Die Rechte des vorläufigen Gläubigerausschusses in der vorläufigen Eigenverwaltung

Die Änderung des § 284 Abs. 1 InsO durch das SanInsFoG

Auf Grundlage einer mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) eingeführten Änderung des § 284 Abs. 1 InsO (Auftrag zur Ausarbeitung des Insolvenzplans in der vorläufigen Eigenverwaltung) kann in der Eigenverwaltung nunmehr nicht nur die Gläubigerversammlung im eröffneten Verfahren den Sachwalter oder den Schuldner, sondern auch der vorläufige Gläubigerausschuss im vorläufigen Verfahren den vorläufigen Sachwalter oder den Schuldner mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans beauftragen.

Bisherige Rechtslage gemäß § 284 Abs. 1 InsO a. F.

Nach der bisheriger Rechtslage war für Eigenverwaltungsverfahren in § 284 Abs. 1 Satz 1 InsO die Befugnis der Gläubigerversammlung zur Beauftragung des Sachwalters mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplanes geregelt. Hintergrund dieser Regelung war insbesondere der Umstand, dass der Gesetzgeber auch im Rahmen der Eigenverwaltung dem Grundsatz der Privatautonomie von Schuldner und Gläubigern in der Weise Rechnung tragen wollte, dass ‒ ebenso wie im Regelinsolvenzverfahren ‒ den beteiligten Gläubigern die eigenständige Regelung der Verwertung der massebefangenen Gegenstände bzw. der Fortführung und Sanierung des Geschäftsbetriebs mittels eines Insolvenzplans ermöglicht wird.

In der Zeit vor Einführung des Planinitiativrechts für den vorläufigen Gläubigerausschuss wurde wiederholt die Frage nach einer analogen Anwendung der Norm auf den vorläufigen Gläubigerausschuss gestellt. Problematisch für eine mögliche analoge Anwendung der Norm war jedoch zum einen die Tatsache, dass die Regelung in der vorläufigen Eigenverwaltung und damit in einem vom Wortlaut nicht erfassten Verfahrensstadium hätte Anwendung finden sollen. Zum anderen hätte die Regelung für ein anderes Organ, nämlich den vorläufigen Gläubigerausschuss gelten sollen, und nicht für die vor Verfahrenseröffnung noch gar nicht einberufene Gläubigerversammlung. Zwar hätte man angesichts der beabsichtigten Stärkung der Gläubigerteilhabe mit Einführung des ESUG in der Regelung wohl eine planwidrige Regelungslücke sehen können, doch ist die Möglichkeit der Annahme einer solchen in der Literatur nicht einheitlich beurteilt und zum Teil mit Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut der Norm abgelehnt worden. Zudem hat der Gesetzgeber bei der Einführung des ESUG gerade nicht die Möglichkeit genutzt, das Planinitiativrecht auch für den vorläufigen Gläubigerausschuss zu regeln, sodass auf die Erteilung einer entsprechenden Befugnis offenbar bewusst verzichtet wurde.

Mit Beschluss vom 22.09.2016 – IX ZB 71/14 hat schließlich der Bundesgerichtshof entschieden, dass § 284 Abs. 1 InsO im Eröffnungsverfahren analoge Anwendung mit Planinitiativrecht für den vorläufigen Gläubigerausschuss finden sollte, jedenfalls sofern der Schuldner dem an den vorläufigen Sachwalter gerichteten Auftrag des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Ausarbeitung des Insolvenzplans ausdrücklich zustimmt. Ein originäres Planinitiativrecht des vorläufigen Gläubigerausschusses ohne Berücksichtigung einer etwaigen Zustimmung des Schuldners konnte damit auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs bei analoger Anwendung der Norm nicht begründet werden.

Neue Rechtslage gemäß § 284 Abs. 1 InsO n. F.

