Eingriffsmöglichkeiten in Gläubigerrechte im Rahmen des StaRUG

Mit dem StaRUG, dem Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz, besteht nunmehr seit dem 01.01.2021 die Möglichkeit, auch ohne ein klassisches Insolvenzverfahren oder eine Eigenverwaltung in Gläubigerrechte einzugreifen. Damit wird die Lücke zwischen einer konsensualen vorinsolvenzlichen Sanierung, bei der alle Gläubiger zustimmen müssen und einem Insolvenzverfahren geschlossen. Das Gesetz beschränkt sich allerdings auf die finanzielle Restrukturierung; für den operativen Bereich bleibt nur der Verhandlungsweg oder die Insolvenz.

In den §§ 2 bis 4 StaRUG wird geregelt, welche Forderungen überhaupt von einem Restrukturierungsverfahren betroffen sein können – und welche nicht. In erster Linie sind das Forderungen gegen eine restrukturierungsfähige Person als Schuldner (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG) und die an Gegenständen des schuldnerischen Vermögens bestehenden Rechte, die im Falle einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Absonderung berechtigen würden. Davon ausgenommen sind insbesondere Finanzsicherheiten i.S. von § 1 Abs. 17 KWG (z.B. Barguthaben, Wertpapiere, Geldmarktinstrumente etc.). Grundsätzlich sind im Übrigen alle Forderungen gestaltbar, insbesondere auch nachrangige Forderungen sowie bedingte und noch nicht fällige Forderungen (§ 3 Abs. 1 StaRUG).

  1. Forderungen, die gegen den Schuldner gerichtet sind

Die Person, die ein Restrukturierungsverfahren anstrebt oder durchläuft, wird „restrukturierungsfähige Person“ oder kurz „Schuldner“ genannt § 2 Nr. 1 StaRUG).

Die Forderungen, die gegen diesen Schuldner persönlich gerichtet sind, werden gemäß § 2 Abs. 1 StaRUG „Restrukturierungsforderungen“ genannt. Das Rechtsverhältnis Vertrag oder Gesetz ist gleichgültig.

  1. Zeitpunkt des Vorliegens der zu gestaltenden Rechte

Im Insolvenzverfahren ist der Zeitpunkt klar, an dem sich die Rechtslage ändert und Forderungen nur noch im Verfahren verfolgt werden dürfen: Im Eröffnungsbeschluss, aber auch im Beschluss über die vorläufige Anordnung des Insolvenzverfahrens, wird der Zeitpunkt auf Tag und in der Regel auch auf die Minute genau angegeben, zu der die Wirkungen der Eröffnung in Kraft treten. Zudem wird zumindest der Eröffnungsbeschluss spätestens mit der Eröffnung veröffentlicht.

Das Restrukturierungsverfahren (StaRUG-Verfahren) als Sanierungsverfahren außerhalb der Insolvenz kann ohne Einschaltung eines Gerichts beginnen, etwa durch Übersendung des Angebots eines Restrukturierungsplans nach § 17 StaRUG. Darum muss eine eigene Regelung für den Zeitpunkt getroffen werden, der bestimmt, wann z.B. eine Restrukturierungsforderung vorliegt, die im Plan geregelt werden kann, und wann eine Neuforderung gegeben ist, die vom Plan nicht erfasst ist.

Gleiches gilt für Sicherheiten, die der Schuldner an Gegenständen seines Vermögens gewährt hat.

