Unternehmensentwertung durch M&A-Prozess? Gesetzgeber schützt Unternehmer bei frühzeitiger Einleitung einer Schutzschirmsanierung gemäß § 270d InsO

Mit Einführung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) verfolgte der Gesetzgeber insbesondere das Ziel, die Unternehmer zu einer frühzeitigen Einleitung von Sanierungsmaßnahmen unter Nutzung der nur im Insolvenzrecht vorhandenen Sanierungsinstrumente zu bewegen. Zu diesen Instrumenten zählen u. a.:

  • die Lösung von verlustbringenden Verträgen
  • die Verbesserung des Eigenkapitals
  • die Nutzung des Fresh-Start-Effekts oder
  • die Deckung der Lohnkosten über das Insolvenzgeld

Ziel einer bilanziellen Sanierung und Beginn der umfassenden betriebswirtschaftlichen Gesundung ist dabei der erfolgreiche Abschluss eines Insolvenzplanverfahrens. Der Insolvenzplan soll dabei die Gläubiger nicht schlechter stellen als sie in einem Regelinsolvenzverfahren stehen würden.

Die Intention des Gesetzgebers wurde jedoch im Anschluss durch die Forderung konterkariert, dass der Kaufpreis für ein Unternehmen belastbar nur im Wege eines „Dual-Track“-Prozesses ermittelt werden könne.

Dieser Dual-Track widersprach der Intention des Gesetzgebers, die Inhaber eines Unternehmens gerade zu einer früheren Verfahrenseinleitung zu bewegen.

  • Wird ein öffentlich wahrnehmbarer M&A-Prozess durchgeführt, ist das Unternehmen „am Markt“ und der die Eigenverwaltung einleitende Gesellschafter wird Gefahr laufen, sein Unternehmen darüber tatsächlich zu verlieren. Auch bei einer darauf folgenden erfolgreichen Insolvenzplanbestätigung besteht das Risiko, dass allein die Durchführung des M&A-Prozesses das sanierte Unternehmen faktisch entwertet.
  • Zudem stellt sich die Frage, ob in einem Dual-Track-Verfahren überhaupt ernsthafte Angebote eingeholt werden können, da die Interessenten immer davon ausgehen müssen, dass dem Planvorleger über das Planangebot eine Art „Vorkaufsrecht“ eingeräumt ist.
  • Zudem bringt ein Verkaufsprozess immer das Problem mit sich, dass andere Markteilnehmer und Wettbewerber als Kaufinteressen über die Due Diligence tiefe Einblicke in die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen des zu sanierenden Unternehmens erhalten und dies das Unternehmen entwertet, was schon durch „Marktansprache“ an sich der Fall sein kann. Allein die Kenntnis der Einkaufskonditionen und Margen bzw. Abgabepreise durch Konkurrenten können die zukünftigen Marktchancen erheblich belasten.

Diese Fragen konnte nun im Rahmen der ESUG-Evaluierung zu Gunsten des vorausschauend handelnden Unternehmers, der frühzeitig eine Sanierung über ein Schutzschirmverfahren gemäß § 270d InsO gewählt hat (welches das Bestehen einer nur drohenden Zahlungsunfähigkeit voraussetzt), eindeutig geklärt werden:

Die verpflichtende Durchführung einer echten Marktansprache wurde im Rahmen der ESUG-Evaluierung diskutiert, aber gerade nicht empfohlen.

Der Forschungsbericht zur ESUG-Evaluierung hat stattdessen eine ausdrückliche Zweifelsregelung vorgeschlagen, wie sie nun Gesetz geworden ist. Diesem Vorschlag ist der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 220 Abs. 2 InsO  nun gefolgt. Als Beleg für eine Nichtverkäuflichkeit verlangen weder das Gesetz noch die Gesetzesbegründung einen erfolglos durchgeführten M&A-Prozess. Erforderlich sind eine fundierte Begründung und ggf. eine Unternehmensbewertung nach betriebswirtschaftlichen anerkannten Methoden.

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Rechtsanwalt Fritz Rabenhorst

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