Die Anfechtungsrisiken der Gesellschafter

I. Einführung

Gesellschafter sind in der Insolvenz der Gesellschaft besonderen Anfechtungsrisiken ausgesetzt. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 24.02.2022 (IX ZR 250/20) die Voraussetzungen einer Anfechtung gegenüber den Gesellschaftern der Insolvenzschuldnerin konkretisiert. Die Risiken sind den Gesellschaftern oftmals nicht ausreichend bewusst. Die anfechtbaren Sachverhalte sind für den Insolvenzverwalter leicht zu identifizieren. Zudem sind die Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung gegenüber Gesellschaftern gering und mit vergleichsweise geringem Aufwand nachgewiesen. Die Abwehr derartiger Anfechtungen gegenüber den Gesellschaftern ist daher oftmals wenig aussichtsreich. Umso mehr müssen Gesellschafter bei der Finanzierung der Gesellschaft hinsichtlich einer möglichen Insolvenzanfechtung frühzeitig vorsorgen.

II. Anfechtung von Gesellschafterdarlehen

Nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO unterliegt die Rückführung von Gesellschafterdarlehen im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag oder danach der Insolvenzanfechtung. Der Anwendungsbereich ist in persönlicher und sachlicher Hinsicht weit zu verstehen. Damit geht der Anwendungsbereich des § 135 InsO weit über die Anfechtung von Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen hinaus. Erfasst sind Rückzahlungen von sämtlichen Finanzierungsleistungen der Gesellschafter und gleichgestellter Dritter. Gleichgestellte Dritte können insbesondere mittelbare Gesellschafter oder Gesellschafter von verbundenen Unternehmen sein. In sachlicher Hinsicht sind alle Leistungen von Gesellschaftern oder gleichgestellten Dritten zugunsten der Gesellschaft erfasst, die Finanzierungsfunktion haben.

Nach § 135 Abs. 1 InsO unterliegt auch die Rückzahlung von Darlehen eines nicht beteiligten Dritten, die ein Gesellschafter aus seinem Vermögen besichert hat, der Insolvenzanfechtung, sofern der Gesellschafter durch die Leistungen der Gesellschaft von seinen Sicherheiten befreit wurde.

Stellt der Gesellschafter etwa eine Bürgschaft oder eine Grundschuld an seiner privaten Immobilie für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft, unterliegen Zahlungen der Gesellschaft auf die Schuld der Gesellschaft der Insolvenzanfechtung, wenn und soweit der Gesellschafter hierdurch aus seiner Sicherheit befreit wurde.

In weiterer Analogie gilt das auch für den Fall der Doppelbesicherung. Der Kreditgeber der Gesellschaft verfügt beispielsweise über Grundschulden an einem Objekt der Gesellschaft und an einem privaten Objekt des Gesellschafters. Wird das Objekt der Gesellschaft im Anfechtungszeitraum verwertet und fließt der Erlös dem Kreditgeber zu, entsteht ein Erstattungsanspruch aus insolvenzrechtlicher Anfechtung gegen den Gesellschafter. Das gilt unabhängig davon, ob das Grundstück vor Eröffnung von der Schuldnerin oder nach Eröffnung vom Insolvenzverwalter verwertet wird. Denn die Gesellschaftersicherheit muss nach Auffassung des Bundesgerichtshofs im wirtschaftlichen Ergebnis vorrangig verwertet werden.

Nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unterliegt auch die Besicherung von Gesellschafterdarlehen am Vermögen der Gesellschaft der Insolvenzanfechtung, soweit die Sicherheit in den letzten zehn Jahren vor der Antragstellung oder danach gewährt worden ist.

Abgesehen von der Gläubigerbenachteiligung, die in der Regel unproblematisch ist, kennt § 135 InsO keine weiteren Tatbestandsvoraussetzungen.

Hintergrund der besonderen anfechtungsrechtlichen Haftung ist die Finanzierungsverantwortung der Gesellschafter. Stellt der Gesellschafter die erforderlichen Mittel darlehensweise zur Verfügung, wären seine Rückzahlungsansprüche nach § 39 InsO nachrangig.

