Über Scheinsicherheit und das neue SanlnsFoG

Die Coronapandemie stellt Politik und Unternehmen vor immense Herausforderungen. Neben vielfältigen Hilfsprogrammen spielte die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht eine große Rolle, um den Zusammenbruch von Teilen der Wirtschaft zu verhindern. Allerdings wog diese ausgesetzte Insolvenzan­tragspflicht viele Unternehmen in falscher Sicherheit.

Wann muss Insolvenz beantragt werden?

Es gibt zwei grundlegende Tatbestände, die eine Insolvenz­anmeldung für Unternehmen zwingend erforderlich machen. Dies sind Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Diese Regelung gilt für alle Unternehmen, die gegenüber ihren Gläubigern nur beschränkt haften.

Wann ist Zahlungsunfähigkeit erreicht?

Zahlungsunfähigkeit ist bereits erreicht, wenn zwischen den fälligen Verbindlichkeiten und den freien liquiden Mitteln (und das sind ausschließlich freie Banklinien und Cash auf dem Konto – nicht etwa auch fällige Forderungen) eine Deckungslücke besteht, die größer als zehn Prozent ist. Dieser Fall kann schneller eintreten, als man denkt, und kann u. a. auch vom Finanzmanagement eines Unternehmens und von der Zahlungsmoral der Kunden beeinflusst werden.

Wann ist Überschuldung erreicht?

Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Unternehmens die Schulden nicht mehr deckt. Eine Überschuldung allein macht jedoch noch keinen Insolvenzantrag notwendig, wenn insgesamt eine Perspektive für die Fortführung des Unternehmens besteht. Inwieweit das der Fall ist, sollte sicherheitshalber immer von einem Insolvenzexperten geprüft werden. Erschwerend kommt hinzu, dass mit der Änderung der Insolvenzordnung zum 01.01.2021 auch der Überschuldungsbegriff eine Änderung erfahren hat. .

Schützt eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Corona tatsächlich vor der Insolvenz?

Am 30. April 2021 endete die Frist zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Viele Unternehmen wähnten sich in einer Scheinsicherheit. Auf das Recht zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht konnte sich – anders als vielfach geglaubt – nur ein ganz geringer Teil von Unternehmen aus rechtlicher Sicht tatsächlich berufen. Voraussetzungen dazu sind insbesondere, dass

  • die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Covid-19- Pandemie beruht, was widerlegbar vermutet wird, wenn das Unternehmen am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war,
  • begründete Aussichten bestehen, dass die Insolvenzreife während der Aussetzungsdauer beseitigt werden kann,
  • bis zum 28. Februar 2021 ein Antrag auf Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfs­programme zur Abmilderung der Covid-19-Pandemie gestellt wurde,
  • der Antrag nicht offensichtlich aussichtslos ist, d. h. offen­sichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht und
  • die beantragte finanzielle Hilfe zur Beseitigung der Insol­venzreife geeignet und ausreichend ist.

Selbst wer glaubt, die Voraussetzungen zu erfüllen, kann eine böse Überraschung erleben, wenn es zu einem späteren Zeit­punkt doch zu einem Insolvenzantrag kommen sollte. Insol­venzverwalter werden dann von Gesetzes wegen versuchen, entsprechende Haftungsansprüche gegen den Geschäftsleiter persönlich – auch mit Blick auf dessen Privatvermögen – durchzu­setzen. Als Beleg dafür, dass die Aussetzungsvoraussetzungen eben nicht vorlagen, werden sie sich auf den gestellten Insol­venzantrag berufen.

Auch die Staatsanwaltschaft wird sich für diesen Vorgang interessieren. Denn lagen die Aussetzungsvoraussetzungen nicht vor, droht eine strafrechtliche Verfolgung wegen Insol­venzverschleppung.

Welche Alternativen gibt es, um ein Unternehmen zu sanieren?

