Die Kryptowährung Bitcoin in der Insolvenz– Eine rechtliche Einordnung

Kryptowährungen erlebten in den letzten Jahren einen regelrechten Hype, der seinen vorläufigen Höhepunkt Ende 2021 erreichte. Die weltweit bekannteste und größte Kryptowährung Bitcoin hatte zu diesem Zeitpunkt einen Kurswert von knapp über 58.000 EUR erreicht.

Seitdem hat der Bitcoin jedoch über 40 Prozent an Wert verloren, primär getrieben von negativen Signalen der weltwirtschaftlichen Entwicklung. Weltweit mussten namhafte Kryptobörsen und -banken mittlerweile Insolvenz anmelden. Am 09. August 2022 traf dies auch die Berliner Krypto-Bank Nuri.

Im Falle einer Insolvenz stellt sich regelmäßig die Frage, welche Vermögenswerte in die Insolvenzmasse fallen und welche Konsequenzen sich für die Gläubiger des Schuldners daraus ergeben.

Aufgrund der noch neuen Technologie gibt es derzeit viele ungeklärte Rechtsfragen. Der folgende Beitrag nimmt eine insolvenzrechtliche Einordnung konkret in Bezug auf die Insolvenz der Krypto-Bank Nuri sowie die darüber handelbare Kryptowährung Bitcoin vor.

  1. Was bedeuten die Begriffe Blockchain, Private-Key und Wallet?

Bei Kryptowährungen handelt es sich um rein digitale Zahlungsmittel, die unabhängig von Staaten oder Banken funktionieren. Im Ergebnis handelt es sich dabei nur um elektronische Datensätze, die im Gegensatz z. B. zu Aktien keinen systemeigenen Sachwert haben. Der Wert bestimmt sich ausschließlich durch die Nachfrage und den Glauben an dieses Finanzprodukt.

Blockchain – Definition

Eine Besonderheit bei Kryptowährungen ist, dass Informationen zu Eigentümern sowie Transaktionen in einer Kette von digitalen Datenblöcken auf einer Vielzahl von dezentralen, aber vernetzten Rechnern mit denselben Inhalten gleichzeitig gespeichert werden. Wird eine Datenkette auf einem Rechner im Nachgang beeinflusst, wird sie aussortiert. Diese Technologie nennt sich Blockchain. Das System gilt als hochgradig transparent und sicher. Fälschungen einer Transaktion sind praktisch unmöglich.

Private-Key – Definition 

Erwirbt man eine Kryptowährung wie den Bitcoin, erhält man zwei Schlüssel: einen Public- und einen Private-Key. Der Private-Key ist dabei vergleichbar mit einem Passwort, er ermöglicht den Zugang zu dem vorhandenen Kryptovermögen. Möchte man Bitcoin versenden, empfangen oder ausgeben, benötigt man diesen Private-Key. Nur er allein ermöglicht den Zugriff auf die Kryptowährung. Ohne den Private-Key ist eine Transaktion unmöglich und die jeweilige Kryptowährung für den Inhaber verloren.

Wallet – Definition 

Der Private-Key kann z. B. auch einfach handschriftlich notiert werden, allerdings ist die Verlustgefahr dabei sehr hoch. Ein mit der Blockchain interagierendes virtuelles Wallet eines seriösen Anbieters bietet hingegen die Möglichkeit, diesen Private-Key sicher aufzubewahren und gleichzeitig jederzeit für eine Transaktion verfügbar zu haben.

Ein weiterer Vorteil ist, dass Kryptowerte wie Bitcoin über die Wallet (ähnlich einem Depot) versendet und empfangen sowie ausgegeben werden können. Sie bietet dem Kunden des Kryptoverwahrers eine hohe Benutzerfreundlichkeit. Die Bitcoins selbst sind dabei nicht technisch in der Wallet enthalten, diese stecken in der Blockchain.

  1. Was gilt bei einer Insolvenz des Kryptoverwahrers?

Krypto-Banken wie Nuri sind vergleichbar mit einer Depotbank, wobei die Funktion des Depots hier vom sog. Wallet übernommen wird. Doch welche Konsequenzen drohen den Inhabern von Bitcoin, wenn der Kryptoverwahrer in eine Insolvenz gerät? Wann fällt der Bitcoin in die Insolvenzmasse?

Beispiel Nuri GmbH

Über eine bei Nuri eingerichtete Wallet konnten die Kunden unkompliziert Bitcoin kaufen, verkaufen und verwalten. Daneben können die Kunden auch ein klassisches Konto mit Bankkarte nutzen. Das FinTech verwaltete zuletzt laut eigenen Angaben ein Vermögen in Höhe von rund 325 Millionen Euro.

Für die Kunden des insolventen FinTechs ist von Vorteil, dass Nuri keine eigene Banklizenz besitzt. Die klassischen Bankgeschäfte werden vielmehr durch den Partner Solarisbank AG abgewickelt, sodass die Euro-Einlagen der Kunden dem Einlagensicherungsfonds unterfallen.

