Die Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen in und außerhalb von Insolvenzverfahren

Die Frage, wie ertragsteuerlich mit einem Sanierungsertrag zu verfahren ist, beschäftigt die Rechtsprechung schon seit Generationen. Bis in die sechziger Jahre ließ es die Rechtsprechung zu, dass der Sanierungsertrag (sowohl bei der Körperschaftsteuer als auch bei der Einkommenssteuer) erst mit Verlusten zu verrechnen und nur der verbleibende Betrag zu erlassen war. Nachdem der BFH die Verlustverrechnung für die Körperschaftssteuer Ende der sechziger Jahre als unzulässig erklärte, reagierte der Gesetzgeber hierauf mit der Einführung des § 3 Nr. 66 EStG und schuf damit eine einheitliche Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen für die KSt, ESt und GewSt. Die damit verbundene Doppelbegünstigung (die Steuerbefreiung greife bereits vor Verlustverrechnung und Verlustabzug ein) akzeptierte der Gesetzgeber u.a. deshalb, weil die Gestaltung des Verlustabzugs auf fünf Jahre begrenzt war.

Nach Beseitigung der zeitlichen Begrenzung des Verlustabzugs in 1990, änderten sich die Rahmenbedingungen, was letztlich in der Streichung des § 3 Nr. 66 EstG in 1997 mündete. Das BMF gewährte allerdings unter den materiellen Voraussetzungen des § 3 Nr. 66 EStG Billigkeitsmaßnahmen mit dem Ziel der Nichtbesteuerung des Sanierungsgewinns. In der Folge wurde heftig unter den Gerichten diskutiert, ob dies ohne gesetzliche Grundlage zulässig sei. Die Folge war eine Reihe gegensätzlicher Entscheidungen, bis der Große Senat des BFH Ende 2016 die Gesetzwidrigkeit dieser Vorgehensweise erkannte. Insbesondere in Insolvenzplanverfahren ist die Steuerbefreiung des Sanierungsgewinns ein wichtiger Faktor, dessen Wegfall die Chancen einer erfolgreichen Eigenverwaltung deutlich reduziert hätte. Dies führte nicht zuletzt bei vielen Gegnern der Eigenverwaltung zu verhaltenem Jubel.

Der Deutsche Gesetzgeber hat hierauf umgehend reagiert und den § 3a EStG eingefügt. Danach sind Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung steuerfrei (Näheres siehe weiter unten). Das Gesetz passierte im Rekordtempo den Bundestag und den Bundesrat und wurde sogar mit Rückwirkung versehen. Die gesetzliche Regelung wurde am 27.06.2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Allerdings stellte der Gesetzgeber das Inkrafttreten des §3a EStG zunächst unter den Vorbehalt, dass die Europäische Kommission durch Beschluss feststellt, dass diese Regelung nicht als unzulässige Beihilfe qualifiziert würde. Die EU-Kommission ließ sich mit ihrer Entscheidung wie so häufig Zeit. Möglicherweise hätte sie sich sogar für die Beihilferechtswidrigkeit ausgesprochen, wenn nicht der EUGH in anderer Sache zu Hilfe gekommen wäre:

Mit einer Entscheidung des EUGH vom 28.06.2018 hat der Europäische Gerichtshof die Sanierungsklausel § 8c Abs.1a KStG) in das deutsche Steuerrecht gerettet. Die EU-Kommission hatte nämlich zuvor entschieden, dass es eine unzulässige Beihilfe sei, wenn der deutsche Gesetzgeber es zulässt, dass Unternehmen in qualifizierten Sanierungsfällen nach dem Einstieg eines neuen Mehrheitsgesellschafters ihre steuerlichen Verlustvorträge weiterhin geltend machen. Damit wurde die Attraktivität angeschlagener Unternehmen im M&A-Markt deutlich reduziert. Der EUGH hat mit Urteil vom 28.06.2018 den Beschluss der EU-Kommission für nichtig erklärt. Und das anderslautende erstinstanzliche Urteil des EuGH aufgehoben. Dies gelte jedenfalls unter den Voraussetzungen eines fortführungsgebundenen Verlustvortrags. Die Verlustvorträge bleiben für Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer erhalten, wenn die Körperschaft seit ihrer Gründung oder zumindest seit dem Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem Veranlagungszeitraum des schädlichen Beteiligungserwerbs vorausgeht, ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhält. Das gilt im Übrigen auch bei einem mehrheitlichen Anteilserwerb im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens.

