Erhaltung des Apothekenwerts im Insolvenzplanverfahren und gesetzliche Privilegierung des sanierenden Apothekers

Die Insolvenz einer Apotheke stellt sowohl für den Inhaber als auch für die Gläubiger eine komplexe Herausforderung dar. Die Einzigartigkeit des Apothekenbetriebes, die auf spezifischen rechtlichen Rahmenbedingungen beruht, erfordert besondere Berücksichtigung im Insolvenzverfahren.

Sonderstellung der Apothekeninsolvenz

In der Insolvenz einer Apotheke sind das Fremdbetriebsverbot (§ 7 ApoG) und das Apothekenmonopol (§ 43 Abs. 1 S. 1 AMG) zu beachten. Die Erlaubnis zur Führung einer Apotheke ist personengebunden (§ 1 Abs. 3 ApoG) und § 7 ApoG verpflichtet den Apotheker zur persönlichen Leitung in eigener Verantwortung. Daher darf keine andere Person in pharmazeutischer oder wirtschaftlicher Hinsicht bestimmenden Einfluss auf den Apothekenbetrieb haben. § 5 ApoG erfasst auch das Mitbetreiben einer Apotheke durch den Insolvenzverwalter (vgl. Keramati/Hölken NZI 2019, 833ff).

Bedeutung der Eigenverwaltung

Würde ohne Anordnung der Eigenverwaltung ein Insolvenzverwalter für die Apotheke bestellt, würde die Apothekenkammer die Filialen zwangsstillegen (§ 5 ApoG).

Werthaltige Kontakte zu Ärzten und Kliniken sowie das Personal wären bei einem Verkauf nach mehrmonatiger Schließung nicht mehr vorhanden, und eine qualifizierte Beantwortung von Beanstandungen der Rezeptabrechnungen nicht mehr gewährleistet. Aufgrund dieser erheblichen Vernichtung der Vermögenswerte der Apothekenbetriebe bei gleichzeitig vorab zu befriedigenden Auslaufverbindlichkeiten für Mieträume und Personal könnten die Gläubiger in einem Insolvenzverfahren einer Apotheke ohne Eigenverwaltung in der Regel nicht mit einer quotalen Befriedigung rechnen.

Aufgrund der apothekenrechtlichen Bestimmungen können die Werte der Apotheke (Firmenwert, Warenlager) nur bis zum Verkauf eines Teils der Apotheke erhalten werden, wenn der Apotheker die Apotheke bis zu diesem Zeitpunkt in der Eigenverwaltung fortführt. Ein Ersatz des insolventen Inhabers durch eine Notvertretung ist nicht zulässig.

Apotheker als Schlüsselfigur

Die apothekenrechtliche Sonderstellung verschafft dem Apothekeninhaber im Rahmen einer Insolvenzplansanierung eine starke Verhandlungsposition.

Insolvenzpläne können grundsätzlich aufgrund des in § 245 InsO normierten Obstruktionsprinzips auch dann wirksam bestätigt werden, wenn die erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht wurden, sofern die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan zugestimmt hat, die Angehörigen der nicht zustimmenden Gruppe durch den Insolvenzplan nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne Plan stünden, und sie an den wirtschaftlichen Werten, die den Gläubigern auf Grundlage des Plans zufließen sollen, angemessen beteiligt werden.

Problematisch ist dabei jedoch, dass eine solche angemessene wirtschaftliche Beteiligung voraussetzen würde, dass dem plansanierenden Einzelkaufmann aus dem Insolvenzplan kein Wert zufließt.

Diese Regelung widerspricht jedoch dem außerordentlichen Beitrag, den der Apotheker durch die Fortführung des Apothekenbetriebs bis zum Verkauf eines Teils der Filialen zur Erhaltung des an die Gläubiger zu verteilenden Unternehmenswertes leistet.

Wir haben daher bereits vor der nun erfolgten Gesetzesänderung in unseren Insolvenzplänen argumentiert, dass dem Apotheker diese Fortführung nur zugemutet werden kann, wenn er auch einen Teil des Sanierungserfolgs erhalten darf und nur einen Teil an die Gläubiger abgeben muss. Dieser Argumentation ist auch das Amtsgericht Osnabrück im Rechtsmittelverfahren gefolgt (AG Osnabrück, Beschl. V. 12.07.2017 – 38 IN 25/15, BeckRS 2017, 118498).

