Achtung: Haftung von Steuerberatern und Rechtsanwälten in der Krise des beratenen Unternehmens verschärft und erweitert!

Die Entwicklung der Hinweis- und Warnpflichten des Steuerberaters bei der Erstellung des Jahresabschlusses

Bereits im Jahr 2017 hat die höchstrichterliche Rechtsprechung den Pflichtenkreis des mit der Erstellung des Jahresabschlusses befassten Steuerberaters erweitert und ihm eine Hinweis- und Warnpflicht bei möglichen Insolvenztatbeständen auferlegt. Bei einer Verletzung dieser Pflichten droht eine persönliche Haftung des Steuerberaters. Diese Pflicht des Steuerberaters hat mit § 102 StaRUG nun auch Eingang in die Gesetzgebung gefunden.

Welche konkreten Pflichten bestehen in der Unternehmenskrise?

Eine Hinweis- und Warnpflicht kann sich daraus ergeben, dass sich bereits bei der Aufstellung des Jahresabschlusses Anhaltspunkte für die Gefährdung des Fortbestandes des Unternehmens ergeben, also eine positive Fortführungsprognose fehlt. Diese ist immer dann gegeben, wenn das Unternehmen über einen bestimmten Prognosezeitraum durchfinanziert ist.

Im Zuge der Energiekrise und des Ukrainekrieges hat der Gesetzgeber eine Erleichterung geschaffen und den Prognosezeitraum gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 SanInsKG auf vier Monate verkürzt. Ab dem 1. September 2023 gilt allerdings wieder ein Prognosezeitraum von zwölf Monaten, in dem das Unternehmen durchfinanziert sein muss. In diesem Zeitraum darf also keine Zahlungsunfähigkeit eintreten.

Im Zuge dessen hat der Gesetzgeber die Geschäftsleiter nach § 1 StaRUG auch verpflichtet, ein Krisenfrühwarnsystem zu installieren. Danach muss in jedem Unternehmen eine fortlaufend aktualisierte Liquiditätsplanung für die nächsten zwölf Monate und darüber hinaus erstellt und gepflegt werden.

Wird das Unternehmen innerhalb der nächsten zwölf Monate zahlungsunfähig, fehlt es an einer positiven Fortführungsprognose. Steuerberater müssen darauf hinweisen und die Bilanz dann zu Liquidationswerten aufstellen. Dies führt dann in den allermeisten Fällen zur Überschuldung des Unternehmens und damit zu einer Insolvenzantragspflicht. Beachtet der Steuerberater dies nicht und wird die Bilanz zu Fortführungswerten aufgestellt, ist der Jahresabschluss fehlerhaft. Die Vergütung des Steuerberaters ist zurückzuzahlen.

Darüber hinaus muss der Steuerberater auch bei einem mangelfreien Jahresabschluss auf einen möglichen Insolvenzgrund und die damit verbundene Prüfungspflicht des Geschäftsführers hinweisen. Bei Verletzung dieser Pflicht und verspäteter Insolvenzantragsstellung kann sich der Steuerberater schadensersatzpflichtig machen.

Erweiterung der Beraterhaftung durch BGH-Urteil vom 29.06.2023

In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof nunmehr zu der bislang ungeklärten Frage Stellung genommen, ob dem betroffenen Geschäftsführer auch Schadensersatzansprüche gegen den Berater zustehen, da zwischen dem Berater und dem Unternehmen regelmäßig ein Mandatsvertrag abgeschlossen wird. Es ging also um die Frage der Einbeziehung des Geschäftsführers in den Schutzbereich des zwischen dem Unternehmen und dem Berater geschlossenen Mandatsvertrages.

Hierzu hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Hinweispflicht auch dann besteht, wenn die Beratung über Insolvenzgründe nicht als Hauptleistung vereinbart ist. Eine Hinweispflicht kann auch dann bestehen, wenn sich eine Hinweis- und Warnpflicht als Nebenpflicht ergibt. Insoweit wird ausdrücklich auf die Regelung des § 102 StaRUG verwiesen, die eine Hinweispflicht für Steuerberater postuliert.

Diese Pflicht gilt dann auch gegenüber Geschäftsleitern, wenn diese bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommen.

Welche Konsequenzen müssen Rechtsanwälte und Steuerberater ziehen?

Steuerberater und Rechtsanwälte müssen in der wirtschaftlichen Krise des beratenen Unternehmens besonders wachsam sein. Die Geschäftsleiter sind schriftlich über mögliche Insolvenztatbestände und die sich daraus ergebenden Pflichten der Verantwortlichen zu informieren. Bei den ersten Anzeichen einer Krise sollte unbedingt ein Insolvenzexperte hinzugezogen werden, um eigene Haftungsrisiken zu vermeiden.

Was ist bei der Verletzung von Hinweis- und Warnpflichten zu befürchten?

Hat der Steuerberater oder Rechtsanwalt in der Krise des Unternehmens seine Hinweis- und Warnpflichten hinsichtlich der Insolvenztatbestände und Handlungspflichten der Geschäftsführer verletzt und wird der Insolvenzantrag verspätet gestellt, kann Folgendes passieren:

Der Insolvenzverwalter kann bei verspäteter Insolvenzantragstellung im eröffneten Insolvenzverfahren oft erhebliche Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsleiter geltend machen. Der so in Anspruch genommene Geschäftsführer kann das Geld dann wiederum von seinem Steuerberater wegen Verletzung der Hinweis- und Warnpflichten zurückholen.

Hier ist zu befürchten, dass sich die durchaus klage- und prozessfreudigen Insolvenzverwalter diese Schadensersatzansprüche zur Massemehrung vom Geschäftsführer abtreten lassen und dann die haftpflichtversicherten Berater direkt in Anspruch nehmen. Hier könnte in Zukunft ein interessantes Modell zur Massemehrung für Insolvenzverwalter liegen.

Dagegen hilft nur, frühzeitig Insolvenzexperten ins Boot zu holen.

Über den Autor

Geschäftsführer, Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht Dr. Jasper Stahlschmidt

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