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Liqui­di­täts­steue­rung

Nur etwas für Experten?

Die Steue­rung der Liqui­di­tät bewegt sich bei den meis­ten Bau­un­ter­neh­men im Span­nungs­feld zwi­schen dem gele­gent­li­chen Blick auf den Kon­to­stand sowie dem Ein­satz von aus­ge­reif­ten und kom­ple­xen Sys­te­men. Nicht sel­ten sind die­se Werk­zeu­ge Teil eines gesam­ten Con­trol­ling-Sys­tems, die aus­schließ­lich von Exper­ten bedient und deren Ergeb­nis­se von die­sen inter­pre­tiert wer­den kön­nen. Es zählt jedoch zu den urei­ge­nen Auf­ga­ben des Bau­un­ter­neh­mers, die kurz- und mit­tel­fris­ti­ge Ent­wick­lung der Liqui­di­tät aktiv zu steu­ern. Schon durch ein­fa­che Tools hat der Bau­un­ter­neh­mer sei­ne Zah­lungs­strö­me im Blick und kann früh­zei­tig bei Eng­päs­sen gegensteuern.

Die vor­han­de­ne Liqui­di­tät (Zah­lungs­mit­tel) ist auch Aus­druck der Fähig­keit des Bau­un­ter­neh­mers, sei­ne fäl­li­gen Ver­bind­lich­kei­ten frist­ge­recht und unein­ge­schränkt zu beglei­chen. Die­se Fähig­keit ist wesent­lich von der Tat­sa­che abhän­gig, in ange­mes­se­ner Wei­se Gewin­ne aus dem ope­ra­ti­ven Geschäft her­aus zu erwirt­schaf­ten. Aus­blei­ben­de Gewin­ne füh­ren im Zeit­ab­lauf zu einem Man­gel an Liqui­di­tät. Der Gesetz­ge­ber hat sich in der Insol­venz­ord­nung (InsO) mit die­ser Situa­ti­on beschäf­tigt und den Tat­be­stand der Zah­lungs­un­fä­hig­keit als eine Pflicht zur Stel­lung eines Insol­venz­an­trags geregelt.

Aber neben der Fra­ge der grund­sätz­li­chen Ver­füg­bar­keit spielt der Zeit­punkt der ein­ge­hen­den und aus­ge­hen­den Zah­lungs­strö­me eine wesent­li­che Rol­le für das Vor­han­den­sein aus­rei­chen­der Liqui­di­tät. Die­se Zah­lungs­strö­me sind u.a. von den recht­li­chen und tech­ni­schen Rah­men­be­din­gun­gen des Bau­ge­wer­bes abhängig.

Die Bau­wirt­schaft als Bereitstellungsgewerbe

Wesent­li­ches Kri­te­ri­um der Bau­wirt­schaft ist es, dass die­ser Wirt­schafts­zweig ein Bereit­stel­lungs­ge­wer­be ist. Die Unter­neh­men (Anbie­ter) stel­len die Struk­tur zur Erstel­lung von Bau­leis­tun­gen nach den Wün­schen und Bestel­lun­gen des Auf­trag­ge­bers zur Ver­fü­gung. Die öffent­li­chen und pri­va­ten Nach­fra­ger for­dern die­se Kapa­zi­tä­ten aus­schließ­lich im Bedarfs­fal­le ab. Eine Lager­hal­tung ist bei Bau­leis­tun­gen nur in weni­gen Aus­nah­me­fäl­len mög­lich. Ana­log zu allen Wirt­schafts­zwei­gen, die pro­jekt­be­zo­gen ihre Leis­tun­gen erbrin­gen, ist die Aus­las­tung im Bau­un­ter­neh­men u.a. von kon­ti­nu­ier­li­chen Fol­ge­auf­trä­gen abhän­gig. Eine bestän­di­ge Aus­las­tung ist ein wesent­li­ches Kri­te­ri­um für regel­mä­ßi­ge Zahlungseingänge.

