht nur bei der professionellen Durchführung von Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltung, sondern begleiten Sie u. A. auch bei folgenden weiteren Herausforderungen tatkräftig und kompetent:
- Vermittlung von Investoren
- Unterstützung des Sachwalters
- Rechte, Pflichten und Haftungsrisiken in der Gesellschaftskrise; Abwehr zivilrechtlicher Schadenersatzansprüche und strafrechtlicher Verantwortung
- Unternehmenssanierungen und –restrukturierungen
- Beratung von Investoren bei dem Erwerb oder der Beteiligung aus der Insolvenz
- Durchsetzung von Gläubigerrechten
- Übernahme der Poolverwaltung/Poolführung in Lieferanten- oder Bankenpools
- Professionelle Krisenkommunikation
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