Neue Entscheidungen im Bankrecht zum Widerrufsrecht von Verbrauchern und zur Statthaftigkeit von Verwahrentgelten

Die Gerichte haben sich in den letzten Monaten mit einigen interessanten Fragen rund um die Rechte von Verbrauchern befasst. Welche konkreten Auswirkungen diese Entscheidungen auf Kreditinstitute haben werden, lässt sich noch nicht absehen.

I. Der Verbraucherwiderruf

Mit Datum vom 09.09.2021 hat der EuGH erneut zu Pflichtangaben in Allgemein-Verbraucherdarlehen entschieden. Diese betrafen die Pflichtangabe zu dem Verzugszins, der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sowie zum außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsmittelverfahren. Aus Sicht der Kreditinstitute ist diese neue Entwicklung beunruhigend, da eine neue Welle von Widerrufsstreitigkeiten befürchtet wird.

1. Was hat der EuGH zum Verzugszins und zur Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung entschieden?

Der EuGH möchte durch seine Entscheidung mehr Transparenz für Verbraucher schaffen, falls sie im Falle eines Zahlungsverzuges Verzugszinsen bzw. ­­− bei einer vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit erfolgten Kündigung − Vorfälligkeitsentschädigung zahlen müssen. Er stellt klar, dass im Rahmen der Pflichtangaben der Verzugszins im Kreditvertrag mit einer konkreten Höhe in Prozent angegeben werden muss. Auch die Berechnungsweise der Vorfälligkeitsentschädigung muss klar und prägnant und für einen durchschnittlichen Verbraucher nachvollziehbar sein.

2. Was hat es mit dem Verweis bzgl. des Zugangs zur außergerichtlichen Streitschlichtung im Sinne der Verbraucherkreditrichtlinie auf sich, die enthalten sein muss?

In den meisten Fällen wird allein auf die Internetseite der Beschwerdestelle (Verbraucherschlichtungsstellen im Sinne des VSBG) verwiesen, was nach Ansicht des EUGH nicht ausreichend ist. Zusätzlich muss das Kreditinstitut auch auf die formalen Voraussetzungen und die Kosten hinweisen.

3. Können Verbraucher ihr Widerrufsrecht weiterhin verwirken?

Der BGH hat unter engen Voraussetzungen die Möglichkeit einer Verwirkung des Widerrufsrechts bejaht, auch weil das Widerrufsrecht nicht der Verjährung unterliegt. Nunmehr hat der EuGH dem Einwand der Verwirkung eine generelle Absage erteilt.

4. Fazit

Der EuGH legt mit dieser Entscheidung einzelne Bestimmungen der Verbraucherkreditrichtlinie konträr zum BGH (und den deutschen nationalen Regelungen) aus. Eine alle überflutende Welle von Klagen, wie sie vielfach im Netz propagiert wird, ist noch nicht auszumachen. Ob diese eventuell ansteht, ist davon abhängig, wie der BGH in zukünftigen Entscheidungen auf dieses Urteil reagieren wird. Keine Anwendung findet dieses Urteil auf grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen, die dem Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie entzogen sind. Auch die Höhe des Darlehens kann für das Widerrufsrecht eine Rolle spielen. So hat der BGH im Rahmen der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde (Beschluss v. 20.04.2021, Az.: XI ZR 433/20) die Aussage getroffen, dass auf Darlehensverträge über EUR 75.000,00 die Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge keine Anwendung findet. Diese Aussage hat er damit auch auf das deutsche Recht ausgeweitet, obwohl § 491 Abs. 2 Nr. 2 BGB nur solche Verbraucherdarlehen von der Anwendung ausschließt, die eine Untergrenze von EUR 200,00 nicht überschreiten. Eine Höchstgrenze wurde gesetzlich nicht bestimmt.

II. Das Verwahrentgelt

Interessant ist im Kontext mit Verwahrentgelten, welche durch immer mehr Kreditinstitute eingeführt werden, das Urteil des LG Berlin (Urt. v. 28.10.2021, Az.: 16 O 43/21). Waren bereits in der Vergangenheit Negativzinsen in Form von Verwahrentgelten bei Sparbüchern und Festgeldkonten umstritten, so hat das LG Berlin nunmehr auch Verwahrentgelte für Einlagen auf Giro- und Tagesgeldkonten für unzulässig erklärt. Geklagt hat vorliegend die Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (VZBV).

1. Warum soll aus Sicht der Kreditinstitute ein Verwahrentgelt gezahlt werden?

Bisher haben Kreditinstitute die Erhebung von Verwahrentgelten damit begründet, dass die Verwahrung von Einlagen eine entgeltfähige Sonderleistung darstellt. Dem hat das LG Berlin jedoch eine Absage erteilt und die getroffenen Abreden nach § 307 Abs. 1, 2 BGB wegen einer „unangemessenen Benachteiligung“ des Verbrauchers für unwirksam erklärt.

2. Was führte das LG Berlin dagegen an?

Das Gericht schloss sich der Auffassung des VZBV an, dass diese Entgelte gegen wesentliche Grundgedanken gesetzlicher Regelungen verstießen. Die Verwahrung von Einlagen auf dem Girokonto ist keine „Sonderleistung“, für die ein Kreditinstitut ein gesondertes Entgelt verlangen dürfe. Ein Girokonto kann, ohne dass auch Gelder verwahrt werden, nicht geführt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob daneben ein Kontoführungsentgelt erhoben wird oder nicht.

Zudem sei für die Einlagenverwahrung laut Darlehensrecht das Kreditinstitut als Darlehensnehmer zur Zinszahlung verpflichtet. Der Zinssatz für die Einlage darf nicht unter Null sinken, da dem Kunden immer der Betrag erhalten bleiben muss, den er eingezahlt hat. Dass vermehrte Einlagen für die Banken zu wirtschaftlichen Nachteilen führen, hat keinen Einfluss auf die rechtliche Wertung. Laut VZBV berücksichtigen die Kreditinstitute nicht die großzügigen Freibeträge, die diesen von Seiten der EZB gewährt würden.

3. Wie werden die unrechtmäßigen Entgelte zurückerstattet?

Das Gericht verurteilte das beklagte Kreditinstitut, die unrechtmäßigen Entgelte zu erstatten – ohne dass betroffene Kund:innen ihre Erstattungsansprüche selbst einfordern müssen. Damit eine Überprüfung möglich ist, muss das Kreditinstitut Namen und Anschriften der Kund:innen dem VZBV oder einem Angehörigen eines zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufs, etwa einem Rechtsanwalt oder Notar, übermitteln.

4. Fazit

Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, dass gleiche Sachverhalte von Gerichten sehr unterschiedlich beurteilt werden können (vgl. zu ähnlichen Sachverhalten LG Leipzig, Urt. v. 8.7.2021 Az.: 05 O 640/20, LG Tübingen, Urt. v. 26.1.2018 Az.: 4 O 187/17, welche die Rechtmäßigkeit eines Verwahrentgelts bejaht hatten). Die im vorliegenden Fall ausschlaggebende Frage, ob die Vertragsleistung der „Verwahrung“ bereits in dem Vertrag über ein Giro- oder Tagesgeldkonto enthalten ist oder eine gesondert zu vergütende Leistung darstellt, wird im Rahmen des durch das Kreditinstitut eingelegten Rechtsmittels zentral sein. Es zeichnet sich bereits ab, dass diese Entscheidung in naher Zukunft den BGH beschäftigen wird.

Daniel Trowski, Partner, Rechtsanwalt

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