Erst mit Einführung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) zum 01.01.2021 wurde mit § 284 Abs. 1 S. 2 InsO eine dem § 284 Abs. 1 S. 1 InsO gleichgelagerte Regelung für das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren geschaffen , die dem vorläufigen Gläubigerausschuss ein originäres Planinitiativrecht zuweist. Durch die Neuregelung sollen gemäß der Gesetzesbegründung Sanierungsvorhaben dadurch vorangetrieben werden, dass der vorläufige Sachwalter als neutraler Verfahrensbeobachter frühzeitig mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans betraut oder zumindest beratend in die Ausarbeitung eingebunden wird.

Die Neuregelung des § 284 Abs. 1 InsO ergibt durch ihren eindeutigen Wortlaut allerdings zugleich, dass das Planinitiativrecht bis zur Verfahrenseröffnung für die Dauer des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens beim vorläufigen Gläubigerausschuss liegt und sodann mit dem Eröffnungsstichtag für die Dauer des eröffneten Eigenverwaltungsverfahrens auf die Gläubigerversammlung übergeht. Daraus ist zu folgern, dass dem Gläubigerausschuss im Eröffnungsverfahren kein Planinitiativrecht mehr zusteht, das im eröffneten Verfahren ausschließlich bei der zum Berichtstermin einzuberufenden Gläubigerversammlung liegt.

Durch die Neuregelung des § 284 Abs. 1 S. 2 InsO wird eine zeitnähere Durchführung von Sanierungsvorhaben ermöglicht. Insbesondere muss nicht mehr erst die Einberufung der Gläubigerversammlung abgewartet werden, um den Auftrag zur Planausarbeitung beim Sachwalter platzieren zu können, der als eine von Gläubigern und Schuldner unabhängige Person neutral die Planerstellung aufnehmen kann.

Die Neuregelung ermöglicht es dem vorläufigen Gläubigerausschuss aber auch, optional den Schuldner mit der Planerstellung zu beauftragen, dem durch die Eigenverwaltung ohnehin ein hohes Maß an Verfahrensautonomie eingeräumt wird und der letztlich sein Unternehmen und die Abläufe des operativen Geschäftsbetriebs sowie die Marktsituation seiner Branche am besten kennt. Im letztgenannten Fall hat der Schuldner allerdings den (vorläufigen) Sachwalter einzubinden und dessen beratende Mitwirkung zu gewährleisten. Eine Planausarbeitung durch den Schuldner ohne jegliche Einbeziehung des (vorläufigen) Sachwalters ist daher sowohl im vorläufigen als auch im eröffneten Eigenverwaltungsverfahren ausgeschlossen, sofern dem Schuldner der Auftrag zur Planausarbeitung durch den vorläufigen Gläubigerausschuss oder durch die Gläubigerversammlung erteilt worden ist.

Bewertung der Neuregelung

Die Einführung der Ergänzung des § 284 Abs. 1 S. 2 InsO ist zu begrüßen, da sie einen frühzeitigeren Eintritt in die Plansanierung ermöglicht, soweit diese nicht ohnehin schon eigeninitiativ durch den Schuldner auf den Weg gebracht worden sein sollte. Da die Plansanierung in der Regel das Ziel eines jeden Eigenverwaltungsverfahrens ist, dürfte die Regelung nur dann von praktischer Relevanz sein, wenn der Schuldner das Sanierungsvorhaben nicht ernsthaft verfolgt oder der vorläufige Gläubigerausschuss ihm kein hinreichendes Vertrauen entgegenbringt. In derartigen Konstellationen kann der vorläufige Gläubigerausschuss auf Grundlage der Regelung schnellstmöglich die Ausarbeitung eines Insolvenzplans in die Hände des vorläufigen Sachwalters legen, um einem Zeitverlust vorzubeugen, der beispielsweise die Investorensuche oder gar den Sanierungserfolg in Gänze negativ beeinträchtigen könnte.

Über die Autorin

Rechtsanwältin Claudia Rumma

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