Präventive Haftungsvermeidung als Geschäftsführer: Was kann ich tun?

Die Haftungsrisiken als Geschäftsführer sind vielfältig. Dies sollte jedem Verantwortlichem bewusst sein. Es betrifft sowohl steuerliche, wirtschaftliche und gesellschaftsrechtliche als auch datenschutzrechtliche Aspekte. Hierdurch können finanzielle Ansprüche gegen den Geschäftsführer entstehen, die ihn in nicht wenigen Fällen in den wirtschaftlichen Ruin treiben können. Insofern ist der erste wichtige Schritt ein ausreichendes Risikobewusstsein und die Kenntnis der wichtigsten Haftungsfallen. Zur Schärfung dieser Kenntnis dient dieser Artikel, der einige der wichtigsten Risiken beschreibt und darstellt. Daneben ist eine präventive Risikoabsicherung notwendig.

Unabhängig von den prominenten Fällen (Deutsche Bank gegen Rolf Breuer, Bilfinger gegen Roland Koch, VW gegen ehemalige Manager etc.) hat sich in den letzten Jahren – auch durch entsprechende gesetzliche Änderungen – immer mehr eine Anspruchsmentalität auf Seiten der Unternehmenseigner durchgesetzt, die davon ausgeht, für jeden Managementfehler die Geschäftsführung haftbar zu machen. Insofern verwundert es nicht, dass laut einer Studie von ca. 200 Geschäftsführern nicht-inhabergeführter Unternehmen und einer Bilanzsumme von mindestens 50 Mio. Euro ca. zwei Drittel der Geschäftsführer gegen solche Risiken durch Abschluss einer sogenannten D&O-Versicherung („Directors-and-Officers-Versicherung“) abgesichert sind. Das Thema D&O-Versicherung hat sich von den börsennotierten Unternehmen auf den Mittelstand als notwendiger Bestandteil des Risikomanagements ausgeweitet.

Da im Falle der Insolvenz besonders Insolvenzverwalter die Haftungsinanspruchnahme der Geschäftsführer als willkommenes Mittel zur Insolvenzmasseanreicherung sehen, ist grundsätzlich auch den Geschäftsführern, die gleichzeitig Gesellschafter sind, zu empfehlen, eine D&O-Versicherung abzuschließen. Auch hierbei ist besonders auf die Versicherungsbedingungen zu achten. Diese können sich deutlich unterscheiden.

Dienstvertrag mitgestalten: Haftungsbeschränkung durch entsprechende Ausgestaltung des Geschäftsführervertrages

Denkbar wäre auch, dass sich die Geschäftsführer zu Beginn ihrer Tätigkeit von bestimmten Haftungsrisiken freistellen lassen. So haftet der Geschäftsführer nach § 43 GmbHG gegenüber der Gesellschaft, wenn er die Sorgfalt als ordentlicher Geschäftsmann verletzt. Eine Modifizierung der Haftungsvoraussetzungen kann Sinn machen, wenn das Unternehmen, in das der Geschäftsführer eintritt, derzeit eine Krise durchläuft oder verschiedene Gesellschafterstämme im Streit liegen und die Gefahr besteht, dass der neu eintretende Geschäftsführer zum Spielball unterschiedlicher Interessen wird. Eine Haftungsmodifizierung kann allerdings nur im Verhältnis zur Gesellschaft vereinbart werden und kann nicht gelten in Kraft treten, sobald Dritte Ansprüche gegen den Geschäftsführer geltend machen können. Eine solche Haftungsbegrenzung wäre als Vertrag zulasten Dritter unwirksam.

Eine Haftungsbeschränkung gegenüber der Gesellschaft muss durch die Gesellschafter beschlossen und dann dem Geschäftsführer auch ausgehändigt werden.
Inhaltlich könnte eine solche Haftungsbeschränkung vorsehen, dass die Geschäftsführerhaftung nur auf die vorsätzlichen Pflichtverletzungen beschränkt wird, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, wie zum Beispiel zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger, entgegenstehen.

Weiterhin bietet es sich an, die Geschäftsführerhaftung durch Festlegung von Ausschluss- und Verjährungsfristen zu beschränken. Das Gesetz sieht eigentlich eine fünfjährige Verjährungsfrist nach § 43 IV GmbH vor. Hier sind verschiedene Gestaltungsalternativen möglich. So könnte man vereinbaren, dass alle Haftungsansprüche der Gesellschaft vom Unternehmen innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit, im Falle der Beendigung der Geschäftsführertätigkeit jedoch innerhalb von drei Monaten nach Beendigung, schriftlich geltend zu machen sind. Andernfalls wären die Ansprüche erloschen. Des Weiteren könnte man vereinbaren, dass im Falle einer erfolglosen Geltendmachung die Ansprüche innerhalb einer Frist von zwei Monaten gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Zudem könnte man einen Haftungshöchstbetrag vereinbaren.

Ressort- und Ämterverteilung

 Zur Haftungsminimierung bietet es sich außerdem an, die Aufgabenbereiche innerhalb der Geschäftsführung klar zu verteilen. Dadurch tritt der einzelne Geschäftsführer aus der Allzuständigkeit der GmbH- Haftung heraus und es wird hierdurch eine individuelle Verantwortung für den jeweils zuständigen Geschäftsführer begründet. Hierbei ist eine Detailtiefe von Vorteil. Jedenfalls sollten die Kernressorts Einkauf, Technik, Vertrieb, Recht, Finanzen, Forschung und Entwicklung, Personal, Werks- und Arbeitsschutz, Produktion und IT sowie Datenschutz klar unterteilt sein. Grundsätzlich erreichen die Geschäftsführer hierdurch die Begrenzung ihres persönlichen Haftungsbereichs auf Pflichtverletzungen in ihrem Ressort. Gegenüber den anderen Bereichen gilt dann lediglich eine Kontrollpflicht. Vor diesem Hintergrund sollte auch eine Geschäftsordnung vereinbart sein, in der dargelegt ist, inwieweit sich die einzelnen Geschäftsführer gegenseitig informieren und wer in welchem Fall zur Entscheidung befugt ist.

