Bundesgerichtshof: Keine Entschädigung für pandemiebedingte Schließungen („Erster Lockdown“)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 11. Mai 2023 (Az. III ZR 41/22) eine Entscheidung zur Haftung des Staates für Einnahmeausfälle getroffen, die durch die vorübergehende landesweite Schließung von Friseurgeschäften im Rahmen der Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus entstanden sind. Die Entscheidung des für Staatshaftungsfragen höchsten deutschen Gerichts ist richtungsweisend.

Im konkreten Fall hatte eine selbständig tätige Friseurin in Baden-Württemberg geklagt, da sie während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 aufgrund von Verordnungen des Landes vorübergehend ihren Betrieb schließen musste. Die Klägerin machte daraufhin eine Entschädigung in Höhe von 8.000 Euro geltend, da sie erhebliche finanzielle Einbußen erlitten habe. Das beklagte Land zahlte der Klägerin zwar 9.000 Euro aus dem Soforthilfeprogramm, jedoch sollte sie diese zurückzahlen.

Grundsatz: Keine Entschädigung für Gewerbetreibende

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht hatten die Klage abgewiesen. Der III. Zivilsenat des BGH bestätigte nun in der Revision die vorangegangene Rechtsprechung, wonach Gewerbetreibenden, die im Rahmen der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie als infektionsschutzrechtliche Nichtstörer durch eine rechtmäßig angeordnete Schutzmaßnahme wie eine Betriebsschließung wirtschaftliche Einbußen erlitten haben, keine Entschädigungsansprüche zustehen.

Die Richter begründeten dies damit, dass die Betriebsschließungen durch landesrechtliche Regelungen angeordnet wurden, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und die durch die Corona-Pandemie hervorgerufenen Gefahren zu bekämpfen. Damit erfüllte der Staat seine Schutzpflicht für Leben und Gesundheit der Bürger und verfolgte einen legitimen Zweck. Das Gewicht des Eingriffs in die Grundrechtspositionen wurde durch verschiedene und umfangreiche staatliche Hilfsmaßnahmen wie die „Soforthilfe Corona“ entscheidend relativiert. Eine Schadensersatz- oder Entschädigungspflicht des Staates für infektionsschutzrechtliche Betriebsuntersagungen besteht nach geltendem Recht nicht. Bei seiner Entscheidung prüfte das Gericht insbesondere, ob das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Unterfall des Art. 14 GG in Abwägung mit der Verpflichtung des Staates, Leib und Leben der Bürger zu schützen, in noch verhältnismäßiger Weise eingeschränkt wurde.

Die Entscheidung des BGH zeigt, dass Gewerbetreibende, die aufgrund von Schutzmaßnahmen während der COVID-19-Pandemie wirtschaftliche Einbußen erlitten haben, keine Entschädigungsansprüche geltend machen können. Die Richter betonten jedoch, dass der Staat durch umfangreiche Hilfsmaßnahmen für die betroffenen Unternehmen dazu beigetragen hat, die Auswirkungen der Schließungen zu mildern.

Die Entscheidung fügt sich in den Trend der Rechtsprechung weiterer Gerichte, Schadenersatzansprüche gegen den Staat im Zusammenhang mit Schließungen während der Coronapandemie abzulehnen, soweit diese nicht ausdrücklich im Infektionsschutzgesetz geregelt sind (vgl. § 56 IfSG; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. März 2023).

Autor: Dr. Olaf Hiebert

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