Das Gesetz nennt in § 2 Abs. 5 StaRUG drei Zeitpunkte:

  1. Wird außergerichtlich ein Restrukturierungsplan vorgelegt, bestimmt sich der Zeitpunkt nach der Unterbreitung des Plans.
  2. Möchte der Schuldner nach den §§ 45, 46 StaRUG freiwillig das Gericht einschalten, wenn über den Plan abgestimmt werden soll, zählt der Antragseingang beim Gericht.
  3. Es ist auch möglich, dass der Schuldner das Gericht einschaltet, um eine sogenannte Stabilisierungsanordnung nach § 49 StaRUG zu erwirken. Die geschieht zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung oder um zu verhindern, dass Gläubiger, denen der Schuldner Sicherheiten gestellt hat, diese verwerten und die Sanierung unmöglich machen. Der Antrag wird in der Regel noch vor der Unterbreitung des Restrukturierungsplans gestellt. Dann soll der Zeitpunkt gelten, zu dem das Gericht erstmalig solche Maßnahmen anordnet.
  1. Einschränkung für gegenseitige Verträge

Für Restrukturierungsforderungen aus gegenseitigen Verträgen gibt es eine Einschränkung: Sie können nur erfasst werden, wenn der Gläubiger schon vollständig geleistet hat.  So ist es nicht möglich den Gläubiger zur Auszahlung eines Darlehns zu zwingen, wenn das noch nicht oder nicht vollständig valutiert.

  1. Ausnahmen für einige Rechtsverhältnisse

Bestimmte Forderungen, die nach dem zuvor Gesagten ohne weiteres Restrukturierungsforderungen darstellen, sind aber nach § 4 StaRUG von vornherein von einem Restrukturierungsverfahren ausgenommen. Das sind gemäß § 4 StaRUG:

  • alle Forderungen von Arbeitnehmern aus und in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, einschließlich der Rechte aus Zusagen auf betriebliche Altersversorgung.
  • Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen
  • Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO (Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder, Zwangsgelder etc.)

Ist der Schuldner eine natürliche Person, gehören Forderungen, die sein Unternehmen nicht betreffen, auch nicht zu den Restrukturierungsforderungen, z.B. Unterhaltsforderungen, die Forderungen der Banken wegen Krediten für die private Immobilie oder Bürgschaftsschulden gegenüber Familienmitgliedern. Forderungen hingegen, die das Unternehmen des Schuldners betreffen, sind Restrukturierungsforderungen.

Sollen Forderungen, die nicht Restrukturierungsforderungen sind, auch erfasst werden, hilft nur ein Insolvenzplan in einem Verfahren nach der Insolvenzordnung, für den die obigen Ausnahmen nicht gelten.

  1. Sicherheiten von Gläubigern (Absonderungsanwartschaften)

Ebenfalls können Rechte von Gläubigern in einem Restrukturierungsverfahren geregelt werden, die diesen durch Sicherheiten am Vermögen des Schuldners zustehen. Es muss sich aber um solche Sicherheiten handeln, die in einem gedachten Insolvenzverfahren den Gläubigern Absonderungsrechte gewähren würden. Das StaRUG spricht daher von „Absonderungsanwartschaften“. In der Regel handelt es sich um typische Kreditsicherheiten aus dem Schuldnervermögen.

Solche Rechte sind in den §§ 49 – 51 InsO geregelt. Es handelt sich vor allem um:

  • alle Pfandrechte – auch aus der Zwangsvollstreckung.
  • auch Grundpfandrechte an Betriebsgrundstücken, also vor allem Grundschulden und (Zwangs-)Hypotheken
  • die Sicherungsübereignung, gleich ob an Einzelgegenständen oder an einem ganzen Warenlager
  • die Sicherungsabtretung, gleich ob als Einzel- oder Globalzession
  • der erweiterte und verlängerte Eigentumsvorbehalt
  • aber auch Zurückbehaltungsrechte nach dem HGB, z.B. des Spediteurs oder beispielsweise
  • Vermieterpfandrechte oder Spediteurpfandrechte.

Im Hinblick auf Kreditsicherheiten dürfte die Vorschrift besondere Relevanz bei der Neuordnung von Kreditsicherheiten im Rahmen einer Restrukturierung, z.B. bei einem Sicherheitentausch oder vergleichbaren Fallgestaltungen bekommen. Gleichwohl dürfte auch der unmittelbare Eingriff in die Kreditsicherheit möglich sein, wenn im Rahmen des Plans die Forderung ermäßigt wird. Dies wird die Kreditwirtschaft allerdings naturgemäß anders sehen und es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung entscheidet.