III. Anfechtung von Austauschgeschäften mit Gesellschaftern

Oftmals bestehen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern auch diverse Leistungsbeziehungen. So erbringen Gesellschafter beispielsweise Dienstleistungen oder stellen Vermögensgegenstände zur Nutzung zur Verfügung. Das von der Gesellschaft an den Gesellschafter geleistete Entgelt kann nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar sein, wenn die Leistungen des Gesellschafters eine Finanzierungsfunktion hatten.

IV.  Der konkrete Fall

Der Bundesgerichtshof hat in einer jüngeren Entscheidung vom 24.02.2022 die Voraussetzungen insoweit konkretisiert (IX ZR 250/20).

In der zitierten Entscheidung ging es um den Anspruch eines Gesellschafters gegen die später insolvente GmbH auf Zahlung von Lizenzgebühren und um die Frage, ob dieser Anspruch wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen entspricht. Das sei nach Auffassung des Bundesgerichtshofs dann der Fall, wenn der Gesellschafter einen fälligen Anspruch darlehensfremder Art gegen die Gesellschaft nicht geltend macht. Eine rein faktische Stundung sei bei wirtschaftlicher Betrachtung bereits eine Darlehensgewährung.

Eine Darlehensgewährung scheide bei echtem Leistungsaustausch Zug um Zug oder bei bargeschäftlicher Abwicklung aus, d.h. zwischen Leistung und Gegenleistung dürfen maximal 30 Tage verstreichen. Außerhalb des Bargeschäftszeitraums kommt es darauf an, ob der verzögerte Leistungsaustausch nach der Vertragsgestaltung oder der tatsächlichen Handhabung in einer Gesamtschau den Schluss auf eine Kreditgewährung rechtfertige. Nach Art, Inhalt und Umständen des tatsächlich gewährten Zahlungszeitraums müsse aufgrund einer Gesamtwürdigung feststehen, dass der Gesellschafter eine Finanzierungsentscheidung zugunsten der Gesellschaft getroffen hat.

Entscheidend sei die Analyse des Einzelfalls. Eine vorherige Fälligkeitsvereinbarung könne erst dann einer Darlehensgewährung gleichstehen, wenn sie deutlich von den marktüblichen Konditionen abweiche. Eine Darlehensgewährung könne in der Regel aber angenommen werden, wenn der Gesellschafter seine Forderung länger als drei Monate stehengelassen hat, also trotz Fälligkeit seiner Forderung untätig geblieben ist.

V. Handlungsempfehlungen

Gesellschafter sollten Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur in dem Bewusstsein um bestehende Anfechtungsrisiken besichern. Das Ausfallrisiko des Gesellschafters reduziert sich insbesondere nicht dadurch, dass die gesicherte Schuld auch mit Gesellschaftssicherheiten besichert ist.

Austauschgeschäfte zwischen Gesellschafter und Gesellschaft müssen mit Weitblick gestaltet werden. Zusammenfassend erhöht sich das Anfechtungsrisiko der Gesellschafter je mehr Zeit zwischen Leistung und Gegenleistung verstreicht. Vorbeugend sollten im Rahmen der Gepflogenheiten im Voraus möglichst langfristige Zahlungsziele vereinbart werden. Liegen mehr als 30 Tage zwischen Leistung und Gegenleistung kommt es auf eine Einzelfallentscheidung an, die möglichst bereits vermieden werden sollte. Bei einem Zeitraum von mehr als drei Monaten ist das Anfechtungsrisiko manifest.

Der BGH stellt auch darauf ab, ob der Gesellschafter Maßnahmen ergriffen hat, seine Ansprüche gegen die Gesellschaft durchzusetzen. Die Untätigkeit des Gesellschafters wertet der BGH als Indiz für eine Finanzierungsleistung. Daher muss auch eine Untätigkeit im Einzelfall abgewogen werden.

Vorleistungen der Gesellschaft stehen der Annahme, die Leistungen des Gesellschafters hätten Finanzierungsfunktion, zwar entgegen. Insoweit haben die Gesellschafter aber zur Vermeidung anderweitiger Anfechtungstatbestände u. a. darauf zu achten, dass sie die Vorleistung der Gesellschaft auch zu beanspruchen haben.

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Rechtsanwalt Daniel Eckart

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