Der Erfolg der Einleitung eines vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens nach § 270a InsO oder eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO hängt von vielen Faktoren ab. Wesentlich ist die professionelle Abstimmung und Kommunikation zwischen dem Schuldner und dessen Beratern (Sanierungsberater), dem vorläufigen ­Gläubigerausschuss, dem vorläufigen Sachwalter sowie dem Insolvenzgericht. Gerade die Kommunikation mit und zu dem Insolvenzgericht ist ein unverzichtbarer Bestandteil für den Erfolg eines Verfahrens nach § 270a und/oder § 270b InsO.

Die Erfahrungen des ersten Jahres ESUG zeigen nunmehr sehr deutlich: Ohne eine frühzeitige Abstimmung mit den Insolvenzgerichten drohen erhebliche Verfahrensverzögerungen, die den gesamten Sanierungsprozess gefährden oder gar unmöglich machen können. Ein Insolvenzgericht, welches sich erstmals am Tage der Antragstellung mit einem Insolvenzantrag nach neuem Recht befasst, wird nur in den seltensten Fällen bereits am selben Tag noch einen Beschluss über die Anordnung einer vorläufigen Eigenverwaltung oder gar eines Schutzschirmverfahrens erlassen. Denn zu Recht nehmen die Insolvenzgerichte für sich in Anspruch, die eingereichten Unterlagen umfassend zu prüfen. Und ein sorgfältig vorbereitetes Verfahren nach neuem Recht kann schnell einen oder mehrere Aktenordner mit Anträgen und weiteren ergänzenden Unterlagen füllen. Alleine die schiere Masse erfordert bereits einen entsprechenden zeitlichen Prüfungsaufwand.

Frühzeitige Kommunikation mit dem Richter

Hinzu kommt, dass der Geschäftserteilungsplan regelmäßig erst mit dem Antrag den zuständigen Richter zuweist. Dennoch zeigt die Praxis, dass bei zahlreichen Insolvenzgerichten die Richter gerade in diesen Fällen auch kollektiv für Vorbesprechungen zur Verfügung stehen. In einer münd­lichen Vorbesprechung kann eine zügige Darstellung komplizierter Sachverhalte erfolgen und so die eigentliche ­Prüfungsarbeit durch das Insolvenzgericht deutlich effizienter gestaltet werden.

Allerdings gibt es auch andere Beispiele. Ebenso wie teilweise Verfahren nach §§ 270a, 270b InsO über Wochen ohne klare Kommunikation eingeleitet durch die betreuenden Berater begleitet werden, verweigern sich eine Reihe von Insolvenzgerichten bzw. einzelne Richter kategorisch einer Vorbe­sprechung. Mit weitreichenden Folgen für das Unternehmen.

Zwangsläufig müssen die Sanierungsberater deutlich umfassendere Unterlagen erstellen, um alle Einzelfragen in einer individuell gewünschten Tiefe beantwortet zu können. Dies wiederum verlängert automatisch den zeitlichen Prüfungsaufwand des Insolvenzgerichtes.

Den Insolvenzgerichten, die Vorgespräche kategorisch ablehnen, scheint häufig nicht bewusst zu sein, welche Komplikationen sie damit auslösen, aber auch welche Risiken sie ­dadurch eingehen. Neben einer Gefährdung des Sanie­rungserfolges in Teilen oder als Ganzes werden bereits ­Amts­haftungsansprüche in Fällen diskutiert, in denen die Verweigerung der Insolvenzgerichte zu einer faktischen Handlungsunfähigkeit des antragstellenden Unternehmens führte.

Fehlende Erfahrung

Dabei beruht die Ablehnung eines Vorgespräches aus unserer Erfahrung regelmäßig nicht auf Böswilligkeit, sondern auf fehlender Einschätzung und Erfahrung mit dem neuen Recht und den komplexen Verfahren. Denn das Insolvenzgericht wird bei einer Antragstellung nach §§ 270a, 270b InsO mit einer ganzen Reihe von juristisch-betriebswirtschaftlichen Einschätzungen und Begründungen konfrontiert, die so – das spiegeln die Gespräche mit den Richtern wider – eben nicht zu deren Tagesgeschäft gehören.

Die Praxis zeigt, dass Gerichte, die bereits Verfahren nach §§ 270a, 270b InsO durchgeführt haben, die Möglichkeit eines Vorgespräches mit dem Sanierungsberater/Sanierungsgeschäftsführer dazu nutzen, um Tage vor der Antragstellung die nicht unterschriebenen Antragsunterlagen frühzeitig zu besprechen und sich ergebende Problemstellungen vorzudiskutieren. Auch kann so der Sanierungsberater ­gerichtsspezifischen Besonderheiten (Anforderungen an die Darstellung oder bestimmte, zusätzlich beizubringende Unterlagen) frühzeitig Rechnung tragen.