Im Übrigen wird die Kreditwirtschaft durch den § 54 Abs. 2 StaRUG in besonderer Weise geschützt. Zieht der Schuldner nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen mit dem Berechtigten Forderungen ein, die zur Sicherung seines Anspruchs abgetreten sind oder veräußert  oder verarbeitet er bewegliche Sachen, an denen Rechte bestehen, die im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Aus- oder Absonderungsrechte geltend gemacht werden könnten, sind die dabei erzielten Erlöse an den Berechtigten auszukehren oder unterscheidbar zu verwahren, es sei denn der Schuldner trifft mit dem Berechtigten eine anderweitige Vereinbarung. Da ohne eine Verfügung über Forderungen und Vorräte die Liquidität sehr schnell zu Ende geht, wird es auch hier  – wie im Insolvenzverfahren – darauf ankommen, mit dem Kreditinstitut eine Vereinbarung zu treffen, um über Forderungen und Vorräte zu verfügen. Im Gegenzug werden dem Kreditinstitut Neuforderungen und Vorräte zur Sicherheit übertragen. In der Insolvenz nennt man das einen unechten Massekreditvertrag.

  1. Mehrseitige Verträge und Schuldverschreibungen

Ebenfalls restrukturiert werden können nach § 2 Abs. 2 StaRUG solche Restrukturierungsforderungen und Sicherheiten, die zwischen dem Schuldner und mehreren Gläubigern geregelt werden (z.B. Bankenkonsortien und Lieferantenpools). Diese Regelung bezieht sich zum einen auf Konsortialkreditverträge, aber umfasst auch Forderungen aus Schuldtiteln im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 WpHG, also insbesondere Genussscheine und Inhaber- bzw. Orderschuldverschreibungen oder Mezzanine Nachrangkapital. Dabei können z.B. die Bedingungen angepasst, Rangverhältnisse geändert oder abgeänderte Wasserfallregelungen getroffen werden.

Werden diese als Sicherheiten für Forderungen mehrerer Gläubiger gehalten, kann auch in mehrseitige Vereinbarungen eingegriffen werden, die das relative Rangverhältnis der aus der Durchsetzung dieser Absonderungsanwartschaften resultierenden Erlöse betreffen (§ 2 Abs. 2 Satz 3 StaRUG). Danach sind auch „Wasserfallregelungen“ im Rahmen von Konsortialkreditverträgen, Inter-Creditor-Vereinbarungen sowie Sicherheiten- bzw. Sanierungspoolverträgen durch einen Restrukturierungsplan gestaltbar. Ob das nur dann gilt, wenn das Rechtsverhältnis zwischen den Gläubigern einerseits und dem Schuldner andererseits betroffen ist oder auch für das Rechtsverhältnis unter den Gläubigern, ist derzeit noch ungeklärt.

  1. Sicherheiten gegenüber verbundenen Unternehmen

Drittsicherheiten unterliegen grundsätzlich nicht der Gestaltung im Restrukturierungsplan. Etwas anderes gilt jedoch gemäß § 2 Abs. 4 StaRUG für verbundene Unternehmen des Schuldners i.S.v. § 15 AktG aus Bürgschaften, Mitschuldnereigenschaft oder anderweitig übernommener Mithaftung für Restrukturierungsforderungen gegenüber dem Schuldner. Auch in dingliche Rechte an Gegenständen aus dem Vermögen von verbundenen Unternehmen, die als Sicherheiten für Restrukturierungsforderungen dienen, kann nach dieser Vorschrift mit einem Restrukturierungsplan eingegriffen werden. Dabei kann das Mutter-Tochter-Verhältnis durch eine Mehrheitsbeteiligung oder durch einen Beherrschungsvertrag begründet worden sein. Nicht erforderlich ist es, dass das verbundene Unternehmen selbst von den Vorteilen der aufgenommenen Kredite profitiert oder die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Instrumente des StaRUG vorliegen (drohende Zahlungsunfähigkeit als Eingangsvoraussetzung).

