Das Krisenfolgenabmilderungsgesetz ist in Kraft getreten − was bringt es?

Einmal mehr hat der bundesdeutsche Gesetzgeber auf eine schwerwiegende Krise mit vorübergehenden Änderungen im Insolvenzrecht reagiert. Wieder geht es darum, Unternehmern in kritischen Situationen nicht verfrüht den Gang zum Insolvenzrichter aufzuzwingen oder zumindest ihre Möglichkeiten zu erweitern, die 
Krise – notfalls auch über ein Insolvenzverfahren – selbst zu meistern.
Die wesentlichen Änderungen durch das sogenannte Sanierungs- und insolvenzrechtliche Krisenfolgenabmilderungsgesetz (SanInsKG) sind:
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Verlängerung der Insolvenzantragsfrist bei Überschuldung von derzeit sechs Wochen auf acht Wochen

Verkürzung des Prognosezeitraums für die insolvenzrechtliche Überschuldungsprüfung von zwölf Monaten auf vier Monate

Reduzierung des Planungshorizonts für den Zugang zur Eigenverwaltung und den (gerichtlichen/außergerichtlichen) Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG von sechs Monaten auf vier Monate

Beachtlich: Die eingetretene Zahlungsunfähigkeit löst unverändert eine Insolvenzantragspflicht mit einer maximalen Gnadenfrist von drei Wochen aus.

1. Aufgeweichte Antragspflicht wegen Überschuldung

Konkret bedeuten die beiden ersten Änderungen, dass Unternehmen, die aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Monate oder Jahre ihr Eigenkapital aufgezehrt haben und daher bilanziell überschuldet sind, es wesentlich leichter haben, sich im Gegenzug eine positive Fortführungsprognose zu stellen. Damit wird die Insolvenzantragspflicht aufgehoben, sofern das Unternehmen noch liquide ist. Selbst wenn für den kurzen Zeitraum von vier Monaten keine positive Fortführungsprognose mehr zu stellen ist, darf der Unternehmer nun acht Wochen, also etwa die Hälfte des Prognosezeitraums, lang versuchen, diesen Zustand noch zu ändern. Erst dann muss er einen Insolvenzantrag stellen, um sich nicht einer Insolvenzverschleppung schuldig zu machen.

Das klingt zunächst großzügig und der Unberechenbarkeit der näheren Zukunft angemessen, die zunächst COVID und dann die Ukraine-Krise der deutschen Wirtschaft beschert haben. Wer heute nicht genau weiß, wie er z. B. in sechs Monaten noch seine Schulden bedienen und seinen Betrieb aufrechterhalten soll, braucht deshalb nicht gleich zum Insolvenzgericht zu gehen. Insofern können viele Geschäftsführer von juristischen Personen – nur sie trifft die strafbewehrte Insolvenzantragspflicht – erst einmal aufatmen, vor allem wenn ihnen die schmerzhafte Rückzahlung von lediglich geliehenen COVID-Hilfsmitteln ins Haus steht.
Inwiefern sich an der Entwicklung des realen Aufkommens an Insolvenzverfahren viel ändern wird, bleibt allerdings fraglich. Denn faktisch ist nicht die Überschuldung, sondern die Zahlungsunfähigkeit schon immer der bei weitem häufigste tatsächliche Auslöser für gestellte Insolvenzanträge. Man möchte also meinen, die neue Regelung würde – im Gegensatz zu den Maßnahmen anlässlich der ersten COVID Lockdowns – nicht dazu führen, dass in der Realität die Drucksituation auf kriselnde Unternehmen erheblich nachlässt, einen Insolvenzantrag zu stellen. Macht es jedoch leichter, sich als Geschäftsführer in der Krise rechtmäßig zu verhalten, obwohl man den Insolvenzantrag bis zum Punkt der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit hinauszögert.

Notwendig ist hierfür jedoch mit erkannter Ergebniskrise, spätestens ab Aufbrauchen des Eigenkapitals, eine engmaschig aktuell gehaltene Planung zumindest der kommenden 4 bis 5 Monate. Nur so kann man im Nachhinein beweisen, dass man nicht billigend in Kauf genommen hat, trotz Überschuldung unverdrossen weitergewirtschaftet zu haben. Der große Vorteil der neuen Regelung ist hier, dass mit dem Planungszeitraum auch die Kosten einer professionellen Planung schrumpfen können.