Das Krypto-Vermögen der Kunden wird wiederum durch die Solaris Digital Assets GmbH verwaltet. Diese Gesellschaft befindet sich jedoch nicht in einem Insolvenzverfahren, sodass das Krypto-Vermögen der Kunden damit ebenfalls nicht der Insolvenzmasse der Nuri unterfällt.

Wann ist die Kryptowährung Bitcoin ein Teil der Insolvenzmasse?

Wie aber ist die insolvenzrechtliche Lage, wenn über das Vermögen des eigentlichen Kryptoverwahrers ein Insolvenzverfahren beantragt wird? In dem Fall der Nuri-Insolvenz also über das Vermögen der Solaris Digital Assets GmbH? Ein Insolvenzverfahren erfasst gem. § 35 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt.

Problematisch ist die Situation bei der Kryptowährung Bitcoin insofern, als dass es sich bei ihr nicht um eine Sache handelt. Die Kryptowährung ist vielmehr eine Sammlung elektronischer Datensätze und damit nicht im zivilrechtlichen Sinne eigentumsfähig. Der Bitcoin ist auch nicht unbeweglichem Vermögen zuzurechnen und stellt keine Forderung dar.

Der Kryptoverwahrer verwahrt zudem nicht den Bitcoin selbst, denn er ist Teil der Blockchain. Er verwahrt vielmehr nur den Private-Key, der einzig den tatsächlichen Zugriff auf Bitcoin ermöglicht.

Welche Sicherungsrechte haben Kunden eines Kryptoverwahrers?

Kunden eines insolventen Kryptoverwahrers haben kein Absonderungsrecht an ihren Bitcoin. Dies hängt damit zusammen, dass ein Bitcoin keine Sache, Recht oder Forderung im zivilrechtlichen Sinn darstellt. Vielmehr handelt es sich bei ihnen um elektronische Datensammlungen, an denen im zivilrechtlichen Sinne schon kein Eigentum begründet werden kann.

Als Alternative käme ein Aussonderungsrecht in Betracht, wenn man auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört. Allerdings lässt sich die Frage der Massezugehörigkeit aktuell nicht pauschal beantworten, da eine abschließende Klärung hinsichtlich eines Aussonderungsrechts an Daten nicht vorliegt.

Es besteht insoweit zumindest in der Literatur weitgehende Einigkeit, dass auch digitale Daten grundsätzlich aussonderungsfähig sind, da sie Gegenstand besonderer Rechte sein können. Entscheidend ist, dass sie bestimmt oder bestimmbar sind. Dies wäre mit Blick auf den Private-Key, der in der Wallet beim insolventen Kryptoverwahrer in Form einer Datei (bzw. eines − in der Regel− 2048-Bit-Schlüssels) gespeichert ist, unproblematisch. Auf den Bitcoin trifft dies ebenfalls zu.

  1. Was gilt bei einer Insolvenz des Inhabers von Bitcoin?

Wird über das Vermögen des Inhabers von Bitcoin ein Insolvenzantrag gestellt, fällt dieser Vermögenswert bei entsprechendem Berechtigungsnachweis in die Insolvenzmasse und nicht an den oder die Hersteller.

Dass Kryptowährungen wie der Bitcoin weder Sachen, Forderungen noch Rechte darstellen ist insoweit problematisch, als dass der Insolvenzmasse grundsätzlich nur pfändbares Vermögen eines Schuldners unterliegt. Dennoch ist nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur eine Zwangsvollstreckung auch in Bitcoin möglich, sodass sie im Ergebnis in die Insolvenzmasse des Schuldners fallen.

Zuletzt hat u.a. das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 19.01.2021, 7 W 44/20) entschieden, dass die Übertragung von Bitcoin eine vertretbare Handlung darstellen kann, die nach § 887 ZPO vollstreckbar ist.

Der Insolvenzverwalter hat gegen den Insolvenzschuldner als Inhaber von Bitcoin einen Auskunftsanspruch und kann hierüber die Herausgabe des für die Verwertung z. B. über eine Krypto-Börse erforderlichen Private-Key erreichen. Dies setzt allerdings Kenntnis vom Bitcoin-Vermögen voraus.

  1. Was gilt bei einer Insolvenz des Emittenten?

So kompliziert technische und rechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Bitcoin teilweise erscheinen mögen, so einfach ist die Beurteilung in diesem Fall. Eine Insolvenz des Emittenten kommt schon deshalb nicht in Betracht, da im Falle des Bitcoins kein Emittent existiert, der die Währung als Geldmittel unter Begründung einer Forderung gegen sich ausgibt.

5. Fazit

Transaktionen unter Verwendung der Blockchain-Technologie sowie der Handel mit Kryptowerten sind im deutschen Zivilrecht nicht ausdrücklich geregelt. Dies hat auch Auswirkungen auf die insolvenzrechtliche Beurteilung.

Wurde die Kryptowährung Bitcoin über eine Krypto-Bank erworben, wird diese nicht direkt im Wallet gehalten. Sie ist Teil der Blockchain. Im Wallet befindet sich der Zugangsschlüssel zum Bitcoin.

Der Kunde eines insolventen Kryptoverwahrers hat kein Absonderungsrecht an der Insolvenzmasse, unter Umständen aber ein Aussonderungsrecht.

Über den Autor

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht Philipp Wolters

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