Die Zahlungsunfähigkeit – Chancen und Risiken für Unternehmen und Geschäftsleitung

Die Zahlungsunfähigkeit bietet Unternehmen und Geschäftsleitung Chancen und Risiken. Unternehmen mit Liquiditätsproblemen versuchen aus Angst vor einer Insolvenz meist bis zuletzt, ihren Zahlungsverpflichtungen mit der noch vorhandenen Liquidität so gut es geht nachzukommen. Sollten nicht mehr alle Forderungen rechtzeitig bedient werden können, liegt in der Regel der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit vor.

Diese Situation hält für Unternehmen und Geschäftsleitung gleichermaßen erhebliche Chancen und Risiken parat, die Sie kennen sollten. Wenn Sie wissen möchten, wie Sie eine Zahlungsunfähigkeit rechtzeitig erkennen und was Sie tun können, um Haftungsrisiken zu minimieren und dem Betrieb in der Insolvenz eine Zukunft zu geben, sollten Sie weiterlesen.

  1. Wann liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor?

Definition von Zahlungsunfähigkeit: Eine Zahlungsunfähigkeit liegt gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Unter Fälligkeit wiederum versteht man laut Definition den Zeitpunkt, zu dem ein Gläubiger berechtigt ist, die Zahlung zu verlangen.

Kann ein Unternehmen als Schuldner nicht all seine fälligen Verbindlichkeiten rechtzeitig zahlen, sollte in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH umgehend ein stichtagsbezogener Zahlungsstatus erstellt werden.

Eine kurzfristige Liquiditätslücke bedeutet jedoch nicht in jedem Fall direkt eine Zahlungsunfähigkeit und damit den Eintritt der materiellen Insolvenz. Es kann sich insoweit auch lediglich um eine Zahlungsstockung handeln.

Lassen Sie sich durch einen kompetenten Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Insolvenzrecht beraten und nehmen Sie hierzu unverbindlich Kontakt mit uns auf.

  1. Abgrenzung der Zahlungsunfähigkeit zur Zahlungsstockung

Es kann aufgrund unterschiedlichster Gründe immer mal vorkommen, dass die Liquiditätslage eines Unternehmens angespannt ist und nicht alle fälligen Verbindlichkeiten rechtzeitig gezahlt werden können.

Der BGH sieht in seiner Rechtsprechung eine Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO grundsätzlich als gegeben an, wenn der Schuldner zum Stichtag 10 Prozent oder mehr seiner fälligen Verbindlichkeiten mit den vorhandenen bzw. den innerhalb von drei Wochen aller Voraussicht nach zu generierenden liquiden Mitteln nicht erfüllen kann. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der BGH eine Insolvenz aufgrund von Zahlungsunfähigkeit daher nicht als gegeben ansieht, wenn der Schuldner die Liquiditätslücke kurzfristig, d. h. innerhalb von drei Wochen beheben kann.

In Ausnahmefällen liegt auch bei einer Überschreitung der Liquiditätslücke von mehr als 10 Prozent der fälligen Verbindlichkeiten keine Zahlungsunfähigkeit vor. Nämlich dann, wenn mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.“

Unter Berücksichtigung des Vorgesagten sieht der BGH eine Zahlungsunfähigkeit damit in aller Regel noch nicht als gegeben an, wenn die bestehende Liquiditätslücke weniger als 10 Prozent der insgesamt fälligen Verbindlichkeiten beträgt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegt laut BGH jedoch dann vor, wenn zum Stichtag bereits absehbar ist, dass die Liquiditätslücke demnächst mehr als 10 Prozent der fälligen Verbindlichkeiten betragen wird.

Die insolvenzrechtliche Rechtsprechung ist nicht immer einfach zu durchschauen. Lassen Sie sich daher idealerweise durch einen Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Insolvenzrecht beraten, wenn Ihr Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt.

  1. Die Zahlungseinstellung und deren Bedeutung für Gläubiger

Eine Zahlungsunfähigkeit ist gem. § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Weitere Indizien für eine Zahlungseinstellung liegen u. A. in folgenden Fällen vor:

  • Löhne und Gehälter werden ganz oder teilweise nicht gezahlt
  • Schuldner reagiert nicht auf Rechnungen oder Zahlungsaufforderungen
  • Dauerhaft schleppende Zahlungsweise
  • Schuldner hält Zahlungszusagen nicht ein

Die Frage nach der Zahlungseinstellung und dem damit vermuteten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit respektive der Insolvenz ist insbesondere mit Blick auf die von Insolvenzverwaltern im Rahmen des Insolvenzverfahrens angestrengten Anfechtungsklagen relevant.

