Privatinsolvenz – Ein Rettungsanker auch für Unternehmer

Die Privatinsolvenz dient nicht nur als letzter Ausweg für Verbraucher, sondern auch als Rettungsanker für Unternehmen. In unserem Artikel erfahren Sie, wie Unternehmer unabhängig von ihrer Unternehmensgröße oder Position innerhalb von 36 Monaten durch Privatinsolvenz schuldenfrei werden und einen Neuanfang starten können.

Beim Thema Privatinsolvenz denken die meisten Menschen lediglich an Verbraucher bzw. Konsumenten. Das damit verbundene Bild des arbeitslosen und im Leben gescheiterten Menschen ist in diesem Zusammenhang ebenso weit verbreitet wie falsch.

Privatinsolvenz ist nicht gleichbedeutend mit Verbraucherinsolvenz. Denn die Privatinsolvenz ermöglicht es jedem Menschen – auch Unternehmern – in Deutschland in nur 36 Monaten schuldenfrei zu sein.

Egal also, ob Verbraucher oder Unternehmer, ob Kleinunternehmer, Geschäftsführer einer GmbH oder selbstständiger Handwerker: Jedem steht die Möglichkeit zum wirtschaftlichen Neuanfang in nur drei Jahren offen. Und das Besondere: Diese einmalige Chance ist an nur sehr wenige Bedingungen geknüpft. So kann aus einem Scheitern und einer Pleite der Startschuss für eine neue Unternehmung sowie ein Neuanfang werden.

  1. Wie kommt es zur Privatinsolvenz von Unternehmern – schützt nicht die GmbH?

Wer eine Geschäftsidee hat und diese umsetzen möchte, nutzt häufig eine juristische Person, um Haftungsrisiken auszuschließen. Eine GmbH, UG oder Limited ist schnell gegründet. Gerade Startups hoffen so, ohne Risiko eine gewagte Idee einmal am Markt ausprobieren zu können. Aber auch Handwerksbetriebe, Kleinunternehmer, Freiberufler und Selbstständige jeder Branche versuchen Risiken für das Privatvermögen des Inhabers durch die Nutzung von Gesellschaften auszuschließen.

Dies gelingt aber nicht. Der Geschäftsführer der GmbH, der Vorstand einer AG und jeder andere Geschäftsleiter steht Tag für Tag mit einem Bein in der persönlichen Haftung und mit dem anderen im Gefängnis. Der Grund hierfür sind zahlreiche Haftungsvorschriften im Fall der übersehenen Insolvenz.

2. Wer haftet persönlich bei fahrlässig übersehener Insolvenz?

Es gibt Dienstleister und Insolvenzverwalter, die offen aussprechen, dass sie im Fall der Insolvenz einer Gesellschaft jeden Gesellschafter und Geschäftsführer in die Haftung bekommen. Schnell sind dann mehrere Hunderttausend Euro Haftungssumme zusammen.

Denn die Rechtsprechung verlangt von einem Geschäftsführer, dass er die finanzielle Situation der Gesellschaft tagesaktuell im Blick hat. Stellt sich nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens heraus, dass die Gesellschaft schon zahlungsunfähig oder überschuldet war als sie noch Gehälter, Versicherungsbeiträge oder Umsatz- und Gewerbesteuer zahlte, haftet der Geschäftsführer für jede dieser Zahlungen persönlich. Ebenso haftet der Geschäftsführer für Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung und die Lohnsteuer persönlich, obwohl die Zahlungspflicht eigentlich nur die Gesellschaft trifft. Und dann sind da auch noch Banken und andere Gläubiger, die vom Gesellschafter zur Verfügung gestellte Sicherheiten − wie Bürgschaften − in Anspruch nehmen.

Kurzum: Wenn Sie eine Geschäftsidee haben und als Gesellschafter und Geschäftsführer denken, Sie seien vor einer persönlichen Haftung geschützt, dann ist dies bestenfalls die halbe Wahrheit.

3. Worin liegen mögliche Verhandlungslösung durch Privatinsolvenz?

Wenn die Anzahl der Gläubiger überschaubar ist, dann ist die Privatinsolvenz ein äußerst wirkungsvolles Druckmittel für Verhandlungen mit den Gläubigern. Denn der Gläubiger kann während der Privatinsolvenz nicht vollstrecken. Alle pfändbaren Einkommensanteile gehen an den Insolvenzverwalter über, der von dem auf diese Weise in drei Jahren eingesammelten Geld zunächst die Kosten des Insolvenzverfahrens einschließlich seiner Vergütung bezahlt. Nur der verbleibende Rest wird als sogenannte Insolvenzquote an die Gläubiger ausgezahlt.

Es liegt auf der Hand: Bietet der Schuldner seinen Gläubigern denselben Betrag an, den er in drei Jahren an den Insolvenzverwalter zahlen würde, dann stellen sich die Gläubiger ohne Insolvenzverfahren besser: Sie müssen das vorhandene Geld nicht mit dem Gericht und dem Insolvenzverwalter teilen.