In sachlicher Hinsicht erfasst § 2 Abs. 4 StaRUG jegliche von verbundenen Unternehmen gewährte Sach- oder Personalsicherheiten. Gleichwohl bleiben Fragen offen. So ist unklar, ob zumindest bei akzessorischen Sicherheiten eine Reduzierung der Schuld des Restrukturierungsschuldners auch zu einer Reduzierung der Verpflichtung beim Drittsicherungsgeber führt. Damit würde zumindest die Entschädigungspflicht gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 entfallen.

So würde sich danach die Bürgschaftsschuld der Tochtergesellschafter reduzieren, wenn sich die Hauptforderung gegen die Restrukturierungsschuldnerin durch den Insolvenzplan reduziert.

Der Eingriff in gruppeninterne Drittsicherheiten hängt im Übrigen von der Zustimmung des Dritten ab, die dem Plan gemäß § 15 Abs. 4 StaRUG beizufügen ist.

  1. Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen

Handelt es sich bei dem Schuldner um eine Gesellschaft (ganz gleich, ob juristische Person oder Personengesellschaft), können auch bezüglich der Beteiligung Restrukturierungsmaßnahmen getroffen werden. Der Restrukturierungsplan kann also auch die Rechte der Inhaber von Anteil- bzw. Mitgliedschaftsrechten der an dem Schuldner beteiligten Personen gestalten (§ 2 Abs. 3 StaRUG).

Im Grunde ist alles möglich, was das Gesellschaftsrecht zulässt:

  • Ausscheiden und Auswechseln von Gesellschaftern (auch mit Bezugsrechtsausschluss)
  • Auch die Umwandlung von Restrukturierungsforderungen in Gesellschaftsanteile (Debt-to-Equity-Swap) ist möglich.
  • Soll Gesellschaftern, die persönlich für Restrukturierungsforderungen der Gesellschaft haften, diese Haftung ganz oder teilweise erlassen werden, muss den Gläubigern aber eine Kompensation gezahlt werden. 
  1. Mögliche Eingriffe in Restrukturierungsforderungen

Der Gestaltende des Restrukturierungsplans kann Eingriffe verschiedener Art in Restrukturierungsforderungen vorsehen. Beispielsweise können sie anteilig gekürzt, gestundet oder mit Bedingungen versehen werden. Insbesondere sind auch Rangrücktritte sowie vorinsolvenzliche Durchsetzungssperren jeglicher Art möglich. Außerdem kann der gestaltende Teil des Restrukturierungsplans auch die den Restrukturierungsforderungen zugrundeliegenden Vertragsverhältnisse modifizieren, etwa durch Veränderung von Kündigungsrechten.

Anders als ursprünglich vorgesehen ist es jedoch nicht möglich, Vertragsverhältnisse zu beenden. Dies war im ursprünglichen Referentenentwurf noch gegenteilig vorgesehen ( § 51 StaRUG ReGE).

  1. Fazit

Wenn das Unternehmen Verbindlichkeiten – vor allem gegenüber Kreditinstituten und Lieferanten – hat und diesen auch Sicherheiten aus dem eigenen Vermögen gestellt hat, kann statt eines Insolvenzverfahrens ein Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG in Frage kommen.

Das Verfahren eignet sich auch dafür, Änderungen in der Gesellschaftsstruktur oder in Schuldverschreibungen zu regeln.

Wenn jedoch Arbeitnehmerforderungen oder Rückstellungen für die betriebliche Altersversorgung für die Krise maßgeblich (mit-)verantwortlich sind, kann dieses Verfahren keine Lösung anbieten. Gleiches gilt bei Einzelunternehmen für Forderungen aus dem privaten Bereich des Inhabers. Auch die vollständige Beendigung von Vertragsverhältnissen ist nicht möglich.

Über den Autor

Geschäftsführer, Partner, Rechtsanwalt Robert Buchalik

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