Gesetzesänderungen und deren Auswirkungen

Im Rahmen der letzten Insolvenzplanreform wurde nun folgende, speziell auf Apotheker zugeschnittene gesetzliche Regelung eingeführt:

§ 245 Abs. 2 S. 2 u. 3 InsO (seit 01.01.2021)

„Handelt es sich bei dem Schuldner um eine natürliche Person, deren Mitwirkung bei der Fortführung des Unternehmens infolge besonderer, in der Person des Schuldners liegender Umstände unerlässlich ist, um den Planmehrwert zu verwirklichen, und hat sich der Schuldner im Plan zur Fortführung des Unternehmens sowie dazu verpflichtet, die wirtschaftlichen Werte, die er erhält oder behält, zu übertragen, wenn seine Mitwirkung aus von ihm zu vertretenden Gründen vor Ablauf von fünf Jahren oder einer kürzeren, für den Planvollzug vorgesehenen Frist endet, kann eine angemessene Beteiligung der Gläubigergruppe auch dann vorliegen, wenn der Schuldner in Abweichung von Satz 1 Nummer 2 wirtschaftliche Werte erhält.

Aufgrund dieser Überlegung sehen nunmehr auch die Vorschriften für den außergerichtlichen Restrukturierungsplan in § 28 StaRUG eine entsprechende Regelung vor:

§ 28 Durchbrechung der absoluten Priorität

(1) Der angemessenen Beteiligung einer Gruppe von planbetroffenen Gläubigern am Planwert steht es nicht entgegen, wenn eine von § 27 Absatz 1 Nummer 3 abweichende Regelung nach der Art der zu bewältigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und nach den Umständen sachgerecht ist.

Eine von § 27 Absatz 1 Nummer 3 abweichende Regelung ist nicht sachgerecht, wenn auf die überstimmte Gruppe mehr als die Hälfte der Stimmrechte der Gläubiger der betroffenen Rangklasse entfällt.

(2) Einer angemessenen Beteiligung einer Gruppe von planbetroffenen Gläubigern am Planwert steht es nicht entgegen, wenn der Schuldner oder eine an dem Schuldner beteiligte Person entgegen § 27 Absatz 1 Nummer 2 am Unternehmensvermögen beteiligt bleibt, sofern

1.
die Mitwirkung des Schuldners oder der an dem Schuldner beteiligten Person an der Fortführung des Unternehmens infolge besonderer, in seiner Person liegender Umstände unerlässlich ist, um den Planwert zu verwirklichen,

und sich der Schuldner oder die an dem Schuldner beteiligte Person im Plan zu der erforderlichen Mitwirkung sowie zur Übertragung der wirtschaftlichen Werte für den Fall verpflichtet, dass seine Mitwirkung aus von ihm zu vertretenden Gründen vor dem Ablauf von fünf Jahren oder einer kürzeren, für den Planvollzug vorgesehenen Frist endet oder

2.
die Eingriffe in die Rechte der Gläubiger geringfügig sind, insbesondere, weil die Rechte nicht gekürzt werden und deren Fälligkeiten um nicht mehr als 18 Monate verschoben werden

Diese Durchbrechung der absoluten Priorität basiert auf folgender Überlegung:

Wenn ein Plan nur mit persönlichem Einsatz des sanierenden Unternehmers umsetzbar ist und dadurch letztlich der Planmehrwert realisiert werden kann, kann es im Einzelfall angemessen sein, dem sanierenden Unternehmer für diesen Einsatz zur Fortführung des Unternehmens einen Wert zu belassen oder zukommen zu lassen, der zum Zeitpunkt der Planumsetzung nicht oder nicht vollständig durch eine Leistung in die Insolvenzmasse ausgeglichen wird. In einer solchen Situation soll es im Interesse der Gläubigergesamtheit auch möglich sein, die Mehrheit der Gläubigergruppen durch das Obstruktionsverbot zu schützen (vgl. Mohrbutter / Ringstmeier / Meier, Handbuch Insolvenzverwaltung, 10. Aufl. 2022, Kapitel 14, Rn. 248)

Praktische Anwendung und maßgeschneiderte Lösungen

Auf dieser Grundlage kann eine individuelle Lösung erarbeitet werden, die auf den jeweiligen Apothekenbetrieb und die Sanierungsziele des sanierenden Apothekers zugeschnitten ist.

Umfasst der Apothekenbetrieb z. B. mehrere Apotheken, ist aufgrund dieser gesetzlichen Grundlage auch eine Sanierung zulässig, die die Finanzierung der Gläubigerbefriedigung durch den Verkauf eines Teils der Filialen vorsieht und dem eigenverwaltenden Apotheker mindestens einen Standort zur eigenverantwortlichen Fortführung belässt.

Fazit

Die vorgestellten rechtlichen Rahmenbedingungen ermöglichen eine maßgeschneiderte Sanierung, die auf die speziellen Bedürfnisse des Apothekenbetriebs und des Inhabers abgestimmt ist. Die speziellen rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Apotheken erfordern im Insolvenzfall eine besondere Vorgehensweise. Die jüngsten Gesetzesänderungen bieten sowohl für den Apotheker als auch für die Gläubiger eine verbesserte Grundlage, um den Unternehmenswert zu erhalten und gleichzeitig die Sanierungsziele zu erreichen.

Über den Autor

Rechtsanwalt Fritz Rabenhorst

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