Nichtsdestotrotz empfehlen wir trotzdem, möglichst in kritischen Zeiten stets eine mindestens zwölfmonatige integrierte Liquiditätsplanung vorzuhalten, um ein nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen und zu dokumentieren. Die Übergangsregelung wird nicht ewig bleiben, und ihr Auslaufen wird auch wahrscheinlich nicht mit allzu langer Vorwarnung angekündigt. Wer sich dann ohne eine (dann wieder verpflichtend zwölfmonatige) Planung wiederfindet, riskiert leicht, mangels positiver Fortführungsprognose in die Insolvenzverschleppung zu rutschen.

2. Erleichterungen bei Eigenverwaltungsverfahren

Einen noch gravierenderen Einfluss könnte die Neuregelung zur Reduzierung des Planungshorizonts bei eigenverwaltenden Sanierungsverfahren haben. Dass der Planungshorizont von sechs auf vier Monate reduziert wird, bedeutet eine ganz wesentliche Erleichterung für den Zugang zu solchen Verfahren, seien sie nun Verfahren nach der Insolvenzordnung oder außerinsolvenzliche Sanierungswege nach dem StaRUG. Insbesondere aber für die Eigenverwaltung und das sog. Schutzschirmverfahren ist die Erleichterung wesentlich: Beide sind echte Insolvenzverfahren und lösen als solche auch einen Insolvenzgeldanspruch der Arbeitnehmer aus. Das Unternehmen wird dadurch für bis zu drei Monate von den Personalkosten im Wesentlichen befreit und kann die eingesparten Gelder als „Kriegskasse“ in die Sanierung mitnehmen. Die mit dem Antrag auf Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung einzureichende Planung muss nun möglicherweise nur einen Monat über das Ende dieses Insolvenzgeldzeitraums hinaus eine Fortführbarkeit des Unternehmens nachweisen – also effektiv, dass man die angesparten Reserven aus drei Monaten Insolvenzgeld nicht in unter einem Monat (oder maximal zweien) wieder aufbraucht.

Es ist leicht zu erkennen, dass unter dieser Regelung nur die wenigsten Unternehmen unfähig sein werden, eine ausreichend positive Verfahrensplanung vorzulegen, um die Hürden für eine Eigenverwaltung zu nehmen. Auch das ist im Hinblick auf die sehr weitgehenden Unsicherheiten im aktuellen Marktgeschehen verständlich. Es kann aber auch zu unzureichend geplanten und letztlich erfolglosen Sanierungsverfahren führen, da die Regelung – und damit das entscheidende Gericht – keinerlei Rücksicht darauf nimmt, ob das betreffende Unternehmen tatsächlich durch die aktuelle Krise geschädigt ist oder ob die vorgelegte Planung auch für eine Fortführung über den kurzen obligatorischen Planungszeitraum hinaus zumindest grundsätzlich gerüstet ist.

Wer über ein formelles gerichtliches oder außergerichtliches Sanierungserfahren nachdenkt, sollte deshalb nur den allernötigsten Gebrauch von dieser Erleichterung machen und auf jeden Fall nicht auf das Aufstellen einer deutlich längerfristigen Planung verzichten. Nur eine solche vermittelt dem sanierungswilligen Unternehmen einen seriösen Eindruck, ob seine geplanten Maßnahmen fruchten und – vor allem – ob sie auch ausreichen, den erwünschten Sanierungserfolg tatsächlich zu erreichen. Nichts ist fataler als in einem eröffneten Sanierungsverfahren zu stehen und erst dann festzustellen, dass man aufgrund von zu optimistischen oder zu kurzsichtigen Prognosen in seinen Bemühungen „zu kurz gesprungen“ ist. Ein solcher Fehler lässt sich in den seltensten Fällen nachträglich beheben.

Fazit

Das SanInsKG bietet nachvollziehbare Erleichterungen, die Unternehmen in Schieflage den Umgang mit der derzeitigen Energiepreis- und Absatzkrise rechtlich spürbar entschärfen. Sie stellen allerdings auch die Aufweichung von Standards dar, die durchaus im Sinne der Sanierungsfähigkeit von Unternehmen aufgestellt worden sind. Diese Standards unter dem Schutz der Neuerung zu unterlaufen, kann sich daher als Schuss herausstellen, der gewaltig nach hinten losgeht.

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Rechtsanwalt Kilian Haus

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