Gesellschafterversammlung nicht einberufen: Kann der Geschäftsführer abberufen werden?

Die Abberufung von GmbH-Geschäftsführern erfolgt nicht immer einvernehmlich und ist daher regelmäßig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Meist geht es dabei um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Bestellung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund widerrufen werden kann. Mit Urteil vom 08.12.2022 (Az. 23 U 111/22) hat das Kammergericht Berlin entschieden, dass ein solcher wichtiger Grund jedenfalls dann vorliegt, wenn der Geschäftsführer es unterlässt, zu einer gebotenen Gesellschafterversammlung einzuladen.

  1. Zum Sachverhalt

Dem Urteil liegt der Antrag einer Gesellschaft auf einstweiligen Rechtsschutz zugrunde, der u. a. darauf gerichtet war, dem Antragsgegner seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Gesellschaft (vorläufig) zu untersagen.

Der Geschäftsführer hatte zuvor eine von ihm anberaumte Gesellschafterversammlung, in der über seine Abberufung entschieden werden sollte, kurzfristig abgesagt, unter nachträglichem Verweis auf einen von ihm nicht näher erläuterten „Corona-Vorfall“.

In der Folgezeit berief der Geschäftsführer ‒ trotz Ankündigung eines Ersatztermins ‒ keine neue Versammlung ein, sodass die Gesellschafter in Ausübung ihres Selbsthilferechts selbst eine Versammlung anberaumten, in der sie die Abberufung des Geschäftsführers beschlossen.

Der Geschäftsführer wehrte sich gegen die Abberufung und setzte die Geschäftsführung für die Gesellschaft fort, sodass die Gesellschaft einstweiligen Rechtsschutz beantragte.

Das Kammergericht bewertete die unterlassene Einberufung in Zusammenschau mit der vorangegangenen Absage einer Gesellschafterversammlung als grobe Verletzung von Geschäftsführerpflichten, die eine Fortführung der Geschäftsführung durch den Antragsgegner für die Gesellschaft unzumutbar mache und sah daher die vorläufige Untersagung seiner Tätigkeit als Geschäftsführer im Wege der einstweiligen Verfügung als gerechtfertigt an.

2. Entscheidungsgründe des Gerichts

Die vom Gericht erlassene einstweilige Verfügung setzte neben der (hier unstreitigen) Eilbedürftigkeit der Sache voraus, dass die Gesellschaft zuvor wirksam die Abberufung des Geschäftsführers beschlossen hatte. Die wirksame Abberufung bedarf ihrerseits gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG insbesondere eines wichtigen Grundes, wenn sie – wie hier – im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist.

Ein wichtiger Grund für die Abberufung des Geschäftsführers liegt gemäß § 38 Abs. 2 Var. 1 GmbHG insbesondere dann vor, wenn die weitere Tätigkeit des Geschäftsführers für die Gesellschaft, aufgrund grober Pflichtverletzungen unzumutbar geworden ist, wobei die Unzumutbarkeit im Wege einer Interessenabwägung anhand der Gesamtumstände des Einzelfalls zu ermitteln ist. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere:

  • die Interessen der Gesellschaft an einer ordnungsmäßigen, effizienten und wirtschaftlich erfolgreichen Geschäftsführung
  • die Schwere der Verfehlung und deren Folgen für die Gesellschaft
  • das Ausmaß des beiderseitigen Verschuldens
  • die Größe der Wiederholungsgefahr von pflichtwidrigem Verhalten
  • die Dauer der Tätigkeit für die Gesellschaft sowie
  • besondere Verdienste des Geschäftsführers um das Unternehmen.

Grobe Pflichtverletzungen im Sinne des § 38 Abs. 2 GmbHG liegen nach Auffassung des Kammergerichts sowohl bei der Absage einer Gesellschafterversammlung ohne angemessenen Grund als auch bei der Verweigerung vor, unverzüglich eine neuen Gesellschafterversammlung einzuberufen.

Der vom Geschäftsführer angeführte „Corona-Vorfall“ stellte nach Auffassung des Gerichts keinen angemessenen Grund dar, da der Geschäftsführer die Krankheit nicht belastbar dargelegt und erklärt habe, wer konkret erkrankt sei. Diesbezügliche Nachfragen hierzu ließ der Geschäftsführer unbeantwortet, so dass der Senat zu dem Schluss kam, dass die Absage nur erfolgt sei, um eine Abstimmung über die Abberufung zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Aus demselben Grund sei auch die Nichteinberufung einer neuen Versammlung als grobe Pflichtverletzung zu qualifizieren.

Beiden Pflichtverletzungen sei im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung auch deshalb ein besonderes Gewicht beizumessen, weil Gegenstand der begehrten Beschlussfassung die Abberufung war, die für alle Beteiligten von herausgehobener rechtlicher und auch wirtschaftlicher Bedeutung sei.

Das Verhalten des Geschäftsführers zeige auf, dass er entgegen den ihm gegenüber der Gesellschaft obliegenden Pflichten hartnäckig und eigennützig versuche, sich einer rechtsverbindlichen Beschlussfassung über seine Abberufung zu entziehen. Damit setze er sich über seine Pflichten zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung hinweg, die ihm das Gesetz in §§ 49, 50 GmbHG vorschreibe, und verletze die von ihm zu wahrenden Interessen der Gesellschaft. Diese habe schon deshalb ein schutzwürdiges Interesse an einer rechtssicheren Beschlussfassung der Gesellschafter in ihrer Versammlung, weil Ungewissheiten über die geltende Beschlusslage ihre geschäftliche Tätigkeit nachhaltig behindern und hieraus zudem nicht unerhebliche Kosten für die Gesellschaft verursachen könnten.

Im Ergebnis begründeten die Pflichtverletzungen daher nach Auffassung des Gerichts berechtigte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung durch den Geschäftsführer und machten dessen weitere alleinige Geschäftsführertätigkeit für die Gesellschaft unzumutbar.

3. Fazit

Die Entscheidung des Kammergerichts zeigt, dass dem einstweiligen Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Abberufung von GmbH-Geschäftsführern erhebliche Bedeutung zukommen kann.

Will der Geschäftsführer seine Abberufung nicht akzeptieren, erfolgt eine rechtsverbindliche Klärung der Wirksamkeit der Abberufung oft erst nach langer Zeit. Bis dahin kann die betroffene GmbH nur im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine zumindest vorübergehende Durchsetzung der Wirkungen der Abberufung erreichen. Umgekehrt kann der Geschäftsführer im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Fortsetzung seiner Tätigkeit sichern.

In beiden Fällen erfordert das angestrengte Verfahren eine sorgfältige Vorbereitung und detaillierte Dokumentation, die bereits im Vorfeld der eigentlichen Beschlussfassung beginnt. Im streitgegenständlichen Fall wäre dem Geschäftsführer die gerichtliche Untersagung seiner Geschäftsführertätigkeit vermutlich erspart geblieben, wenn er den angeführten Krankheitsfall nachvollziehbar dargelegt und rechtzeitig zu einem neuen Termin eingeladen hätte.

Gerade die Umstände, die zur Annahme eines wichtigen Grundes für die Abberufung geführt haben oder auf der anderen Seite ‒ aus Geschäftsführersicht ‒ eine solche Annahme widerlegen, sollten insofern so dokumentiert werden, dass hiermit der glaubhafte Nachweis möglich ist. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die berechtigten Interessen der Gesellschaft bzw. des Geschäftsführers auch im Rahmen des vorläufigen Verfügungsverfahrens erfolgreich geschützt werden können.

Über den Autor

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Till Sallwey

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