Vorsicht bei der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Wann muss ich als Unternehmer bzw. Geschäftsführer einen Insolvenzantrag stellen?

Ein Unternehmen muss entweder bei Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung einen Insolvenzantrag stellen.

  • Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn 10 Prozent oder mehr der aktuell fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlt werden können.
  • Überschuldung liegt vor, wenn für das Unternehmen keine Fortführungsperspektive mehr besteht und dann das Vermögen des Unternehmens die Schulden nicht mehr deckt.

Welche Sonderregelungen zum Insolvenzantrag gab es infolge der Coronakrise?

Bis zum 30.09.2020 war die Insolvenzantragspflicht sowohl bei Zahlungsunfähigkeit als auch bei Überschuldung für von der Corona-Pandemie betroffene Unternehmen zunächst ausgesetzt. Vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2020 war sodann allein noch die Antragspflicht wegen Überschuldung ausgesetzt.

Für den Monat Januar 2021 wurde die Insolvenzantragspflicht für Geschäftsleiter von Unternehmen ausgesetzt, die einen Anspruch auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie (sog. November- und Dezemberhilfen und Überbrückungshilfe II) hatten. Voraussetzung war, dass ein entsprechender Antrag auf Hilfsleistungen im Zeitraum vom 1. November bis zum 31. Dezember 2020 gestellt worden war.

War eine Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb des Zeitraums nicht möglich, wurde die Insolvenzantragspflicht ebenfalls ausgesetzt. Die Insolvenzantragspflicht war jedoch nicht ausgesetzt, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung bestand oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend war.

Die Justizministerin hatte am 8. Januar 2021 mitgeteilt, diese Frist zur Aussetzung über den Januar 2021 hinaus ggf. zu verlängern.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist also an bestimmte Bedingungen geknüpft. Jeder Unternehmer sollte sich das Vorliegen dieser Bedingungen von einem Spezialisten für Insolvenz- und Sanierungsrecht bestätigen lassen.

Für welche Unternehmen galten diese Sonderregeln zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht?

Die Sonderregelung schied allerdings aus, wenn die Zahlungsunfähigkeit nicht auf den Folgen der Covid-19-Pandemie beruhte oder wenn keine Aussichten darauf bestanden, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Wenn also einer dieser Tatbestände erfüllt war, dann wurde die Insolvenzantragspflicht nicht ausgesetzt.

Als Erleichterung für die betroffenen Unternehmen und Geschäftsführer galt eine Vermutungsregelung. Diese besagte, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruhte und Aussichten darauf bestanden, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, wenn das Unternehmen am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war.

Diese Vermutungsregel konnte aber auch widerlegt werden. So konnte es durchaus auch nach Ablauf dieser Frist zu einem Insolvenzverfahren kommen, bei dem sich der Insolvenzverwalter diesen Sachverhalt ganz genau anschaut und prüft. Deswegen empfiehlt es sich – gerade auch im Hinblick auf die Haftungsgefahren – dringend, dass sich die Geschäftsführung von externen Gutachtern das Vorliegen der Aussetzungsvoraussetzungen positiv bescheinigen lässt. Sonst kann ein böses Erwachen drohen.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurde am 28. Januar 2021 noch einmal bis zum 30. April 2021 verlängert. Welche Voraussetzungen mussten hierfür vorliegen?

Wie bereits bei der ersten Verlängerung der Aussetzung musste das Unternehmen am 31.12.2019 zahlungsfähig gewesen sein und der Eintritt der Insolvenzreife musste durch die Covid-19- Pandemie verursacht worden sein. Weiterhin mussten Aussichten bestehen, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen (siehe oben).

Darüber hinaus wurde verlangt, dass das Unternehmen bis zum 28. Februar 2021 einen Antrag auf Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie gestellt hatte. Nur wenn eine Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich war, konnte sich das Unternehmen auf die Aussetzung berufen, sofern es nach den Bedingungen des staatlichen Hilfsprogramms in den Kreis der Antragsberechtigten fiel. Die Antragstellung durfte auch nicht offensichtlich aussichtslos sein.

Zudem war erforderlich, dass die beantragte Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife auch ausreichend sein mussten. Gerade diese Bedingung stellte eine hohe Hürde für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht dar. Eine Finanzplanung musste deshalb dokumentieren, dass eine bestehende oder drohende Liquiditätslücke durch die staatliche Hilfeleistung geschlossen werden konnte.

Wir empfehlen angesichts erheblicher Haftungsrisiken, das Vorliegen der Aussetzungsvoraussetzungen von externen Beratern im Rahmen einer Finanzplanung bestätigen zu lassen.

Kann ich als Unternehmer oder Geschäftsführer während der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht Zahlungen weiter ausführen und agieren wie vorher ?

Selbst wenn sich die Geschäftsführung auf die Corona-bedingte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht berufen kann, ergeben sich Einschränkungen, die von der Geschäftsführung zwingend beachtet werden müssen. So dürfen nach der Regelung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nur solche Zahlungen vom Geschäftsführer durchgeführt werden, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dienen.

  • Eine solche Grenze dürfte überschritten sein, wenn Zahlungen an Familienangehörige, Gesellschafter oder an Unternehmen geleistet werden, an denen der Geschäftsführer selbst beteiligt ist.
  • Auch bei Zahlungen an konzernangehörige Unternehmen, die im Rahmen eines Cash-Pools miteinander verbunden sind, dürften sich hier Grenzen ergeben.
  • Auch Zahlungen auf noch nicht fällige oder mit einer Einrede behafteten Gesellschafter- oder Fremdverbindlichkeit, Gesellschafterdarlehen, Rechnungen für nicht betriebsnotwendige Reparaturaufträge oder Bestellungen dürften nicht privilegiert sein.
  • Die Schadensersatzpflicht trifft den Geschäftsführer auch dann, wenn er im Einverständnis oder auf Anweisung der Gesellschafter gehandelt hat. Ihm ist im Zweifelsfall dringend anzuraten, entsprechende Zahlungsanweisungen der Gesellschafter nicht ohne vorherige anwaltliche Beratung zu befolgen.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht führt zwar dazu, dass keine Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung droht. Allerdings bleibt es weiter dabei, dass eine Strafbarkeit und eine persönliche Haftung bei Nichtabführung der Arbeitnehmerbeiträge nach § 266a StGB drohen kann. Viele Unternehmen haben sich während der Corona-Krise die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge stunden lassen. Hier müssen die Geschäftsführer auch im Falle einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht unbedingt darauf achten, dass nach Auslaufen der Stundung und bei entsprechender Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge zumindest die Arbeitnehmerbeiträge unbedingt gezahlt werden.

Was droht mir als Unternehmer oder Geschäftsführer, wenn ich zu spät den Insolvenzantrag stelle und feststelle, dass für mein Unternehmen die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gar nicht gilt?

Wenn der Unternehmer oder Geschäftsführer gegen die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages verstößt, macht er sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar.

Außerdem droht dem Unternehmer oder Geschäftsführer eine Schadensersatzpflicht, die er mit seinem Privatvermögen ausgleichen muss.

Er muss dann alle Zahlungen zurückzahlen, die ab dem Zeitraum der Insolvenzantragspflicht noch vom Unternehmen geleistet wurden. Lediglich solche Zahlungen, die betriebsnotwendig waren, sind hiervon nicht betroffen. Meistens handelt es sich hier um ganz erhebliche Haftungsbeträge.

Ihre Ansprechpartner

Dr. Jasper Stahlschmidt

Geschäftsführer, Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht
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