Ablaufbeispiel eines Eigenverwaltungsverfahrens  – Zwischenruf aus dem Maschinenraum des Sanierungsverfahrens

Keine Angst vor der Sanierung im Insolvenzverfahren!

Immer noch haben (zu) viele Unternehmer eine gewisse Skepsis gegenüber bzw. Angst vor dem bösen I-Wort. Dies ist schade, bietet doch die Insolvenzordnung seit 1999 mit dem Eigenverwaltungsverfahren und dem Insolvenzplan eine starke Sanierungsoption, die dem Unternehmer die Möglichkeit eröffnet, seinen Betrieb zu erhalten.

Aufgrund der langjährigen Erfahrung des Verfassers beruht dieser Befund in der Hauptsache auf einer tatsächlich unbegründeten Angst vor dem Unbekannten. Im Folgenden soll deshalb in aller Kürze einmal der grobe und eigentlich doch ganz einfache Ablauf eines solchen Verfahrens in den ersten (den hektischsten; danach ist das Gröbste für die internen Abläufe in der Regel auch bereits überstanden) Tagen aus operativer Sicht geschildert werden.

Situation nach Antragstellung

In den weitaus meisten Fällen erhält das sich in der Krise befindende Unternehmen noch am Tag der Insolvenzantragstellung den Beschluss. Das Beraterteam ist im Unternehmen und bespricht mit den Geschäftsführern, wie die Einstellung der neuen Prozesse funktioniert. Sodann erfolgt die initiale Abstimmung mit dem bestellten (vorläufigen) Sachwalter. Gemeinsam mit diesem informieren die Handelnden auf Seiten der Schuldnerin an diesem Tag auch die Mitarbeitenden sowie die leitenden Angestellten in einer Generalversammlung über die Antragstellung und das Verfahren. Dabei wird vor allem die Vorbereitung der für die drei Monate des vorläufigen Insolvenzverfahrens stattfindenden Insolvenzgeldvorfinanzierung mit allen Beteiligten geplant. Das zu sanierende Unternehmen zahlt für diese drei Monate keine Löhne und Gehälter.

Den Mitarbeitern wird in diesem Zusammenhang von allen Beteiligten (Sanierungsberater/CRO, Geschäftsführer und vorläufiger Sachwalter) zugesichert, dass diese auch weiter regelmäßig im Rahmen eines für alle Beteiligten transparent geführten Verfahrens informiert werden. Das schafft das notwendige Vertrauen in der Belegschaft.

Das Erstgespräch dient dazu, dem (vorläufigen) Sachwalter einen Überblick über das Geschäftsmodell der Schuldnerin, die finanzielle Situation und das Sanierungskonzept zu verschaffen. Bei diesem Termin wird auch die weitere Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und vorläufigem Sachwalter abgeklärt und insbesondere eine enge Abstimmung vereinbart. Der (vorläufige) Sachwalter ist als „Schiedsrichter“ die wichtigste Aufsichtsinstanz über die weitere Geschäftsführung der eigenverwaltenden Unternehmensorgane und ihrer Berater.

Das Unternehmen wird während des gesamten Verfahrensablaufs durch seine Sanierungsberater (teilweise im Organ als CRO) begleitet. Diese erstellen auch in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen das entsprechende Zahlenmaterial, insbesondere die Liquiditätsplanung, und müssen während des Verfahrens gemeinsam mit dem (vorläufigen) Sachwalter sämtliche durch das Unternehmen erfolgenden Zahlungen prüfen und freigeben. So haben alle Lieferanten – aber auch das Unternehmen selbst! – die Sicherheit, dass sämtliche Bestellungen während des Verfahrens auch bezahlt werden können.

In den nun folgenden ersten ein bis zwei Wochen werden letzte Fragen der Bundesagentur für Arbeit geklärt, um das Insolvenzgeld wie geplant und pünktlich an die Mitarbeiter auszahlen zu können. Für die verfahrensnotwendigen Dienstleister (Bewerter, Insolvenzbuchhaltung, Kassenprüfung, Verfahrensversicherung CRO und (vorläufiger) Sachwalter) werden jeweils mehrere Angebote von aus dem Markt bekannten/renommierten Büros eingeholt. Diese werden dann gemeinsam mit dem (vorläufigen) Sachwalter besprochen, von diesem genehmigt und erst dann beauftragt.

Der Ablauf zur Freigabe des Zahlungsverkehrs sowie des Bestellwesens ist festzulegen. Eine Inventur des Anlage- und Umlaufvermögens auf den Stichtag der Antragstellung findet entweder über das System des Unternehmens (mitsamt einer stichprobenhaften Überprüfung durch den zu beauftragenden Bewerter) oder tatsächlich physisch statt.

Finanzielle Situation und Liquiditätsplanrechnung

Das Unternehmen benötigt Guthabenkonten. Mit den involvierten Hausbanken steht die Eigenverwaltung deshalb von Beginn an in engem Austausch wegen des weiteren Vorgehens.

Der Sanierungsberater hat in Abstimmung mit dem Unternehmen mit Antragstellung eine Liquiditätsplanung erstellt, die nunmehr in kurzen Abständen aktualisiert und abgeglichen wird.

Der (vorläufige) Sachwalter erhält dann regelmäßig diese aktualisierten Liquiditätsplanungen. Abschließend werden Wochenmeldungen mit den Geschäftsvorfällen an ihn versandt. Auf sämtliche benötigte Unterlagen und Informationen (inkl. der täglichen Kontoauszüge) können die jeweils zuständigen Mitarbeiter im Unternehmen sowie der (vorläufige) Sachwalter auch über seinen Zugang zu dem eigens eingerichteten Datenraum jederzeit zurückgreifen.

Information der Kunden und Gläubiger

In Abstimmung mit dem (vorläufigen) Sachwalter werden die Lieferanten und Kunden im Wege jeweils gesonderter Anschreiben informiert. Die kontoführenden Banken sowie die wichtigsten Kunden/Lieferanten wurden durch die Geschäftsführung gemeinsam mit den Beratern gesondert informiert.

Idealerweise erarbeitet die Presseabteilung des Sanierungsberaters zudem eine kurze Erklärung für den Fall, dass ein proaktiver Umgang mit lokalen Medien notwendig werden sollte.

Operatives Geschäft und Maßnahmen während des weiteren Verfahrens

Nach diesen ersten − vor allem aufgrund der notwendigen Umstellungen unternehmensinterner Abläufe − hektischen Wochen, werden sich alle Beteiligten intensiv bemühen, den Geschäftsbetrieb zu stabilisieren und die Umstrukturierung/Optimierung der internen operativen Prozesse des Unternehmens gemäß dem erarbeiteten Sanierungskonzept bestmöglich umzusetzen.

Autor: Dr. Alexander Verhoeven

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