Aktuelle Gesetzesänderungen im neuen Sanierungsrecht

Das neue Sanierungsrecht – StaRUG – ist nicht einmal zwei Jahre alt. Im Juli 2022 hat es die ersten Änderungen erfahren, die bereits seit 27.07.2022 in Kraft getreten sind, und zwar etwas versteckt im Rahmen des Artikels 12 des Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften. Die wichtigsten Änderungen sollen hier kurz vorgestellt werden.

  1. Planversendung zum Abstimmungstermin: Beauftragung des Schuldners zur Zustellung möglich

Bisher sah der § 45 StaRUG vor, dass die Planbetroffenen zum Abstimmungstermin über den Restrukturierungsplan zu laden sind. Eine Versendung des Plans vor dem Termin an die Planbetroffenen war nicht zwingend geboten. Die jetzt geltende Änderung macht deutlich, dass mit der Ladung auch der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen beigefügt werden muss.   Ein Verstoß dagegen gefährdet die Bestätigung des Plans nach § 63 I Nr. 2 StaRUG.

Auch bei der Ladung zum Anhörungstermin nach § 48 StaRUG ist der Plan nebst Anlagen beizufügen, wobei es sich hier auch gegebenenfalls um einen Planentwurf handeln kann.

2. Übersendung des bestätigten Plans aber ausschließlich durch das Restrukturierungsgericht

Das Gebot der Zustellung des Plans vor dem Abstimmungstermin ist sicher richtig und dient dem Informationsbedürfnis der betroffenen Gläubiger. Das Gericht kann den Schuldner nach § 45 Abs. 3 S. 3 StaRUG mit der Zustellung der Ladung und des Plans zum Abstimmungstermin beauftragen.

Dies stellt sich nach Bestätigung des Plans anders dar. So ist nach § 65 Abs. 2 S. 2 StaRUG ein im Abstimmungstermin geänderter Plan nach Bestätigung zwingend auch vom Gericht an die Planbetroffenen zu versenden. Bei unverändertem Plan muss jedenfalls der Hinweis auf die Bestätigung an alle Planbetroffenen versendet werden.

Dies kann das Gericht bei einer Vielzahl von Gläubigern vor erhebliche logistische Probleme − schon  bei der Anfertigung der Abschriften − stellen. In einem vom Verfasser betreuten Restrukturierungsverfahren beim Amtsgericht Köln waren mehr als 100 Planbetroffene beteiligt, an die der bestätigte Plan durch das Gericht versendet werden musste. Es wäre sachdienlich gewesen, wenn der Gesetzgeber hier durch Änderungen des StaRUG eine Übertragung der Versendung an den Schuldner oder Restrukturierungsbeauftragten ermöglicht hätte.

3. Versagung der Bestätigung des Plans bei fehlerhafter Unternehmensbewertung im Rahmen des „nächstbesten Szenarios“ nur bei Antrag eines Gläubigers und vorherigem Widerspruch dieses Gläubigers im Abstimmungstermin

Eine wesentliche Änderung betrifft den § 63 StaRUG. Hier hat der Gesetzgeber einen neuen Absatz 2 eingefügt. Dieser besagt, dass im Falle einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung die Bestätigung des Plans wegen fehlerhafter Bewertung des nächstbesten Alternativszenarios nur unter folgenden Voraussetzungen versagt werden kann: So muss ein hierdurch benachteiligter Planbetroffener dies im Wege der sofortigen Beschwerde beantragen. Ein solcher Antrag ist nur dann zulässig, wenn er im Abstimmungstermin ausdrücklich widersprochen hat. Damit wird für diese Fälle die gerichtliche Prüfungsbefugnis eingeschränkt.

Es zeigt sich, dass ein planbetroffener Gläubiger gut beraten ist, wenn er im Falle eines Restrukturierungsverfahrens einen Experten hinzuzieht. Hier gilt es, genau abzuwägen, welche Möglichkeiten sich dem Planbetroffenen bieten. Das bloße Nichterscheinen im Abstimmungstermin, das dann zwar wie eine Gegenstimme zum Plan wirkt, schränkt jedenfalls die rechtlichen Möglichkeiten gegen den Plan ganz erheblich ein.

4. Erweiterung der Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten

Daneben hat der Gesetzgeber nun den Aufgabenkreis des obligatorischen Restrukturierungsbeauftragten erweitert, indem er den § 76 StaRUG ergänzt hat.

Danach hat der Restrukturierungsbeauftragte nach dem neuen § 76 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG nun auch die Aufgabe, den Schuldner und die Gläubiger bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts und des auf ihm basierenden Plans zu unterstützen.

Durch diese Änderung ist zu befürchten, dass die Kosten des Restrukturierungsbeauftragten jetzt höher ausfallen könnten. Damit entfernt sich der Gesetzgeber aber von der Idee, ein kostengünstiges Sanierungsverfahren zu schaffen.

Es stellt sich auch die Frage, inwieweit diese Änderung mit dem Unabhängigkeits- und Neutralitätsgebot des Restrukturierungsbeauftragten kollidiert. Von der bisherigen Rolle als überwachender Mediator aus soll der Restrukturierungsbeauftragte jetzt den Plan mitausarbeiten und mitverhandeln. Dies passt nicht zusammen.

Ob diese Änderung tatsächlich zur Umsetzung von Artikel 5 der EU-Restrukturierungsrichtlinie notwendig war, darf bezweifelt werden (siehe Frind, ZInsO 2022, 1540).

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