Die Insolvenzanfechtung kann zur Folge haben, dass Monate oder gar Jahre zurückliegende Zahlungen des Schuldners an einen oder mehrere Gläubiger zurückgeholt werden können. Dies kann existenzbedrohende Konsequenzen für den betroffenen Gläubiger haben.

  1. Welche Konsequenzen folgen aus einer Zahlungsunfähigkeit für die Geschäftsleitung eines Unternehmens?

Wird eine zahlungsunfähige Unternehmung in den weit verbreiteten Gesellschaftsform GmbH, AG oder GmbH & Co. KG betrieben, dann besteht für die Geschäftsleitung gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO eine Insolvenzantragspflicht. Der Eröffnungsantrag ist nach dem Insolvenzrecht ohne schuldhaftes Zögern, spätestens jedoch drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu stellen.

Dabei sollten Geschäftsleiter auch beachten, dass es mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wenn ein Insolvenzantrag

  • nicht oder
  • nicht rechtzeitig oder
  • nicht richtig

gestellt wird. Dafür gibt es seit Inkrafttreten des neuen § 15b InsO am 01.01.2021 nun endlich eine Regelung im Insolvenzrecht in Bezug auf Zahlungen, die nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (bzw. Überschuldung) getätigt wurden.

Demnach dürfen grundsätzlich nun solche Zahlungen vorgenommen werden, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Dazu gehören u. A. solche, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen. Aber auch die Beauftragung und Zahlung von Sanierungsberatern ist davon in aller Regel gedeckt.

Diese Privilegierung gilt allerdings nur im Rahmen des für die Antragstellung maßgeblichen Zeitraums und auch nur dann, wenn währenddessen Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags betrieben werden und der Antrag im Ergebnis rechtzeitig gestellt wird. Ansonsten entfällt die Privilegierung mit entsprechenden Wirkungen auch für die Geschäftsleitung.

Die Situation rund um eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit (bzw. Überschuldung) und die damit einhergehende Insolvenzantragspflicht ist für die Geschäftsleitung in aller Regel mit erheblichen Haftungsrisiken verbunden.

Sollten Sie in Bezug auf die Feststellung einer Zahlungsunfähigkeit und der daraus folgenden Konsequenzen Beratungsbedarf haben, nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf.

Die Erstberatung ist selbstverständlich kostenfrei.

  1. Welche Optionen hat ein zahlungsunfähiges Unternehmen?

Ist ein Betrieb zahlungsunfähig, sieht das deutsche Insolvenzrecht mittlerweile diverse Optionen vor. Die Fortführung und der Erhalt des Schuldners stehen dabei im Fokus. Ist ein Betrieb aufgrund mangelnder Liquidität zahlungsunfähig, muss die Insolvenz heutzutage nicht mehr automatisch das Ende bedeuten. Folgende Handlungsmöglichkeiten bestehen:

Dabei ist für die erfolgreiche Durchführung eines solchen Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung, dass die Unternehmung über ein funktionierendes Geschäftsmodell und idealerwiese über eine verständige Geschäftsleitung verfügt.

Die Eigenverwaltung selbst bietet die Chance für einen echten Neustart, denn im Rahmen des Insolvenzverfahrens bestehen diverse Möglichkeiten der operativen Sanierung und es winken handfeste Liquiditätseffekte.

Aufgrund der Komplexität einer Betriebsfortführung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung, ist jedoch die vorherige Beratung sowie Begleitung durch einen im Insolvenzrecht erfahrenen Rechtsanwalt unbedingt zu empfehlen.

Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf.

  1. Restrukturierung ohne Insolvenzverfahren

Mit Einführung des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (kurz: StaRUG) zum 01.01.2021 ist die Restrukturierung außerhalb der Insolvenz gestärkt worden. Kernelement ist der darin geregelte Restrukturierungsplan.

Allerdings ist der Anwendungsbereich lediglich für solche Schuldner eröffnet, die nur drohend zahlungsunfähig sind. Insoweit kommt der Feststellung einer bestehenden (drohenden) Zahlungsunfähigkeit erhebliche Bedeutung zu. Denn danach richtet sich die weitere Vorgehensweise.

  1. Fazit

Kann ein Unternehmen seine fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen, ist es zahlungsunfähig und die Geschäftsleitung insolvenzantragspflichtig. Wird der Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt, riskiert die Geschäftsleitung nicht nur erhebliche Haftungsrisiken. Auch die Möglichkeit einer Sanierung des Schuldners im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens wird dadurch erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. Je früher Risiken erkannt und Gegenmaßnahmen ergriffen werden, desto mehr Sanierungsoptionen bestehen. Dies gilt erst recht nach Einführung des StaRUG.

Philipp Wolters

Philipp Wolters LL.M. (UK)

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht
T +49 211 828 977-245
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