Unabhängig von der Geschäftsverteilung ist aber jeder Geschäftsführer für die Kernaufgaben mitverantwortlich. Hierzu gehören auch die Insolvenzantragspflichten, sodass jeder Geschäftsführer die Insolvenzantragspflicht, die Pflicht zur Abführung von Steuern der Gesellschaft, der Einkommenssteuer und der Sozialabgaben und das Verbot der Stammeinlagenrückgewähr beachten muss und bei Nichtbeachtung hierfür auch persönlich haftet.

Risikomanagement

Es entspricht der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsmannes, frühzeitig Risiken zu erkennen. Dieser Grundsatz, der in § 91 AktG verankert ist, gilt auch bei der GmbH. Vor dem Hintergrund ist jeder Geschäftsführer verpflichtet, für die Gesellschaft ein Controlling aufzubauen. Mit diesem Instrument muss dann jederzeit die wirtschaftliche und finanzielle Lage, die Auftragslage und die voraussichtliche Liquiditäts- und Umsatzentwicklung erkannt und dokumentiert werden. Das Fehlen eines solchen Risikomanagements kann schon zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers führen.

Enge Einbindung der Gesellschafter und Dokumentation von Entscheidungen und Maßnahmen
 
Der Geschäftsführer haftet nicht für pflichtwidriges Verhalten gegenüber der Gesellschaft, wenn er auf Weisung der Gesellschafter tätig geworden ist. Denn er hat den Weisungen der Gesellschafterversammlung grundsätzlich zu folgen, sofern diese sich im Rahmen von Gesetz, Satzung und guten Sitten bewegen. Vor dem Hintergrund ist es unbedingt notwendig, dass die Gesellschafterversammlung über alle wichtigen und relevanten sowie auch über die kritischen Entscheidungen informiert und dabei eng eingebunden wird. Eine entsprechende Zustimmung sollte dokumentiert werden. Hierdurch kann sich der Geschäftsführer exkulpieren. Im Falle der Entlastung der Geschäftsführung durch die Gesellschafterversammlung können für den Zeitraum der Entlastung keine Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführung geltend gemacht werden, wenn sie über alle Tatbestände informiert war.

Problematisch ist, dass Haftungsansprüche oft Jahre später (wenn keine Ausschlussfrist vereinbart ist, s. o.) geltend gemacht werden. Dazu kommt, dass für Geschäftsführer, anders als bei Arbeitnehmern, kein Beweisprivileg gilt. Das bedeutet, dass der Geschäftsführer sich vor Gericht aktiv entlasten muss. Mangels fehlender Unterlagen gelingt ihm dies oft nicht. Insofern könnte man überlegen, dass der Geschäftsführer bei seinem Weggang relevante Unterlagen für sich absichert. Damit könnte er sich allerdings der Betriebsspionage strafbar machen und außerdem gegen Datenschutzregeln verstoßen. Vor dem Hintergrund wäre daran zu denken, im Beendigungsvertrag hierzu Regelungen zu finden. Auf der anderen Seite steht dem in Anspruch genommenen Geschäftsführer zumindest ein Ankunftsanspruch und ein Einsichtsrecht in die Bücher des Unternehmens zu. Gerade vor diesem Hintergrund ist es immens wichtig, dass der Geschäftsführer selbst die Gründe und das gesamte Abwägungsspektrum umfassend und detailliert schriftlich dokumentiert und stetig und aktuell verwaltet. Insbesondere sollte der Geschäftsführer auch ihn entlastende Umstände ausreichend dokumentieren. Dadurch wird es für den Geschäftsführer auch nach seinem Ausscheiden einfacher, die ihn entlastenden Tatsachen vorzutragen und entsprechende Dokumente konkret zu benennen.

Verzicht auf wechselseitige Ansprüche im Aufhebungsvertrag

Wenn der Geschäftsführer ausscheidet, bietet sich eine Generalbereinigung an. So könnte eine Regelung zum Beispiel beinhalten, dass beide Parteien vereinbaren, dass mit dem Abschluss und der Erfüllung dieser Vereinbarung sämtliche zwischen den beiden Parteien bestehenden Ansprüche – gleich aus welchem Rechtsgrund, insbesondere vertraglicher und organschaftlicher Natur – erledigt sind. Für den Fall, dass der Geschäftsführer von Dritten in Anspruch genommen wird, die auf seine Tätigkeit als Geschäftsführer zurückzuführen sind, stellt ihn die Gesellschaft im Innenverhältnis auf das erste Anfordern von sämtlichen Ansprüchen frei.

Fazit

Die Gefahr der persönlichen Inanspruchnahme von Geschäftsführern hat sich auch nach unserer Erfahrung inzwischen auf den Mittelstand ausgeweitet.
Allerdings können Geschäftsführer proaktiv ihre Risiken einschränken. Die Fälle aus unserer Praxis zeigen, dass dies noch viel zu selten umgesetzt wird. Im Zweifel bietet es sich an, externen Rat einzuholen. Angesichts der immer umfassenderen Inanspruchnahmen ist dies auch dringend geboten. Auch dies kann zur Exkulpation des Geschäftsführers führen. Insgesamt gilt auch hier:
VORdenken ist besser als NACHdenken.

RA Dr. Jasper Stahlschmidt, Geschäftsführer, Partner, Fachanwalt für Insolvenzrecht

 

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