Stimmrechte im Insolvenzplan bei Masseunzulänglichkeit

I. Insolvenz in der Insolvenz

Leider kann es auch während eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung einmal vorkommen, dass die sogenannte „Masseunzulänglichkeit“ angezeigt werden muss.

Dies ist immer dann der Fall, wenn zwar die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sind, die Insolvenzmasse aber nicht ausreicht, um die sonstigen fälligen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, vgl. § 208 InsO.

Umgangssprachlich spricht man hier auch von einer „Insolvenz in der Insolvenz“.

In diesem Fall prüft das Insolvenzgericht, wie weiter zu verfahren ist. Reicht die Insolvenzmasse noch nicht einmal aus, um die Verfahrenskosten zu decken, so wird das Insolvenzverfahren wegen „Massearmut“ eingestellt.

Wenn jedoch „nur“ die sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht bezahlt werden können, so wird das Verfahren fortgesetzt.

Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit werden die Massegläubiger in folgender Reihenfolge befriedigt:

  • Kosten des Insolvenzverfahrens
  • Neue Masseforderungen, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstanden sind
  • Alte Masseverbindlichkeiten, die vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind

Aufgrund der privilegierten Stellung der „Massegläubiger“ kann es also passieren, dass die Insolvenzgläubiger leer ausgehen und mit ihren Forderungen vollständig ausfallen.

Es stellt sich daher die Frage, wie im Falle eines Insolvenzplans die Stimmrechte der verschiedenen beteiligten Gläubigergruppen zu behandeln sind, insbesondere, ob auch Insolvenzgläubiger im Sinne des § 38 InsO im Erörterungs- und Abstimmungstermin über den Insolvenzplan ein Stimmrecht erhalten.

II. Neufassung des § 210a InsO

Die für das Insolvenzpanverfahren bei Masseunzulänglichkeit maßgebliche Vorschrift ist § 210 a InsO, der mit Wirkung zum 01.01.2021 geändert wurde.

§ 210 a InsO alte Fassung (a. F.) besagte, dass bei Anzeige der Masseunzulänglichkeit die Vorschriften über den Insolvenzplan mit der Maßgabe galten, dass

  1. an die Stelle der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger die Massegläubiger mit dem Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO traten und
  2. für die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger § 246 Nr. 2 InsO entsprechend galt.

Danach konnte man den Standpunkt vertreten, dass gemäß § 210 a Nr. 2 InsO a. F. den originär nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern im Sinne des § 38 InsO für das Insolvenzplanverfahren gerade nicht pauschal die Rechtsstellung nachrangiger Insolvenzgläubiger zugewiesen wurde, da § 210 a Nr. 2 InsO a. F. ausschließlich die Geltung des § 246 Nr. 2 InsO angeordnet hat, sodass man bis zur Gesetzesänderung der Meinung sein konnte, dass der Anwendungsbereich des § 222 Abs. 1 Nr. 3 InsO in Verbindung mit § 225 InsO entfiele.

Aufgrund der Verweisung des § 210 a InsO a. F. auf § 246 Nr. 2 InsO, wonach eine Zustimmung als erteilt gilt, wenn sich kein Gläubiger einer Gruppe an der Abstimmung beteiligt, konnte man schlussfolgern, dass dieser Verweis auf § 246 Nr. 2 InsO nur dann Sinn ergibt, wenn auch bei Masseunzulänglichkeit im Insolvenzplan zumindest eine Gruppe aus den originär nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern i. S. d. § 38 InsO zu bilden und an der Abstimmung zu beteiligen sei.

Darauf basierend konnte man ferner der Ansicht sein, dass zugleich die Erlassvermutung des § 225 Abs. 1 InsO nicht gelte.

Somit sprach bis zur Gesetzesänderung des § 210 a InsO a. F. einiges dafür, dass auch die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO im Falle des Masseunzulänglichkeitsplanes ein Stimmrecht hatten.

Diese Interpretationsmöglichkeit wurde jedoch mit der Neufassung des § 210 a InsO endgültig verworfen und die Rechtslage insoweit klargestellt.

§ 210 a InsO neue Fassung (n. F.) lautet nunmehr wie folgt:

Bei Anzeige der Masseunzulänglichkeit gelten die Vorschriften über den Insolvenzplan mit der Maßgabe, dass

  1. an die Stelle der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger die Massegläubiger mit dem Rang des § 209 Abs. 1 Nr. 3 treten und
  2. an die Stelle der nachrangigen Insolvenzgläubiger die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger treten.

§ 210 a InsO (n. F.) ohne den Verweis auf § 246 Nr. 2 InsO regelt also nunmehr, dass die originär nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger an die Stelle der nachrangigen Insolvenzgläubiger treten.

Dies hat zur Folge, dass die originär nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger bereits nach dem Wortlaut des § 210 a InsO n. F. vollumfänglich an die Stelle der nachrangigen Gläubiger treten und damit auch alle anderen Vorschriften, die im Insolvenzplanverfahren für die nachrangigen Insolvenzgläubiger gelten, auf sie im masseunzulänglichen Insolvenzplanverfahren Anwendung finden.

In der amtlichen Begründung zum SanInsFoG wird insoweit ausdrücklich erklärt (BT-Drs. 19/24181 S. 199):

„Durch die Neufassung des § 210 a Nummer 2 InsO wird klargestellt, dass die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger vollumfänglich an die Stelle der nachrangigen Gläubiger treten.“

Infolge der − vom Gesetzgeber nunmehr eindeutig klargestellten − vollumfänglichen Zuweisung der Rechtsstellung nachrangiger Insolvenzgläubiger an die originär nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger durch § 210 a InsO n.  F.  werden deren Forderungen nunmehr aber auch von der Rechtsfolge des § 225 Abs. 1 InsO erfasst.

Dadurch ist zu beachten, dass eine Gruppe für die Nachranggläubiger nur dann gebildet werden muss, wenn der Plan in ihre Rechte eingreift, da ihre Forderungen anderenfalls gemäß § 225 Abs. 1 InsO als erlassen gelten.

Dementsprechend ist aber davon auszugehen, dass ein Stimmrecht für die originär nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger nur dann besteht, wenn der Plan in ihre Rechte eingreift.

Da sich der materielle Forderungserlass überwiegend nicht aus dem Insolvenzplan, sondern unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, werden die Forderungen der originär nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger durch den Insolvenzplan grundsätzlich nicht beeinträchtigt.

Demgemäß steht ihnen auch in diesem Fall kein Stimmrecht zu.

III. Fazit: Keine Stimmrechte von Insolvenzgläubigern i. S. d. § 38 InsO

Konnte man vor der Gesetzesänderung des § 210 a InsO noch anderer Meinung sein, so ist aber nach der Neufassung des § 210 a InsO (mit Wirkung zum 01.01.2021) nunmehr eindeutig, dass Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO keine Stimmrechte erhalten und auch im Insolvenzplan bei der Gruppenbildung nicht mehr zu berücksichtigten sind, sofern der Plan nicht in ihre Rechte eingreift.

Für eine andere Auffassung ist mit Blick auf die seit dem 01.01.2021 in Kraft getretene Änderung des § 210 a Nr. 2 InsO und die dieser zugrunde liegenden Motive des Gesetzgebers kein Raum.

Dementsprechend findet sich auch in der Literatur – soweit diese „schon“ die Neufassung des § 210 a Nr. 2 InsO berücksichtigt – keine entgegenstehende Meinung.

Über den Autor

Assessor jur. Volker Schreck

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