Beim Schutzschirm ist Vorgespräch unschädlich

Ein solches Gespräch sollte im Idealfall mindestens zwei bis drei Tage vor der Insolvenzantragstellung erfolgen, beim Schutzschirmverfahren auch deutlich früher. Letzteres ist haftungsrechtlich unschädlich, weil der Insolvenzschuldner für dieses Verfahren zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht zahlungsunfähig sein darf (vgl. § 270b Abs. 1 Sätze 1 und 3 InsO). Anders verhält es sich beim Verfahren nach § 270a InsO. Hier ist Vorsicht geboten. In dem Moment, in dem nach außen dokumentiert wird, dass ein Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt werden soll, muss sichergestellt sein, dass der Lieferant, der jetzt noch Ware liefert, nicht geschädigt wird und dass der Waren- oder Dienstleistungsbezug vor Antragstellung bezahlt wird. Das wird in der Praxis nicht einfach zu bewerkstelligen sein.

Gegenstand eines Vorgespräches sollte im Idealfall eine Verständigung mit dem zuständigen Insolvenzrichter über die folgenden Punkte sein:

  • Einrichtung eines vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 22a InsO):

Idealerweise bringt der Schuldner zu dem Vorbesprechungstermin mit dem Gericht bereits eine Vorschlagsliste mit potenziellen Gläubigerausschussmitgliedern mit. Gegebenenfalls benennt er dem Gericht sogar schon konkrete Personen, die sich bereit erklärt haben, als Mitglieder am vorläufigen Gläubigerausschuss mitzuwirken (belegt durch entsprechende schriftliche ­Einverständniserklärungen). Dabei sollte der Insol­venzschuldner darauf achten, dass der vorläufige ­Gläubigerausschuss auch repräsentativ ausgesucht wird, d. h., den gesetzlichen Vorgaben entsprechend vorgeschlagen wird. Einzelheiten ergeben sich bekanntermaßen aus § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a InsO i.V.m. § 67 Abs.2 InsO. Auch hier kann es die Schwierigkeit geben, dass mancher angesprochene und prädestinierte Gläubiger nicht im Gläubigerausschuss mitwirken will. Hier spielen häufig zeitliche Gründe (so zeigt die Erfahrung, dass die zuständigen Mitarbeiter von Großbanken erst ab gewissen Größenordnungen tätig werden) und mögliche Haftungsrisiken eine Rolle. Eine Mitwirkungs­ablehnung muss dem Gericht im Zweifel durch eine entsprechende Erklärung belegt werden und lässt sich im Vorgespräch erörtern.

  • Person des vorläufigen Sachwalters:

Der Schuldner kann dem Gericht bei Beantragung eines Schutzschirmverfahrens einen vorläufigen Sachwalter vorschlagen. Von diesem Vorschlag darf das Gericht nur abweichen, wenn der vorläufige Sachwalter aus Sicht des Gerichtes offensichtlich ungeeignet ist (siehe § 270b Abs. 2 Satz 2 InsO). Das liegt vor, wenn es ihm an der erforder­lichen Unabhängigkeit fehlt. Im Übrigen empfiehlt es sich, mit dem Gericht eine vertrauensvolle Abstimmung im Hinblick auf die Person des vorläufigen Sachwalters herbeizuführen. Bei einem vorläufigen Sachwalter, den das Gericht nicht kennt oder anerkennt, wird zunächst einmal Skepsis vorherrschen und das Gericht wird umfangreiche Erkundigungen über die Person des Vorgeschlagenen durchführen. Viel sinnvoller ist es, einen Sachwalter vorzuschlagen, der bei diesem Gericht gelistet und regel­mäßig dort bestellt wird. Diese Abstimmungsarbeit mit dem Gericht gilt es auch in einem Verfahren nach § 270a InsO zu leisten, wenn ein einstimmiger Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des vorläufigen Sachwalters vorliegt (siehe §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 274 Abs. 1, 56a Abs. 2 InsO).

  • Bescheinigung nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO:

Mit dem Eröffnungsantrag ist beim Schutzschirmverfahren nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Berufsträgers vorzulegen (siehe dazu den Beitrag auf Seite 27). Das Gericht hat insoweit nicht nur in Bezug auf die Qualifikation des Bescheinigers ein Prüfungsrecht, sondern auch in Bezug auf den Inhalt der Bescheinigung. Möglicherweise wird das Gericht auf dem Standpunkt stehen, dass diese Bescheinigung von einem fachkundigen Dritten auf ihre inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen ist, wenn es selbst nicht über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt. Um hier Zeitverluste zu vermeiden, die den Erfolg des Schutzschirmverfahrens gefährden könnten, empfiehlt es sich, bereits im Vorfeld mit dem Gericht zu klären, welche Person oder Stelle diese Bescheinigung prüfen könnte. Bei einer solchen Vorgehensweise kann der Insolvenzrichter noch am Tag der Antragstellung den Auftrag zur Prüfung der Bescheinigung in Auftrag geben. Das wird aber zu Verzögerungen führen. Die Entscheidung des Gerichtes über die Einleitung eines Schutzschirmverfahrens kann sich dann bis zu einer Woche hinauszögern. In dieser Zeit können möglicherweise dann weder Waren und Dienstleistungen bestellt, noch produziert und über Zahlungseingänge verfügt werden.

Weitere Informationen zum ESUG lesen Sie im Sondernewletter

Pressemitteilungen

Veranstaltungen

Newsletter

Bücher

Studien & Leitfäden

Videos