Das StaRUG (Gesetz zur Stabilisierung und Restrukturierung von Unternehmen) ist am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Unternehmen können nun außerhalb eines Insolvenzverfah­rens Vereinbarungen treffen, denen nicht alle Gläubiger zustimmen müssen.

Damit eine Restrukturierung nach StaRUG erfolgen kann, darf noch keine Zahlungsunfähigkeit eingetreten sein, das Unternehmen muss andererseits aber schon drohend zah­lungsunfähig sein. Unter diesen Voraussetzungen hat es die Chance, eine Vergleichslösung mit seinen Finanzgläubigern zu schließen, der nur 75 Prozent der Gläubiger in jeder Gläubiger­gruppe zustimmen müssen. Bei mehreren Gruppen muss diese Mehrheit nur in der Mehrheit der Gruppen erzielt werden. Hier getroffene Regelungen wirken auch gegen die nicht zustim­menden Gläubiger. Sollten allerdings nicht alle Gläubiger zustimmen, müssen die getroffenen Regelungen in einem Restrukturierungsplan aufgenommen werden. Der Restruk­turierungsplan ist vom zuständigen Restrukturierungsge­richt zu bestätigen, damit er für und gegen alle Gläubiger wirkt. Nur wenn alle Gläubiger in allen Gruppen zu 100 Prozent zustimmen, bedarf es keiner Mitwirkung des Restrukturie­rungsgerichtes. Auf diese Weise können Banken zum Bei­spiel gezwungen werden, Teilverzichte, Stundungen ihrer Kredite oder Abänderungen ihrer Kreditverträge vorzuneh­men.

Sanierung in Eigenverwaltung innerhalb der Insolvenz

Zusätzlich zum neuen StaRUG gibt es die Möglichkeit, eine Sanierung in Eigenverwaltung oder im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens (ESUG) in Anspruch zu nehmen. Diese findet bereits innerhalb eines Insolvenzverfahrens statt und ist bisher die beste Alternative, eine Sanierung unter Insolvenzbedingungen unter Federführung der bisherigen Geschäftsleitung durchzuführen. In diesem Verfahren gibt es keinen Insolvenzverwalter, die Geschäftsleitung bleibt im „Fahrersitz“ und bestimmt die Geschicke des Unternehmens. Das Gericht bestimmt lediglich einen Sachwalter, der die Sanierung überwacht. Die Sanierung in Eigenverwaltung bietet weitergehende Möglichkeiten gegenüber einem StaRUG-Verfahren, weil – anders als beim StaRUG – auch Verträge beendet, Kündigungen von Arbeitnehmern mit kurzen Fristen ausgesprochen werden können und Sozialpläne auf 2,5 Mo­natsgehälter pro Mitarbeiter begrenzt sind. Unternehmen, die sich in Eigenverwaltung befinden, sind zudem insolvenzgeld­berechtigt, d. h., die Bundesagentur für Arbeit übernimmt für drei Monate die Zahlung von Löhnen und Gehältern.

Mit der Änderung des ESUG zum 1. Januar 2021 wurden die Zugangsvoraussetzungen zur Eigenverwaltung verschärft. Eine erfolgversprechende Durchführung des Verfahrens ohne die Begleitung von Sanierungsexperten ist deshalb sehr unwahrscheinlich.

Fazit

Gefährdete Unternehmen sollten rechtzeitig ihre finanzielle Situation prüfen und bei Bedarf eine Beratung durch ausgewiesene Sanie­rungsexperten in Anspruch nehmen. Es gibt mit dem neuen StaRUG und der Sanierung in Eigenverwaltung oder unter einem Schutzschirm erfolgversprechende Verfahren, welche die endgültige Auflösung oder Zerschlagung eines Unter­nehmens verhindern und zukunftsfähige Wege aufzeigen können.

Über den Autor

Geschäftsführer, Partner, Rechtsanwalt Robert Buchalik

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