Bietet der Schuldner darüber hinaus noch einen „Bonus“ an, indem er sich Geld von seiner Familie leiht − welches im Fall der Insolvenz gar nicht zur Verfügung stehen würde − ist die Einigung ohne Insolvenzverfahren der wirtschaftlich sinnvollste Weg für den Gläubiger.

Und wenn die Verhandlungen scheitern, dann besteht die Option der Privatinsolvenz, die weniger schlimm und dramatisch ist als Viele meinen. Denn insoweit existieren etliche falsche Annahmen, unnötige Befürchtungen und grobe Fehleinschätzungen.

4. Welches sind die drei häufigsten Irrtümer zur Privatinsolvenz?

Wie ich auch in meinem Interview in der Sendung MDR um Elf und in meinem Buch Privatinsolvenz – So gelingt der wirtschaftliche Neuanfang, Leitfaden für Unternehmer und Verbraucher beschreibe, bestehen über die Folgen einer Privatinsolvenz zahlreiche Irrtümer. Die drei häufigsten Irrtümer zum Thema Privatinsolvenz sind nach meiner Erfahrung die Folgenden:

a. „Bei einer Privatinsolvenz verliere ich alles.“

Falsch. Sie behalten dasselbe, was Ihnen auch ohne eine Insolvenz bleibt. Ihre Gläubiger betreiben ohne Insolvenz die Einzelzwangsvollstreckung oder Sie zahlen alles mühsam in Raten ab. Zinsen und Kosten machen jeden Fortschritt zunichte. Ein Schritt vor und zwei zurück. Eine unendliche Geschichte, bei der Sie die Schulden nie loswerden. Anders bei der Privatinsolvenz: Sie zahlen nur, was auch außerhalb der Insolvenz zu zahlen ist. Bei Lohn und Gehalt also die pfändbaren Beträge. Denn die bekannte Pfändungstabelle gilt auch in der Insolvenz. Innerhalb wie außerhalb der Insolvenz ist auch eine angemessene Altersvorsorge geschützt.

b. „In der Privatinsolvenz und danach kann ich nicht mehr selbstständig tätig oder Geschäftsführer sein.“

Falsch. Sie können selbstständig tätig sein – auch trotz Privatinsolvenz. Und zwar vor, während und nach der Insolvenz. Es gibt für Einzelunternehmen bzw. Freiberufler keinerlei Einschränkungen. Sie können auch mehrere Tätigkeiten ausüben. In der Regel dürfen Sie sogar alle Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit behalten und müssen an den Insolvenzverwalter nur dasjenige zahlen, was Sie als Angestellter verdienen könnten. Und zwar an Ausbildung, Lebensalter und Arbeitsmarkt orientiert auf Grundlage einer fiktiven Berechnung. Auch Probleme mit Verwaltungsbehörden können regelmäßig ausgeräumt werden. Und selbstverständlich können Sie auch als selbstständiger Einzelunternehmer Geschäftsführer einer oder mehrerer Gesellschaften sein.

c. „Man kann mich in der Privatinsolvenz zum Arbeiten zwingen – auch als Rentner.“

Falsch. Sie können auch in der Privatinsolvenz nicht zur Arbeit gezwungen werden. Für Rentner ist dies schon durch den Bundesgerichtshof entschieden. Für alle anderen Personen gilt, dass es grundsätzlich ihnen obliegt, sich um eine Arbeit zu bemühen und einer Arbeit nachzugehen. Verstoßen Sie gegen diese Pflicht, kann Ihnen auf Antrag eines Gläubigers die Erteilung der Restschuldbefreiung versagt werden. Sie werden dann also nicht schuldenfrei.

Aber erstens: Diese Anträge werden in der Praxis kaum gestellt, weil sie den Gläubiger Geld kosten und er Vieles beweisen muss. Und zweitens besteht die Pflicht nur, soweit eine Arbeit zumutbar ist. Kriterien sind wiederum Alter, Gesundheitszustand, Ausbildung und mehr. Wer sich bewirbt und dies dokumentieren kann, ist auf der sicheren Seite.

5. Fazit: Ein Privatinsolvenzverfahren ermöglicht es, schuldenfrei zu werden

Jeder kann in 36 Monaten schuldenfrei sein, egal ob Kleinunternehmer, Selbstständige oder Konsumenten. Das schafft Verhandlungsspielraum gegenüber Gläubigern. Lassen Sie sich rechtzeitig beraten, welcher Weg für Sie der richtige ist. Ob außergerichtlicher Vergleich, Sanierungsmoderation oder ein Privatinsolvenzverfahren mit und ohne Insolvenzplan: Das deutsche Insolvenz- und Sanierungsrecht bietet für jeden eine maßgeschneiderte Lösung, um wirtschaftlich neu anzufangen.

BBR ist ausgezeichnet!

Ihr Ansprechpartner

Philipp Wolters

Philipp Wolters LL.M. (UK)

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Düsseldorf
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