Arbeitsrecht im Insolvenz- und StaRUG-Verfahren

StaRUG: Neuer Rechtsrahmen seit 2021

Zum 01. Januar 2021 ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) in Kraft getreten. Bereits in unseren letzten Newslettern erläuterten wir die Möglichkeiten, die sich hieraus ergeben, und berichteten auch über erste Erfahrungen aus den von uns begleiteten Fällen.

Insolvenzverfahren und Arbeitsrecht

Für das Insolvenzverfahren sieht die Insolvenzordnung diverse arbeitsrechtliche Besonderheiten vor, so dass die Frage erlaubt sein muss, welche Besonderheiten im Vergleich hierzu in einem StaRUG-Verfahren zu beachten sind.

Insolvenzgeld als Sanierungsinstrument

In einem Insolvenzverfahren, unabhängig davon, ob es sich um ein sogenanntes Regelinsolvenzverfahren oder eine Insolvenz in Eigenverwaltung handelt, sorgt das Insolvenzgeld als erstes Sanierungsinstrument für eine wirtschaftliche Entlastung des Unternehmens. Über das Insolvenzgeld werden durch die Agentur für Arbeit 100 Prozent der den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Insolvenzgeldzeitraum an sich zustehenden Arbeitsentgelte gezahlt, allerdings nach oben hin begrenzt durch die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (2024: 7.550 €/West und 7.450 €/Ost). Der Insolvenzgeldzeitraum beträgt drei Monate und umfasst die Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Fehlende Insolvenzgeldansprüche im StaRUG-Verfahren

In einem StaRUG-Verfahren besteht kein Anspruch auf Insolvenzgeld. Bei der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1023 v. 20.6.2019, ABl. L 172, 18, schuf der Gesetzgeber keine dem Insolvenzgeld ähnliche Leistung oder erstreckte gar den Anwendungsbereich der §§ 165 ff. SGB III, welche den Bezug von Insolvenzgeld betreffen, auf das StaRUG-Verfahren.

Kündigungsschutz: Unterschiede zwischen Insolvenz- und StaRUG-Verfahren

Auch werden die Fristen, die für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gelten, in einem StaRUG-Verfahren nicht begrenzt. Anders im eröffneten Insolvenzverfahren: Ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt § 113 InsO. Diese Regelung sieht vor, dass ein Dienstverhältnis, und damit auch ein Arbeitsverhältnis, mit einer Maximalfrist von drei Monaten gekündigt werden kann. Infolge dieser Regelung wird jede arbeits- oder tarifvertragliche Kündigungsfrist, welche die Dauer von drei Monaten übersteigt, auf drei Monate reduziert. Selbst an sich, weil tarifvertraglich so geregelt, unkündbare Arbeitnehmer sind mit dieser abgekürzten dreimonatigen Frist kündbar.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Insolvenz- und StaRUG-Verfahren

Sowohl im Insolvenzverfahren als auch im StaRUG sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu wahren.

Erleichterungen bei Sozialplänen und Kündigungsschutz in der Insolvenz

Für Insolvenzverfahren sieht die Insolvenzordnung quantitative Erleichterungen im Hinblick auf die Ausstattung des Sozialplans (§ 123 InsO) und Erleichterungen für die gerichtliche Durchsetzung von Kündigungen infolge eines Interessenausgleichs mit Namensliste (§ 125 InsO) vor.

§ 123 InsO normiert insoweit eine deutliche wirtschaftliche Erleichterung im Falle eines Personalabbaus. Diese Norm limitiert nämlich streng das Volumen eines Sozialplans in der Insolvenz, indem es auf ein Maximum von 2,5 Bruttomonatsentgelten je vom Abbau betroffener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, unabhängig von deren Betriebszugehörigkeitszeiten, begrenzt wird. Das bedeutet, für jeden Mitarbeitenden werden maximal zweieinhalb Monatsentgelte in den Abfindungstopf eingebracht.

Durch § 125 InsO wird die Stellenreduzierung erleichtert, denn dieser unterstellt die „Betriebsbedingtheit“ der Kündigung und reduziert den Prüfungsmaßstab des Arbeitsgerichts im Hinblick auf die Sozialauswahl auf grobe Fehlerhaftigkeit.

Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Betriebsparteien, der Arbeitgeber und der Betriebsrat, hinsichtlich der Betriebsänderung einen Interessenausgleich mit Namensliste schließen. Geschieht dies, folgt hieraus die Änderung des Bewertungsmaßstabes des Arbeitsgerichts: Der Arbeitnehmer trägt nun die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine Betriebsbedingtheit vorlag. Das Arbeitsgericht beschränkt sich auf die Prüfung, ob der Arbeitnehmende Tatsachen vorgetragen und nachgewiesen hat, welche die Sozialauswahl grob fehlerhaft erscheinen lassen.

Dies beinhaltet die reduzierte Prüfung der Abwägung der Sozialdaten, die Feststellung der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmenden (sog. Vergleichsgruppenbildung) und die Herausnahme der betriebswichtigen Arbeitnehmenden aus der Sozialauswahl (sog. Leistungsträger). Eine Sozialauswahl ist nach § 125 InsO nur dann grob fehlerhaft, wenn sie jedwede Ausgewogenheit vermissen lässt und ganz augenscheinliche Fehler beinhaltet.

StaRUG: Betriebsratsmitbestimmung und EU-Richtlinienkritik

Das StaRUG hebt die Wahrung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ausdrücklich in § 92 StaRUG hervor, wenn es regelt, dass die „[…] Beteiligungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz […] von diesem Gesetz unberührt“ bleiben.

Teilweise wird jedoch moniert, dass mit dem StaRUG die EU-Richtlinie nur in ungenügendem Maße umgesetzt wurde, denn es fehlten im StaRUG Analogien zu Einbeziehungen des Betriebsrats, wie sie die Insolvenzordnung vorsieht. Weiterhin fehlt es an Regelungen, welche die Abstimmung des Restrukturierungsplans betreffen. Die InsO regelt demgegenüber in § 218 Abs. 3 eine Vorlagepflicht und gleichsam das Recht des Betriebsrats, beratend bei der Aufstellung mitzuwirken, in § 232 das Recht zur Stellungnahme des Betriebsrats zum Insolvenzplan gegenüber dem Insolvenzgericht und in § 235 die Beteiligung des Betriebsrats zum Erörterungs- und Abstimmungstermin.

Die Kritik ist verständlich, wenngleich sie sich –  nach Auffassung des Verfassers – nicht auf im Restrukturierungsplan geregelte Betriebsänderungen erstrecken muss, da sich in diesen Fällen die Beteiligungspflicht des Betriebsrats schon aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ergibt.

Die Rolle des Betriebsrats und Restrukturierungsplans nach BetrVG und StaRUG

Insoweit sieht § 111 BetrVG in Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig Arbeitnehmenden vor, dass der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben, rechtzeitig und umfassend unterrichtet und die geplanten Betriebsänderungen mit ihm beraten werden müssen.

Für das StaRUG-Verfahren bedeutet dies, dass die betriebsverfassungsrechtlich geregelten Beteiligungsrechte des Betriebsrats bereits bei Aufstellung des Restrukturierungsplans (§§ 5 ff. StaRUG) berücksichtigt und gewahrt werden müssen, sofern die Restrukturierung mit einer Betriebsänderung einhergeht. Der Unternehmer ist gut beraten, dies ernst zu nehmen, denn der Restrukturierungsplan ist bindend und den Unternehmer trifft die Pflicht, ihn umzusetzen (§§ 92, 43 StaRUG). Unterlässt er den vorherigen ernsthaften Versuch einen Interessenausgleich herbeizuführen, ergeben sich hieraus Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 BetrVG zugunsten der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die der Höhe nach keiner insolvenzrechtlichen Begrenzung (wie z. B. im Falle des § 123 InsO) unterliegen.

Die Vorschrift des § 123 InsO gilt im StaRUG-Verfahren aber auch nicht für den Sozialplan, welcher etwaig im Gleichschritt mit dem Interessenausgleich verhandelt wird. Mangels Erfüllung der Voraussetzung „Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ ist der Umfang eines Sozialplans im StaRUG-Verfahren frei zwischen den Betriebsparteien verhandelbar.

Über den Autor

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Sozialrecht, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht Michael Kothes.

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