Der Werk­ver­trag und die VOB als recht­li­che Basis der Liqui­di­täts­steue­rung für Bauunternehmer

In der Regel plant der Auf­trag­ge­ber, bau­li­che Maß­nah­men an einem bestehen­den oder neu zu errich­ten­den Bau­werk vor­zu­neh­men. Hier­zu beauf­tragt er Archi­tek­ten und Fach­pla­ner mit der Erstel­lung der Pla­nung vom Ent­wurf bis zur Aus­füh­rungs­rei­fe. Haben die Pla­ner die bau­li­che Auf­ga­be tech­nisch und künst­le­risch inten­siv durch­drun­gen, so kann für das aus­füh­ren­de Bau­un­ter­neh­men eine Leis­tungs­be­schrei­bung (ein Leis­tungs­ver­zeich­nis) erstellt wer­den. Die­se Beschrei­bung stellt die Grund­la­ge für die Kal­ku­la­ti­on des Prei­ses dar. Im Auf­trags­fal­le wird kein Kauf­ver­trag, son­dern ein Werk­ver­trag (§§ 631 ff. BGB) geschlos­sen. Der Werk­ver­trag ist an vie­len Stel­len mit dem Dienst­ver­trag ver­gleich­bar. Das Beson­de­re des Werk­ver­tra­ges ist, dass der Auf­trag­neh­mer die man­gel­freie Her­stel­lung des Wer­kes und somit den Leis­tungs­er­folg schul­det. Es ist nicht der Zeit­auf­wand des Bau­un­ter­neh­mers, den der Auf­trag­ge­ber ver­gü­ten will, son­dern die erfolg­rei­che Erstel­lung des Bau­werks auf Basis der Leistungsbeschreibung.

Ope­ra­ti­ve Ein­fluss­fak­to­ren auf die Zahlungsströme

Neben den beschrie­be­nen recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen beein­flus­sen auch ope­ra­ti­ve sowie tech­ni­sche Bedin­gun­gen der Bau­pro­duk­ti­on den Zeit­punkt und die Höhe der Zahlungsströme.

Die Erstel­lung von Bau­wer­ken bzw. die Revi­ta­li­sie­rung bestehen­der Gebäu­de ist auf­grund der ein­ge­setz­ten Bau­stof­fe und Bau­ver­fah­ren an vie­len Stel­len abhän­gig vom Wet­ter, der Tem­pe­ra­tur, der Luft­feuch­tig­keit etc. Auf­trag­ge­ber und Auf­trag­neh­mer haben sich dar­auf ein­ge­stellt, dass der größ­te Teil der Bau­leis­tung in den Mona­ten Mai bis Okto­ber erfolgt. Ins­be­son­de­re der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber hat sein Nach­fra­ge­ver­hal­ten auf die­se Situa­ti­on abge­stellt. So wer­den Aus­schrei­bun­gen für neue Bau­auf­ga­ben in den Win­ter­mo­na­ten eines neu­en Kalen­der­jah­res ver­öf­fent­licht. Die Bau­ak­ti­vi­tä­ten star­ten dann gebün­delt im Früh­jahr. Bedingt durch die Steue­rung der öffent­li­chen Haus­hal­te (Kame­ra­lis­tik) wer­den in den Herbst­mo­na­ten noch Bau­auf­ga­ben aus­ge­schrie­ben, die noch im sel­ben Kalen­der­jahr fer­tig­ge­stellt wer­den müssen.

Die­ser Ablauf ist für die Liqui­di­täts­steue­rung der Bau­un­ter­neh­mung von Bedeu­tung. Die Tat­sa­che, dass in den Früh­jahrs­mo­na­ten vie­le Bau­auf­trä­ge zeit­gleich star­ten, hat einen hohen Vor­fi­nan­zie­rungs­ef­fekt zur Fol­ge. Die bau­aus­füh­ren­den Fir­men müs­sen die Aus­ga­ben für Mate­ri­al, Mit­ar­bei­ter und Nach­un­ter­neh­mer vor­fi­nan­zie­ren, wäh­rend die Ein­zah­lun­gen aus den begon­ne­nen Bau­vor­ha­ben auf­grund der ver­trag­li­chen Rege­lun­gen erst Mona­te spä­ter bei den Unter­neh­men ein­ge­hen. Auf­grund der beschrie­be­nen Wit­te­rungs­ab­hän­gig­keit der Bau­ar­bei­ten ist die Bau­pro­duk­ti­on in den Win­ter­mo­na­ten auf nied­ri­ge­rem Niveau. Somit wer­den unmit­tel­bar die Zah­lungs­ein­gangs­strö­me aus den Bau­vor­ha­ben gerin­ger. Die fixen Aus­zah­lun­gen für die Ange­stell­ten, Mie­ten, Ver­si­che­run­gen etc. fal­len jedoch unab­hän­gig von die­ser Situa­ti­on wei­ter an.