Vermutlich um nicht eine erneute Schlappe zu provozieren, kam dann kurz nach der Entscheidung des EUGH eine Stellungnahme der Europäischen Kommission in einem an Deutschland gerichteten Comfort Letter zur Frage, ob die Anwendung des neuen § 3a EstG eine unzulässige Beihilfe sei. Hier wurde kundgetan, dass es sich bei § 3a EstG um eine sogenannte Altbeihilfe handele, die bereits vor Inkrafttreten der Europäischen Verträge ununterbrochen existierte und daher gegenüber anderslautenden EU-Vorschriften Bestandsschutz genieße. Damit war die alte Streitfrage abschließend entschieden.

Wird ein Antrag auf Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen gestellt, so ergeben sich Einschränkungen bei der steuerlichen Nutzung von Verlusten:

  • Sämtliche Verlustvorträge aus Vorjahren entfallen.
  • Verluste des laufenden Jahres können nicht mit anderen Gewinnen – außer dem Sanierungsgewinn – saldiert werden.
  • Beide Folgen gelten auch, soweit die entsprechenden Beträge den Betrag des Sanierungsgewinns übersteigen.

Kosten, die mit einem steuerfreien Sanierungsgewinn in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, dürfen nicht steuermindernd geltend gemacht werden.

Die Bestätigung bezieht sich sowohl auf § 3a EStG für Einkommenssteuer und Körperschaftssteuer (i.V.m § 8 KStG) als auch auf § 7a GewStG für die Gewerbesteuer. Die Folgen sind weitreichend. War es unter der bisherigen Praxis unklar, ob sich die Gemeinden für die Gewerbesteuer der Entscheidung der Finanzbehörde anschließen und damit immer ein Restrisiko einer erheblichen Steuerlast blieb, ist jetzt ausschließlich das Finanzamt für die Entscheidung über die Steuerbefreiung zuständig. Wenn die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vorliegen, hat das Finanzamt keinen Ermessensspielraum mehr, gleichwohl empfiehlt es sich immer hierzu eine verbindliche Auskunft einzuholen.

Erstaunlich war allerdings die Pressemitteilung des Bundesverbandes der Insolvenzverwalter zur Neuregelung. „Die EU-Kommission hat in dieser für die Sanierung von Unternehmen entscheidenden steuerlichen Frage nur Steine statt Brot gegeben: Die informelle Mitteilung in Form eines Comfort Letters bindet weder nationale noch europäische Gerichte.“

Möglicherweise war hier der Wunsch Vater des Gedankens. Denn dabei wird nicht berücksichtigt, dass gerade bei Prüfung steuerlicher Normen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Beihilferecht der Europäischen Union die Form des Comfort Letters die in der Praxis angewandte Form ist. Ein Comfort Letter der Kommission begründet ein schutzwürdiges Vertrauen von Mitgliedsstaat und Steuerpflichtigem (siehe Brandau BB 2017, 1175, 1179). Die EU-Kommission hat deshalb auf Basis des AEUV die bestmögliche Entscheidung zugunsten der deutschen Regelung zur Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns getroffen.

Die angesprochenen Regelungen gelten nicht nur im Rahmen eines Sanierungsertrags in Insolvenzplanverfahren, sondern bei Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung gemäß §3a Abs. 2 EstG, also auch, wenn es sich um eine Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens handelt. Gemäß § 3a Abs. 2 liegt eine unternehmensbezogene Sanierung vor, wenn der Steuerpflichtige für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses die Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des betrieblich begründeten Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger nachweist. Ob und wann das der Fall ist, lässt sich nicht ohne weiteres beantworten. Ohne Rat eines in dieser Materie erfahrenen Experten und eine verbindliche Auskunft des zuständigen Finanzamtes sollte man nicht darauf vertrauen, dass die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung vorliegen.

Liegt eine verbindliche Auskunft vor, ist die Finanzverwaltung verpflichtet, die Steuerbefreiung zu gewähren. Die Rechtsfrage kann nicht mehr gerichtlich überprüft werden. Das Unternehmen hat es also selbst in der Hand die Steuerbefreiung abzusichern.

Über den Autor

Geschäftsführer, Partner, Rechtsanwalt Robert Buchalik

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