Tech­ni­sche Behin­de­run­gen beein­flus­sen die Liquidität

Neben der Wit­te­rung sind auch tech­ni­sche Ein­flüs­se bei der Pla­nung der Zah­lungs­strö­me zu beach­ten. Bau­en bedeu­tet die Her­stel­lung von Uni­ka­ten und birgt daher die Gefahr, dass nicht geplan­te Situa­tio­nen ein­tre­ten. So berich­ten die Medi­en häu­fig, dass trotz bereits begon­ne­ner Bau­ar­bei­ten die Pla­nung auf­grund von Ände­run­gen des Bau­herrn oder auf­grund von öffent­lich recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen bau­be­glei­tend geän­dert wird. Neben der Pla­nungs­än­de­rung erfor­dert die vor Ort vor­ge­fun­de­ne Situa­ti­on in der Bau­gru­be oder im Bestand Ände­run­gen. In der Regel füh­ren die Ver­än­de­run­gen zur Unter­bre­chung der Pro­duk­ti­on und zur Fra­ge, ob die ent­ste­hen­den Mehr­kos­ten vom Auf­trag­ge­ber getra­gen oder zum geschul­de­ten Werk­erfolg des Bau­un­ter­neh­mers gehö­ren. In die­ser Zeit muss in jedem Fall das aus­füh­ren­de Unter­neh­men die Pro­duk­ti­ons­kos­ten vorfinanzieren.

Die Har­mo­ni­sie­rung der Zah­lungs­strö­me als zen­tra­le Auf­ga­be der Liqui­di­täts­steue­rung im Bauunternehmen

Vom ers­ten Spa­ten­stich auf einer Bau­stel­le über die prüf­ba­re Zusam­men­stel­lung der abre­chen­ba­ren Leis­tung, der kon­kre­ten Stel­lung der Rech­nun­gen bis zum ers­ten Zah­lungs­ein­gang für eine Bau­stel­le kön­nen gemäß den recht­li­chen, sai­so­na­len und tech­ni­schen Rah­men­be­din­gun­gen zwi­schen acht und zwölf Wochen lie­gen. Da die Zeit­punk­te der Aus­zah­lungs­strö­me ande­ren Gesetz­mä­ßig­kei­ten fol­gen als die der Ein­gän­ge, ist die zen­tra­le Auf­ga­be der kurz- und mit­tel­fris­ti­gen Liqui­di­täts­steue­rung die Har­mo­ni­sie­rung der Zah­lungs­strö­me. Damit soll das Bau­un­ter­neh­men zu allen Zeit­punk­ten über aus­rei­chend Liqui­di­tät ver­fü­gen bzw. dro­hen­de Eng­päs­se früh­zei­tig erken­nen und ent­spre­chend gegen­steu­ern kön­nen. Trotz der kom­ple­xen recht­li­chen, wit­te­rungs­be­ding­ten und tech­ni­schen Rah­men­be­din­gun­gen des Bau­ens ist die Steue­rung der Liqui­di­tät im Bau­un­ter­neh­men kein aus­schließ­li­ches Exper­ten­the­ma. Beim Ein­satz eines Steue­rungs­werk­zeugs muss dar­auf geach­tet wer­den, dass die Pla­nung der Ein­zah­lun­gen auf der Ebe­ne der Pro­jek­te erfolgt. Sofern es mög­lich ist, soll­ten die Aus­ga­ben der Pro­jek­te auch ein­zeln geplant wer­den. Aber auch für den Fall, dass die­se Pla­nungs­tie­fe bei den Aus­zah­lun­gen zu auf­wen­dig ist, kann durch ein­fa­che Werk­zeu­ge die Liqui­di­tät wöchent­lich gesteu­ert werden.

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